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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2024

Neugestaltung zentraler Ankunftsbereich Rheinhallenareal in Rüdesheim am Rhein

Ansicht Grünes Forum

Ansicht Grünes Forum

Anerkennung

Preisgeld: 7.500 EUR

SHK+ Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

sinning architekten

Architektur

RAUMLABOR

Lichtplanung

Erläuterungstext

ERLÄUTERUNGSTEXT NEUGESTALTUNG ZENTRALER ANKUNFTSBEREICH RÜDESHEIM AM RHEIN

Bestand / Ausgangssituation
Durch die Verlagerung des Bahnhofes von seinem alten Standort an die Bleichstraße besteht die Chance, die gesamte Verkehrssituation in Rüdesheim am Rhein signifikant zu verbessern und an dem neuen Bahnhaltepunkt einen zukunftsweisenden Mobilitätsknotenpunkt, mit optimaler Verknüpfung bestehender sowie neuer innovativer Fortbewegungsmittel als zentralen Ankunftsbereich am Stadteingang der Innenstadt für Anwohner, Besucher und Gäste zu schaffen.
Dabei fehlen dem neuen „Stadtplatz“ durch die zu drei Seiten vorhandene, vorstadtartige Bebauung und dem südlich, dem Platz vom Hafenpark und Rheinufer, abschneidenden Bahndamm adäquate Raumkanten.
Weiter ist die Anbindung des ÖPNV an die zukünftige Mobilitätsstation durch den Verkehr des zweispurigen Einbahnstraßenrings der B42 für Fußgänger stark gestört.
Die Lage mit der direkten Nähe zur Innenstadt, Rheinufer, Hafenpark, insbesondere mit Erweiterung des Naherholungsangebotes im Zuge der BUGA 2029 und der umgebenden Wohnbebauung sowie des geplanten Parkhauses hat jedoch auch großes Potential, einen attraktiven, funktionalen und barrierefreien Ankunftsbereich mit hoher Aufenthaltsqualität und Wiedererkennungswert zu entwickeln.

Gestalterische Leitidee
Allgemeine Entwurfsthesen:
• Optimale Flächenausnutzung für den motorisierten Verkehr, zugunsten großzügiger Vegetationsflächen mit Aufenthaltsbereiche für Anwohner,
Besucher und Gäste.
• Bündelung und räumliche Trennung von aktiven sowie ruhigen Nutzungen.
• Schaffung einer ablesbaren Verbindung zum Hafenpark trotz Zäsur durch den Bahndamm.
• Beschleunigung des ÖPNV
Durch die innere Erschließung, im Westen die Busterminals des ÖPNV und im Osten die Haltestelle für Reisebusse und Taxen sowie einer Warteposition für Busse, entstehen zwei unterschiedlich große, jedoch gleichberechtigte Bereiche des neuen Stadtplatzes.
- Bahnhofsvorplatz / Mobilitätsknotenpunkt
- „Grünes Forum“ / Stadtbühne und neue Visitenkarte der Stadt
Über einen zentralen angeordneten Zebrastreifen werden „grünes Forum“ und „Mobilitätshub“ miteinander verbunden.
Die östlichen und westlichen, durch eine nicht durchgängig geschlossene Bebauung, geprägten Raumkanten werden durch Baumreihen geschlossen. Die nördlichen und südlichen Raumkanten bleiben, außer dem Wohnhaus im Süden, zugunsten einer guten Einsehbarkeit bewusst offen. Insbesondere die unansehnliche Fassade des südlichen Wohnhauses, aber auch die uneinheitliche Bebauung der östlichen Platzkante werden durch intensiven Gehölzstrukturen verdeckt.
Die zur Herstellung eines spürbaren Bezuges zum Hafenpark entwickelten Kommunikations- und Sitzinseln, schaffen neben Aufenthaltsqualität und Zonierung durch ihre designorientierte Gestaltung mit starker nutzerorientierter Ausrichtung und aus dem Ort entlehnten Vegetationsbild, der „Rheinauen“, eine ikonenhafte Grün- und Freiraumstruktur.
Dieses Design wurde aus der in der Stadt und in der Umgebung des neuen Stadtplatzes, insbesondere durch die Stadterweiterung im 19. Jahrhundert entstandener Fassaden, aus der die Stadt prägenden Gründerzeit und Historismus inspiriert: Grünflächen mit einer monumentalen Größe, jedoch einer filigran gestalteten Einfassung, auf einem feinen parkettartigen Stadtboden.

Bahnhofsvorplatz / Mobilitätshub
Der ÖPNV mit den 4 Busterminals und überdachtem Wartebereich sowie die Fahrradabstellanlage mit Reparaturstation, Lademöglichkeiten für E-Bikes und geschlossenen Fahrradabstellplätzen sind optimal über einen Zebrastreifen an den neuen Bahnhaltepunkt angebunden.
Dabei folgt die Gestaltung den Bewegungsströmen zwischen Bahnhaltepunkt und Busterminal + Fahrradabstellstation. Die beiden Bereiche werden durch perforierte Heckenbänder von der als Verteiler dienenden Platzmitte abgeschirmt.
In den Heckenbändern angeordnete Sitzbänke, die quer zur Laufrichtung angeordnet sind, entstehen Sitznischen, die keine Störung der natürlichen Begegnungsströme verursachen.
Trotz der aktiven Nutzung des Bahnhofsvorplatzes entsteht durch die Anordnung der Kommunikations- und Sitzinseln sowie den überdachten Wartebereich, Ruhezonen, die einen angenehmen Aufenthalt für auf den Bus Wartende ermöglichen.

„Grünes Forum“ / Stadtbühne und neue Visitenkarte der Stadt
Busreisende werden im Sommer von einem Wasserspiel begrüßt und können sich auf dem ruhigen, auch von den Anwohnern gern genutzten Platz sammeln.
Zusätzlich zu den Kommunikations- und Sitzinseln bieten zwei lineare „Holzsofas“ bequeme Sitzmöglichkeiten an. Die nördlich, parallel zur Geisenheimer Straße verlaufende Sitzbank, dient zur Abgrenzung für das Wasserspiel zum Straßenverkehr sowie als Schutz vor unberechtigtem Parken. Das westlich angeordnete „Holzsofa“ ist auch mit einer Rückenlehne ausgestattet.
Der Kiosk mit Infopoint für Touristen ist strategisch auch für den ÖPNV Nutzenden gut erreichbar und zentral angeordnet. Hier besteht für den Kioskbetreiber auch die Möglichkeit eine verkaufsfördernde Außenbewirtung anzubieten.
Das Wasserspiel kann in zwei Arten betrieben werden. Entweder als Wasserspiegel analog zur Überdachung des Wartebereiches oder mit Wasserfontänen, die besonders von Kindern an heißen Sommertagen genutzt werden können.

Regenwassermanagement / Schwammstadt
Neben dem hohen Grünflächenanteil und der Begrünung möglichst aller Überdachungen der Fahrradabstellanlage sowie des Kiosks wird Regenwasser gezielt in alle ebenerdigen Pflanzflächen geleitet. Eine zentrale Rolle nehmen dabei die in gleicher Formensprache wie die Sitz- und Kommunikationsinseln gestalteten, strategisch an den Platzrändern angeordneten Verdunstungsbeete ein, die mit ihrer „Wiesenartigen“ Bepflanzung neben der aktiven Verdunstung von Regenwasser auch als Rückhalteraum bei Starkregenereignissen dienen.
Unter den Verdunstungsbeeten sind Regenwasserzisternen angeordnet, die über durch die belebte Oberbodenzone der Verdunstungsbeete gereinigten Regenwassers gespeist werden.

Verkehrsplanung / Erschließung
Die Zufahrtsrichtung von der Geisenheimer Straße und Bleichstraße ergibt sich aus der Ausstiegsrichtung der Busse.
ÖPNV: Ausstieg Richtung Westen zum „Bahnhofsvorplatz“, Zufahrt im Norden über die Geisenheimer Straße.
Reisebusse, Taxen, Warteposition: Ausstieg Richtung Osten zum grünen Forum, Zufahrt im Süden über die Bleichstraße.
Dabei wird zur Beschleunigung des ÖPNV und zur sicheren Querung des Einbahnstraßenringes für Fußgänger, für beide Ausfahrten eine Ampel zur Steuerung des Verkehrs vorgesehen.
Ausfahrt: Busse / Pkw´s fährt bis zur Haltelinie, durch Induktionsschleifen schaltet die Ampel der Straße auf rot, danach schaltet die Ampel der Ausfahrt erst auf grün. Die Zufahrt kann bei grüner Ampel jederzeit, ohne Gefährdung von ausfahrenden Fahrzeugen, genutzt werden.

Architektur / Wartebereich / Kiosk
Das schwebende Dach des Wartebereichs wird analog der „grünen Inseln“ des Gesamtentwurfs geformt und stellt somit einen gestalterischen Bezug zu diesem her. Das frei geformte Dach wird durch eine hölzerne Struktur mit einem inneren aufgestelzten, verglasten Feld mit Photovoltaikelementen und einem umlaufenden Bereich mit Dachbegrünung, der mit Edelstahlblechen verkleidet wird, gebildet. Die Konstruktion ruht auf 3 schräg gestellten Stützen, die in ihrer Gesamtgeometrie die Sitzbank des Wartebereichs gestalterisch integrieren.
Der Kiosk besetzt einen Teilbereich der Grüninsel und nimmt dessen Form auf, wird somit ebenfalls Teil der Gesamtkonzeption. Der hölzerne Rücken des Kiosks als “dicke Wand“ dient als Lager für Getränke und Snacks und nimmt zugleich das Informationsmaterial für die Besucher auf. Zum Sitzbereich im Freien hin orientiert befinden sich die Theke zum Verkauf und der Zugang zum Kiosk.

Bepflanzungskonzept / Ökologie / Raumkante / Auenwald
Innenstadtbäume stehen unter Stress: verdichtete Böden, Luftmangel, Trockenstress, Schadstoffemissionen sowie die Folgen der Klimaveränderung mit hohen Lufttemperaturen, länger anhaltende Trockenperioden, mehr Starkregenereignisse und Stürme. Daher werden ausschließlich die nachstehenden sogenannten „Klimabäume“ vorgeschlagen. Dabei wird gestalterisch und technisch unterschieden in
• Platzmitte: mehrstämmige Bäume, Herbstfärbung – Burgen-Ahorn, Silber-Ahorn, Herbstflammen-Ahorn
• Platzränder: für Baumrigolen geeignet (Überflutung vertragend), Resista Ulme, Hainbuche

Das Bepflanzungskonzept interpretiert die Vegetationstypologien des Mittelrheintales, bei dem im Flusstal Auenwälder aus Silberweiden und an den Hängen Eichen und Hainbuchen wachsen.

Staudenmischung / Stadtgrün
Stauden bieten einen kleinen Lebensraum und gutes Nahrungsangebot für die lokale Fauna. Die Sitz- und Kommunikationsinseln werden mit einer vorwiegend rot blühenden Prärie-Staudenmischung und in den Verdunstungsbeeten mit Staudenmischungen, die einen hohen Anteil Geophyten und Gräser beinhalten, bepflanzt. Die Staudenmischung verändert sich in den verschiedenen Jahreszeiten, so dass immer wieder neue attraktive Vegetationsbilder entstehen. Die Unterhaltung ist nach einer Etablierungsphase geringer als bei einer herkömmlichen ´repräsentativen´ Bepflanzung. Die verschiedenen Stauden bieten einen kleinen Lebensraum und gutes Nahrungsangebot für die lokale Fauna. Zur Abgrenzung von Funktionsbereichen sind Heckenbänder vorgesehen, die mit im Strichcode angeordneten Heckenblöcken aus robusten Schnittheckenarten, die im Laufe des Jahres immer wieder eine abwechslungsreiche Anmutung haben.

Planerische Berücksichtigung von Belangen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen
Alle befestigten Oberflächen werden unter Beachtung der geltenden Anforderungen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen geplant und hergestellt. Ein taktiles Leitsystem lässt sich gut in die vorliegende Planung integrieren, Lückenschlüsse im Leitsystem z.B. im Bereich der Übergänge können gut über Einbauten oder technische Einrichtungen wie Entwässerungsrinnen realisiert werden.

Urban Mining / Nachhaltigkeit / Materialität
Das Abbruchmaterial aus der notwendigen Baufeldfreimachung soll separat entsorgt und dem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden. So kann der Asphalt und Beton sehr gut recycelt werden. Für den Unterbau sollte im Vorfeld schon untersucht werden, ob der vorhandene Unterbau / Boden als Frostschutzschicht geeignet ist und vor Ort wieder eingebaut werden kann. Für den Neubau sollen nur Pflastersteine und andere Materialien mit einem Recyclinganteil eingesetzt werden.
Für den Stadtplatz schlagen wir einen feinen Betonplattenbelag im Paketverbund 50x10x12cm in drei unterschiedlichen hellen Farboberflächen vor. Die Fahrbahn für den Busverkehr soll mit robusten Großformatplatten, aus dem Industriebau, in hellgrauem Beton hergestellt werden, dies hat auch den Vorteil, dass der Einbau witterungsunabhängiger als bei Asphalt oder Ortbeton erfolgen kann. Für die Einfassungen der Sitz- und Kommunikationsinseln schlagen wir die Verwendung von Betonfertigteilen mit einem hohen Anteil an Recyclingmaterial vor.

Beleuchtungskonzept
Straßenbeleuchtung, Busbahnhof:
Beleuchtung durch Mastansatzleuchten mit Ausleger, LPH 6m, mit asymmetrischer Straßenoptik in Lichtfarbe 3000K, Abstände 15-20m, Konfliktbereiche wie Zebrastreifen und Ein- und Ausfahrten mit tiefstrahlender Optik. Das Licht ist nur nach unten gerichtet.
Mastleuchten Platz: Mastaufsatzleuchte mit rotationssymmetrischer Ausstrahlung, LPH 5m, für eine Beleuchtungsstärke von 10-20lx im Mittel mit weicher Lichtverteilung, blendfrei, mit gerichtetem Licht nach unten, kein Eintrag in den Nachthimmel. Lichtfarbe in warmweiß 2700K wodurch eine angenehme Aufenthaltsatmosphäre entsteht. Gleichzeitig wird durch die Lichtfarbe auf Insekten Rücksicht genommen. Die Grüninseln am Tag werden zu Lichtinseln in der Nacht. Dafür werden die Inseln mit einem umlaufenden LED-Band indirekt beleuchtet, so dass sie Nachts schweben und den Menschen auf dem Platz Orientierung bieten.
Die Fahrradparkplätze werden direkt aus den Dächern heraus beleuchtet. Die Beleuchtungsstärke sollte zur Unterstützung des Sicherheitsgefühls hier höher sein als auf dem Platz und liegt bei ca. 50lx. Die Leuchten sollten in dem Bereich vandalismussicher sein. Das Busterminal wird aus dem Deckenbereich mit ca. 50lx beleuchtet.

Beurteilung durch das Preisgericht

„Parkett“ betrachtet, die grünen Inseln sollen an die Auen des Rheins erinnern und sind als gleichmäßig abgerundete Dreiecke in die Parkettfläche eingestreut. Zu den westlichen und östlichen Rändern wird der Ankunftsbereich zusätzlich mit geschnittenen Hecken abgegrenzt.

Der Busbahnhof führt in einer geraden Achse mittig durch den Platz und bietet hier die geforderten Haltestellen. Es gibt eine klare Zuordnung der Haltestellen von Linienbussen (Westkante) und Reisebussen (Ostkante). Die Ausbildung der Haltekanten ermöglicht eine unabhängige Ausfahrt der Linienbusse. Einschränkend ist festzustellen, dass die Linienbushaltestellen nur aus der Richtung Geisenheimer Straße an- und in die Bleichstraße ausgefahren werden können. Dies führt zu Umwegen im Busbetrieb. In der Materialität wäre es wünschenswert, wenn die Busspuren zumindest im gleichen Farbton der angrenzenden Platzfläche gestaltet wären, um hier den Eindruck des durchlaufenden Parketts konsequent zu erhalten.

Begrüßt wird die Anordnung der Kiss- and-Ride Stellplätze außerhalb des Busbahnhofs, allerdings ist die Anordnung als Querparker problematisch, da rückwärts in die Bleichstraße ausgeparkt werden muss.

Die gute Zuordnung der Reisebushaltestellen wird durch die geschnittenen Hecken im Bereich der Warteflächen von Fahrgästen kritisch gesehen.

Die Konzentration der Fahrradboxen am Westrand, unmittelbar angrenzend an die benachbarte Bebauung, wird als problematisch betrachtet, auch wenn dort Leihräder und Lastenräder umfänglich angeboten werden.

Die Querung der Bleichstraße als barrierefreier Zugang zum Bahnhaltepunkt und zum BUGA-Gelände ist richtig platziert.

Der überdachte Wartebereich im Westen scheint zu knapp dimensioniert und bietet nur punktuellen Witterungsschutz. Die Positionierung des Kiosks erscheint gelungen.

Als negatives Merkmal wird der im Verhältnis hohe Versiegelungsgrad gesehen. Die Verteilung der Grüninseln wirkt beliebig und wenig identitätsstiftend. Es wird versucht, mit dem Motiv der „eingestreuten Inseln“ alle räumlichen Anforderungen zu erfüllen: Dies aber funktioniert nur teilweise, so entstehen z. B. abwegig positionierte Sitzbereiche. Die geschnittenen Hecken reichen zur Abschirmung der Nachbarbebauung nicht aus.

Die Idee der grünen Inseln wirkt im Ansatz charmant, stellt sich jedoch als zu undifferenziert darum auf verschiedene Nutzungsszenarien flexibel reagieren zu können. Daher kann sie nur in Teilbereichen als multifunktionaler Stadtplatz überzeugen.
Lageplan Tag & Nacht

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