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Städtebaulicher und freiraumplanerischer Wettbewerblicher Dialog | 03/2024

Klimavorzeigestadtteil Rothneusiedl in Wien (AT)

Blick in die Laaer Felder

Blick in die Laaer Felder

ein 3. Preis

Nussmüller Architekten ZT GmbH

Stadtplanung / Städtebau

studio boden

Landschaftsarchitektur

wohnbund:consult

Stadtforschung

AEE – Institut für Nachhaltige Technologien

Sachverständigenwesen

Architekturbüro forschen planen bauen DI Thomas Romm ZT

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Städtebau und Freiraum verbinden sich in Rothneusiedl in Form von Linien und Feldern zu einer schlüssigen Einheit – ein Dialog zwischen Stadt und Landschaft – ein notwendiges Miteinander in Richtung einer ökologischeren Stadt der kurzen und attraktiven Wege.
Die neue Klimavorzeigestadt Rothneusiedl verbindet und verwebt urbane Räume mit naturnahen Grünräumen. Der Grünraum durchzieht die urbanen Bereiche als demokratisches Grün, das für alle im Stadtquartier zur Verfügung steht. Dies bietet eine hohe Lebensqualität für die zukünftigen Bewohner*innen durch grüne, kühle und nicht versiegelte Bereiche. Das vernetzte Grün bildet unter anderem lebendige Ökokorridore für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Die Grundstruktur des neuen Stadtteils folgt den Linien der Felder und Äcker, sowohl in den Grünflächen als auch bei der Anordnung der Gebäudebereiche. Quartiersplätze bündeln Funktionen und bilden Identitäten in den Quartieren. Sie sind jeweils eng mit dem Mobility Hub und dem Quartiershaus verbunden und dienen als Treffpunkte. Die landwirtschaftliche Prägung manifestiert sich ausgehend vom Zukunftshof in einer essbaren Stadt mit Pflückgärten, Lehrgärten und Nutzergärten an unterschiedlichsten Plätzen. Die landschaftstypischen Windschutzstreifen bleiben erhalten. Die gesamte Energieversorgung des neuen Stadtquartiers basiert auf erneuerbarer Energie. Graue Energie wird durch den Einsatz von CO2-reduziertem Beton, Holz und Lehm erheblich reduziert. Ein Bodenkarussell sichert durch die Wiederverwendung der Aushübe den Erhalt der fruchtbaren Böden von Rothneusiedl.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich-freiraumplanerisches Konzept

Die Arbeit "Urban Fields" verfolgt die ambitionierte Leitidee eines „demokratischen Grüns“ und versucht diese Idee über eine gleichrangige Vernetzung und Verwebung von urbanen Flächen und Grünräumen in ein prägnantes städtebauliches Konzept zu übersetzen.

Die zugrunde liegende Stadtstruktur folgt dem Motiv des Rasters, welches sich in der Ausrichtung an den bestehenden Windschutzstreifen und Ackerstrukturen orientiert. Die enge Integration der Gehölz- und Flurstrukturen zeugt von einer hohen Wertschätzung des Ortes und des Kontextes, was von der Jury als lobenswert erachtet wird.

Die räumliche Grundstruktur des Rasters in Verbindung mit zwei Parks gibt das Versprechen eines robusten Stadt- und Grünraumgewebes, welches lebendige Mikroquartiere ermöglicht. Allerdings kann die Arbeit das Versprechen nicht einlösen. Vor allem schränkt die stringente Auslegung des Rasters unterschiedliche Raumqualitäten und eine städtebauliche Varianz ein.

Die Wahl der Baufeldgrößen lässt wenig typologische Vielfalt zu. Kritisch diskutiert werden die Sockelstrukturen für die Zentrenfunktionen und das Business-Cluster, die auf eine Vielzahl von Baufeldern verteilt sind. Besonders die Ausmaße der Sockelzone und ihre Situierung werden funktionell und stadträumlich in Zweifel gezogen. Die Höhenentwicklung der Gebäude wirkt beliebig und trägt daher nur bedingt zur Orientierung bei.

Im Westen treffen die Gewerbestrukturen mit den Wohnstrukturen aufeinander. Der Übergang zwischen den verschiedenen Nutzungen und der innovative Ansatz der produktiven Stadt werden von der Jury gewürdigt. Ebenso gelobt werden die intensive Auseinandersetzung mit den Themen der Kreislaufwirtschaft und das Bodenkarussell. Gleichzeitig wird kritisiert, dass durch die raumgreifende, aufgelockerte Bebauungsstruktur fast das gesamte Gebiet umgestaltet und überbaut wird, wobei nur ein geringer Anteil des gewachsenen Bodens von Bautätigkeiten unberührt bleibt.

Die vorgeschlagene „Verlandschaftlichung“ der Infrastruktur- und Betriebszone wird kritisch hinterfragt, insbesondere in Hinblick auf die betriebliche Funktionalität, die Aufschüttungen und die Baumpflanzungen, da dadurch auch die nächtliche Kaltluftzufuhr behindert wird.

Grün- und Freiraumsystem

Der Stadtteil wird durch mehrere lineare Grün- und Freiraumachsen getragen, die grundsätzlich in ihrer topografischen Ausrichtung aufgrund des plausiblen Regenwassermanagement-Konzeptes und der Fließwege von der Jury als positiv gesehen werden.

Dennoch wäre eine klare Hierarchisierung der einzelnen Achsen wünschenswert, um im gesamten Gebiet ein lebendiges Freiraumsystem zu schaffen. Die Arbeit schlägt verschiedene spannende Freiraumtypen und -themen (Pflückgärten, Stadtgarten, Regengarten usw.) vor. Eine stärkere Differenzierung wäre jedoch wünschenswert – etwa durch eine unterschiedliche Dimensionierung und Hierarchisierung der Grünachsen zur Gewährleistung einer höheren Wiedererkennbarkeit, Orientierung und Identitätsstiftung
– wird vermisst.

Die Arbeit integriert landwirtschaftliche und gärtnerische Aktivitäten mittels einer feingliedrigen Programmierung im Bereich des Agrikultur- und Innovationsquartiers rund um den Zukunftshof, in den linearen Gärten sowie der Dachlandschaft in das Gesamtkonzept. Innerhalb der linearen Gärten sind die Flächen jedoch durch die Rasterstruktur begrenzt, wodurch die Anbaumethoden sowie die Nutzungsflexibilität eingeschränkt werden.

Parallel zu den Gartenachsen wird die U-Bahn-Trasse angeordnet. Die stringente Ausrichtung der UBahn- Station entlang des Rasters hat unterschiedlich lange Zugänge zur Station und eine ungleiche Teilung des Planungsgebietes zur Folge. Gekoppelt wird die U-Bahn mit der Idee des „Urbanen Zippers“, einer interessanten stadträumlichen Überlegung, die jedoch keine klare räumliche Anfangs- und Endsituation vorweist und in der Dimensionierung zu weitläufig erscheint. Zudem wird diskutiert, ob es zu einer Konkurrenz zwischen dem „Urbanen Zipper“ und dem Boulevard in Hinblick auf die Zentren- und Nutzungsfunktionen kommt.

Neben dem Boulevard und dem „Urbanen Zipper“ bietet die Arbeit unterschiedliche Platzsituationen im Stadtteil (Platz der Kreisläufe, Platz der Ressourcen, Platz der Inklusion usw.) an, die jedoch in ihrer räumlichen Konfiguration und Qualität noch Fragen offenlassen. Die Bedenken, dass die Platzflächen durch Anlieferfunktionen und Fahrbahnen des Flanierloops zerschnitten werden, können nicht ausgeräumt werden.

Durch die Rasterstruktur, etwa durch die Überlagerung der Nord-Süd orientierten linearen Gärten und der West-Ost orientierten Mobilitätsräume, wird auch eine Vielzahl kleinerer, interessanter Kreuzungsund Knotenpunkte geschaffen, die jedoch in ihrer räumlichen Qualität wenig differenziert ausfallen.

Mobilitätskonzept / Verkehr

Die Arbeit legt ein schlüssiges Mobilitätskonzept vor. Prägnant ist das kleinmaschige Fuß- und Radwegenetz, welches attraktive Mobilitätsräume anbietet und ein elegantes Last-Mile Konzept integriert. Dadurch wird die Porosität zwischen den einzelnen Quartieren gewährleistet und das Queren des Stadtteils ermöglicht.

Gewürdigt wird, dass die Bewohner*innen eine hohe Wahlfreiheit bei der Wegenutzung haben. Auf der anderen Seite geht damit ein erhöhter Anteil an versiegelten Flächen sowie ein reduzierter Grünraumanteil einher, was von der Jury kritisch gesehen wird.

Ebenfalls hinterfragt wird der „Flanierloop“ in Hinblick auf seine räumliche Wirksamkeit und Funktionalität innerhalb des Rasternetzes. Die Dimensionierung der großen, versiegelten Flächen des „Flanierloops“ wird angesichts der geringen Nutzungsintensität (MIV) kritisiert.

Die Verlängerung der südlichen Grünbrücke wird gelobt. Dadurch kommt es zu einer Entflechtung der Erschließungs- und Grünräume, wodurch die Anbindung an den übergeordneten Grünzug und die ökologische Vernetzung gestärkt wird.

Energie, Klima und Regenwassermanagement

Die städtebauliche Konfiguration ermöglicht grundsätzlich ein gutes Mikroklima auf der Quartiers- und Straßenebene. Durch die kleinteilige Struktur der Baufelder und die relativ geringe Tiefe der einzelnen Baublöcke ergibt sich auch auf Ebene der höher gelegenen Wohnungen die Möglichkeit der Quer- und Über-Eck Belüftung, was zu einem hohen thermischen Komfort beiträgt.

Kritisch werden jedoch die Größe und Anzahl der tiefen Sockelgeschosse gesehen, die eine natürliche Belüftung und Belichtung in diesen Bereichen erschweren. Ebenso wird damit ein hoher Anteil an Bodenversiegelung generiert, was ebenfalls kritisch eingestuft wird.

Das Energiekonzept ist schlüssig und durchgedacht. Es enthält innovative Ansätze und adressiert die wesentlichen Aspekte einer nachhaltigen und erneuerbaren Energieversorgung für den Stadtteil. Das Regenwassermanagement erfüllt die Anforderungen der Ausschreibung.

Fazit

Die Arbeit ringt um die Balance zwischen einem robusten Grundgerüst und einer städtebaulichen Varianz. Letztlich ist die Rasterstruktur jedoch räumlich zu stringent ausgestaltet, was in der Folge zu einer gewissen Gleichförmigkeit im Stadtgefüge führt. Aus der Perspektive der Bewohnerschaft werden dadurch die Orientierung und Identitätsbildung erschwert.

Die Jury schätzt die intensive Auseinandersetzung mit den Themen des Vernetzens und Verwebens, hätte jedoch eine höhere Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und eine Weiterentwicklung des Rasters an einzelne Raumsituationen, Funktions- und Nutzungserfordernisse als erstrebenswert erachtetet.

Insgesamt eröffnet die Arbeit eine vertiefte und engagierte Perspektive auf eine zukünftige Stadtentwicklung, schafft es jedoch nicht in Gänze, diesen Anspruch in komplexere Raumstrukturen und räumliche Qualitäten zu übersetzen.
Grünraumkonzept

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Landschaft als Klimamaschiene

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Schwarzplan

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städtebauliches Konzept

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Axonometrie

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Die essbare Stadt

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