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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2024

Erschließungs- und Freiraumplanung Hintere Insel Lindau

Lageplan 1:500

Lageplan 1:500

1. Preis

Preisgeld: 46.000 EUR

koeber Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

RAPP + SCHMID Infrastrukturplanung GmbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext


FREIRAUMKONZEPT

Die Straßen, Gassen und Plätze in der Lindauer Altstadt weisen durchweg eine hohe Identität auf. Zudem sorgt der Bezug zum Bodensee für eine einzigartige Atmosphäre. Die bauliche Nachverdichtung der hinteren Insel nimmt mit Ihrer Blockrandbebauung in polygonaler Form Bezug zu den Proportionen der Altstadtquartiere. Neue Plätze geben den neuen Quartieren Mittel- und Treffpunkte. Sie sind untereinander mit einem Netz aus Straßen und Gassen verbunden. Alle Wege führen auf der Insel irgendwann zum See und im Plangebiet enden sie an der großen Gleiswiese, die wie ein Sporn in den See ragt und vom fantastischen Panorama gerahmt wird.

PLÄTZE

Wolkenplatz am neuen Bahnhalt
Blühwolken aus Zierapfelbäumen empfangen die Besucher/-innen der Insel im Frühjahr. Radiale Bänke formen sich ebenfalls zu einer Wolkenform und sind somit kommunikativ und einladend zwischen den Bäumen angeordnet. Zur Altstadt und zum alten Bahnhof hin öffnet sich der Platz und Nebelwolken aus Sprühdüsen schaffen hier auf der offenen Platzfläche ein angenehmes Mikroklima für die Bahnnutzer/-innen. In die Baumkronen ist eine Edelstahlnetz eingewoben, das am Abend und in der Nacht eine Lichtwolke herstellt, die an der Unterseite der Überdachung des Bahnsteigs mittels Downlights fortgesetzt werden kann. Die Pflasterung unter den Bäumen ist ungerichtet im Passe-Verband mit weiten Fugen und damit wasserdurchlässig angelegt, während das Pflaster in den Gassen und Fahrbahnen in Reihen verlegt wird.

Rast + Rad vor der alten Post
Der Platz vor der alten Post im Anschluss an das Fahrradhaus lädt Radtouristen/-innen zur Rast unter einem Blätterdach aus dem vorhandenen Trompetenbaum, Tulpenbäumen und Sommer-Linden ein. Hier gibt es einen Trinkwassertresen, Bänke und Tische. Zur Wartung und Reparatur von Fahrrädern werden entsprechende Haltevorrichtungen installiert. Die Fläche zwischen den Bäumen wird mit einem Dränbeton befestigt und damit eine glatte und homogene Oberfläche garantiert. Bügelförmige Leuchten werden zu Lichttoren zum See.

Mangplatz
Der Mangplatz vor der Schönheitsklinik versteht sich in seiner Gestaltung als Tribut an die Schönheit, dessen Mittelpunkt ein runder Wassertisch, der Brunnen des Narciss bildet. Er wird aus dunklem Rorschacher Sandstein gebaut und ermöglicht das Erhaschen des Spiegelbilds der Passanten/-innen. Eine Reihe Tulpen-Magnolien, deren kurze, aber außergewöhnlich schöne Blüte erfreut, können als Analogie zur Vergänglichkeit der Schönheit verstanden werden. Unter den Magnolien und den vorhandenen Spitz-Ahornen steigert eine Staudenmischung mit jahreszeitlichen Aspektbildern den Blütenverlauf. Da der Mangplatz mehr Garten als Platz ist, wird hier die Lichtpunkthöhe auf das Pollermaß reduziert. Die Lichtpoller führen durchs Grün, Wandleuchten in der neuen Stützwand im Osten werden in derselben Höhe geführt.

Regenplatz (Ideenteil)
Auf dem Regenplatz bilden Pfützen nach einem Regenschauer in einer modellierten Ortbetonfläche temporäre Wasserflächen. Bäume die „nasse Füße“ vertragen und trotzdem der Liste der Klimabäume zugehörig sind, sorgen im Herbst für leuchtende Farben (Amberbaum, Rot-Ahorn und amerikanische Esche). Bänke in Tropfenform aus Betonfertigteilen unter den Bäumen generieren Aufenthaltsqualität auch an heißen Tagen. Die Beleuchtung des Platzes erfolgt hier von den Platzrändern her über eine Fassadenbeleuchtung, die sich auch am alten Bahnhofsgebäude abbildet und seine Kontur bei Nacht nachzeichnet.

STRASSEN UND GASSEN

Sind die Straßen und Gassen im Bereich der Altstadt noch steinern ausgelegt, sollen die Straßen und Gassen in den neuen Quartieren möglichst eine grüne Anmutung vermitteln. Entlang der Fassaden sind Friese aus Steckkiesel des Bodenseeraums angelegt. Sie werden von Grün perforiert und die Kletterpflanzen wachsen aus Öffnungen im Belag. Quergespannte Rankhilfen lassen zu, dass die Rankpflanzen auch über die Straße wachsen und zu grünen Portalen werden können. Die Edelstahlseile sind gleichzeitig Träger der Hängeleuchten über dem Straßenraum. Breitere Pflanzflächen entlang der Fassaden und Baumbeete, die als Baumrigolen ausgebildet sind, steigern das Bild der grünen Gassen und Straßen. Die Gehbereiche sind mit einem gesägten und gestrahlten Reihenpflaster aus Granit in differenzierten, eher warmen Farbtönen versehen. Ein Plattenband aus scharriertem Rorschacher Sandstein dient als Wasserrinne. Regelmäßig gesetzte Einläufe im Band nehmen das Wasser auf und leiten es den Baumrigolen zu. Das Element des Plattenbands aus Sandstein ist nicht nur als wasserführende Rinne geplant, sondern dient auch als Einfassung der Intarsien auf den verschiedenen Plätzen. Am Wolkenplatz sind die Platten gestrahlt, während sie um den gröberen Dränbeton an Rast + Rad gestockt werden. Um die Grünfläche des Mangplatzes ist die Einfassung bruchrau und nur an den Wegen gesägt. Das ist ein subtiler Hinweis darauf, die Staudenflächen nicht zu betreten. Die Gleiswiese ist mit gebeilten Oberflächen gesäumt, die wie eine versteinerte Grasfläche wirken.

Die Fahrbahnbereiche sind in den Gassen ebenfalls gepflastert. Hier ist aufgrund des Bus- und Lieferverkehrs eine gebundene Bauweise mit einer Verschiebesicherung, an den Schmalseiten und der Unterseite geboten. Lediglich Abschnitte der Thierschstraße sind asphaltiert. Die Thierschstraße wird mit einer Reihe Mastleuchten entlang der Bahn beleuchtet. Die Masten sind als Referenz an die Bahn als Gittermasten vorgesehen. Die Baumauswahl orientiert ich an den aktuellen Klimabaumlisten. Es ist eine bunte Mischung und keine homogene Reihung vorgesehen. Alleeförmige Baumpflanzungen sind auf der Insel eher nicht vertreten. Zudem wird bei der Baumauswahl auf die Kronenform im Hinblick auf das Lichtraumprofil geachtet.

Gleissteg
Der Gleissteg stellt die direkte Verbindung zwischen der hinteren Insel und der Altstadt her. Er wird deshalb auf seine reine Erschließungsform reduziert und als Holzkastenbrücke auf Stahlstützen zwischen den Gleisten gebaut. Die schlanke und unspektakuläre Form nimmt sich im städtebaulichen Kontext zurück. Zwei lineare Lichtbänder auf der Innenseite geben die Richtung und die Dynamik auf der Brücke auch in der Nacht vor. Die U-Form der Brücke knickt auf beiden Seiten nach Süden ab und stuft sich auf das Niveau des Stadtbodens herunter. Auf der Westseite ist unter der Treppe wettergeschützt eine der beiden Buswartebereiche untergebracht.

Gleiswiese
Die Ausrichtung der Wiese orientiert sich am alten Gleisverlauf, die sich an der Anordnung der verbliebenen Prellböcke abbildet und die als Reminiszenz an die vormalige Nutzung erinnern. Die Wiese als eingeschriebenes Rechteck nimmt keinen Bezug zum Ufer oder zur ehemaligen Eilguthalle. Unter und zwischen den Bäumen auf der Westseite liegen Sitz- und Liegeflösse für Badende, Sonnenhungrige und für Zuschauer des Treibens auf der Gleiswiese oder auf dem See. Auf der Ostseite verbleiben die Gleise entlang der Eilguthalle einerseits für den vorhandenen Waggon und andererseits für bewegliche Loren, die als Sitz- und Aufenthaltspodeste vor der alten Laderampe liegen. Stadtseitig spannt eine Gruppe von Hängeweiden einen grünen Baldachin vor der Stadt. Die Weidenkronen werden einheitlich auf ca. 2 m Höhe regelmäßig geschnitten. Die Wiese hat damit einen grünen und besonderen Schwerpunkt bekommen, während sie ansonsten offen und leer gehalten wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf trägt eine sehr konsequente Haltung zur Neu- und Umgestaltung der Stadt- und Grünräume vor. Im Ergebnis wird ein fein ausdifferenziertes System von eigenständigen Platzräumen im Geflecht der Straßen und Gassen angeboten. Besonders positiv wird hierbei die jeweils dem speziellen Ort angepasste Ausgestaltung und Pflanzenwahl beurteilt. Dies führt zu einer hohen Identifikation und Diversität im Quartier. Mit den sogenannten Ankommensplätzen beidseits des Gleissteges wird in hervorragender Weise die Einbindung in den jeweiligen Stadtraum gelöst. Die Verbindung zwischen bestehender und neuer Stadtstruktur kann gelingen. Für die Thierschstraße bedeutet diese zudem eine wohltuende Differenzierung in der Oberflächengestaltung.

Der Bahnhofplatz als sogenannter „Wolkenplatz“ bildet richtigerweise in der Gewichtung das zentrale Herz der Platzabfolgen. Mit dem lockeren Blütenhain entsteht eine sehr attraktive Ankunfts- und Abreisesituation für die Besucher. Über den Nebelbrunnen erfolgt zwar eine gewisse Verbindung zum ehemaligen Bestandsgebäude Alter Bahnhof, dies könnte jedoch im Hinblick der angestrebten Funktion als „Zukunftsbahnhof“ im Sinne einer städtebaulichen Verflechtung wesentlich deutlicher ausfallen. Der geforderte Witterungsschutz für den Bushaltebereich fehlt.

Der Platz zwischen ehemaligem Hauptpostamt und altem Bahnhof wird mittels der gewählten Begrünung sehr gut als Einheit zusammengeführt. Auch das Umfeld der Inselbrauerei wird mit dem Hopfengarten adäquat gelöst.

Der sogenannte „Platz der Schönheit“ wirkt in der Terminologie manieriert und in der dargebotenen Ausgestaltung etwas überzogen.

Insgesamt wird der Umgang mit der Vegetation in Form des dargestellten differenzierten Konzeptes begrüßt. Auch die Aussagen zu klimagerechter Gestaltung und Schwammstadt werden über das gewählte Prinzip des „Stockholmer Modells“ sehr gut in den Stadtraum integriert. Die Platzflächen und Straßenräume bleiben hierdurch weiterhin sehr gut nutzbar.

Mit der Gleiswiese wird eine äußerst angemessene Antwort auf den südlichen Abschluss in Richtung See vorgetragen. Wenige und richtig situierte Bahnrelikte z.B. beim Erhalt des Eilgutgleises erlauben die ausreichende Reminiszenz an die vormalige Nutzung. Die geschickte Verdrehung der Wiesenfläche führt zu interessanten Raumzuschnitten der Seepromenaden. Die Wiese wird maßvoll mit schattenspendenden Bäumen überstellt, so dass die angestrebte multifunktionale Nutzung ermöglicht wird und zugleich ein starker Sichtbezug zum See erhalten bleibt.

Für die Bodenmaterialien wird Granit angeboten, dies wird im Zusammenhang mit den Bestandsflächen in der Lindauer Altstadt begrüßt. Lediglich die Rinnen in Rorschacher Sandstein erscheinen in ihrer Dauerhaftigkeit nicht optimal.

Das Beleuchtungskonzept wird sehr differenziert ausgearbeitet und unterstützt auf gelungene Weise das Entwurfskonzept.

Mit dem neuen Gleissteg wird ein eigenständiges städtisches Element eingeführt. Dies kann in der dargestellten Präzision insbesondere auch im Zusammenhang mit der Stadtsilhouette äußerst überzeugen. Die Stützen wirken jedoch in der dargestellten Dimension wesentlich zu filigran. Ebenso werden durch den Oberflächenbelag und dessen Unterkonstruktion in Holz hohe Aufwendungen in Wartung, Prüfung und Unterhalt gesehen. Aussagen zur Entwässerung fehlen und lassen auch hier einen erhöhten Aufwand erkennen. Der Berührungsschutz für die Oberleitungen ist grundsätzlich noch zu klären.

Insgesamt stellt die Arbeit einen äußerst wertvollen Beitrag zur gestellten Aufgabe dar, der insbesondere durch die differenzierte Gestaltung und Präzision der gewählten Gestaltungsmittel überzeugen kann.
Visualisierung Gleissteg

Visualisierung Gleissteg

Visualisierung Thierschstraße

Visualisierung Thierschstraße

Visualisierung Wolkenplatz

Visualisierung Wolkenplatz

Lageplan 1:200 Wolkenplatz

Lageplan 1:200 Wolkenplatz

Lageplan 1:200 Mangplatz

Lageplan 1:200 Mangplatz

Lageplan 1:200 Rast + Rad

Lageplan 1:200 Rast + Rad

Lageplan 1:200 Gleiswiese

Lageplan 1:200 Gleiswiese