modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 09/2009

Museumsquartier Luthersterbehaus

Ankauf

Marina Stankovic Architekten BDA

Architektur

Erläuterungstext

Architektonische Konzeption für das Luthersterbehaus Museumsquartier
Die architektonische Aufgabe erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Kontext und Grundstückszuschnitt, um den Erweiterungsbau städtebaulich zu positionieren, ein Zusammenspiel zwischen dem historischen Denkmal und der architektonischen Sprache des Neubaus zu erzeugen, sowie auch ein stringentes kuratorisches Konzept zu verfolgen, um eine schlüssige Konzeption für das neue „Museumsquartier Luthersterbehaus“ und dessen Integration in der Inszenierung des Lutherwegs zu erarbeiten.

Der künstlich aufgebaute Kultort des Sterbehauses wirf die Frage der Authentizität des Ortes auf, die sich nur in der Authentizität des Topos mit langer Tradition des Gedenkens an dieser Stelle bestätigen lässt. Daher setzt sich der neue Erweiterungsbau von den vorhandenen Gebäudestrukturen ab und verwischt nicht die historische Interpretationen des Ortes, sondern bietet mit seinem ausdrücklich kontemporären Ausdruck einen aufrichtigen Aufklärungsort des Luther-Kultes. Das UNESCO-Welterbe sollte weiterhin erhalten bleiben, mit der Komplexität der Inhalte Memoria Lutheré zeigen und durch den Neubau gestärkt werden. Darüber hinaus erwächst dem Sterbehaus Museumsquartier die Aufgabe, das Thema der Spiritualität in Bezug auf Leben und Tod anzusprechen und erlebbar zu machen.

Das neu etablierte Museumsquartier besteht aus drei Sequenzen: das historische Sterbehaus, der Neubau und der Vikariatsgarten. Architektur und kuratorisches Konzept werden im Einklang entwickelt.


I. Das Sterbehaus
In der Abfolge der räumlichen und inhaltlichen Inszenierung wird die Zugänglichkeit über den Andreaskirchplatz bestätigt. Der zuerst für authentisch wahrgenommene Sterbehaus muss erhalten bleiben und das Potential als Exponat für die kuratorische Stenographie ausgeschöpft werden.

Die unantastbaren Bereiche des Sterbehauses bleiben erhalten und unverändert. Künftige sorgsame Rekonstruktionen nehmen die Schicht der 80-ger Jahre ab und stellen den Zustand vor 1980 wieder her.

Die barrierefreie Begehbarkeit des denkmalgeschützten Sterbehauses ist ohne massive Eingriffe in die bauliche Substanz und ohne Beteiligung des Denkmalamtes nicht möglich. Der Neubau bietet die Möglichkeit der Aufklärung über das Thema Authenzitität und mit eine mediale Rekonstruktion des Sterberaumes auch für Rollstuhlbenutzer.

Die Diele des Sterbehauses dient als Empfangsbereich für die Besucher der Anlage. Dort befindet sich der Ticketbereich, eine Garderobe sowie ein Arbeitsraum. Erst im Seitenflügel fängt die Ausstellung an und beschäftigt sich zuerst mit theologischen Aspekten.

Der Rundgang durch das Museumsquartier erfolgt durch das Sterbehaus, über den atmosphärisch reichen Hof des Erweiterungsbaus, dann in den Garten. Der Hof ist integraler Teil der Erfahrung des Museumsquartiers und dient als Vermittler zwischen historischer Substanz und Neubau, zwischen Innen und Außen.

Das kleine Nebengebäude wird erhalten und einer neuen Nutzung zugeführt. Dort werden die pädagogischen Räume für Kinder auf zwei Ebenen mit direktem Zugang zum Hof untergebracht. Der Hof wird weiterhin mit Kindern belebt und die Besucher werden beim Austreten aus dem Sterbehaus durch die Kinder wieder an das Leben herangeführt.

Die altehrwürdige Eiche im Hof erhält eine schlichte Rundbank, der historische Natursteinpflasterbelag bleibt erhalten.


II. Der Ausstellungsneubau
Das Schulgebäude wird abgerissen, um Platz für den Neubau in direkter Anbindung zum Hof und Sterbehaus zu ermöglichen.

Der Neubau setzt sich von den historischen Gebäuden ab. Er ist Zeuge als zeitgenössische Addition und in der architektonischen Sprache autonom.

Die modularisierten Gebäudekomponenten fügen sich um eine kompositorische Figur zusammen, die sich zwischen Brandwand und Garten erstreckt, um den programmatischen Erfordernissen zu entsprechen.

Die Komponenten der gesamten Baukomposition versuchen sich der Umgebung in Proportion und versucht in ihrer Maßstäblichkeit zu entsprechen und vermittelnd anzupassen.

Im südlichen Teil befindet sich der Veranstaltungspavillon, der am westlichen Ende des Gartens einen Gegenpol zur Vikariatsruine anbietet. Somit erstreckt sich der Garten zwischen zwei Baumassen, die in ihrer Positionierung den Garten fassen. Dort findet auch ein Richtungswechsel ins Garten für den Besucher statt.

Der Neubau beherbergt die Ausstellungseinheiten: Dauerausstellung im EG mit Einbeziehung des Außenraums über gezielte Blicke Richtung Sterbehaus, Sonderausstellungsfläche in OG mit einer direkten Beziehung nach Außen über mögliche Terrasse sowie Blickbeziehungen über die Fassadenöffnungen. Vom 3.OG erhält der Besucher ein Überblick über die Anlage des Museumsquartiers und die Silhouette und Kirchtürme der Stadt Eisleben. Das geförderte Programm der Dauerausstellung wird zum Teil im Seitenflügel EG des Sterbehauses untergebracht.

Die Ausstellungsflächen werden mit der größtmöglichen Neutralität gestaltet, um maximale Gestaltungsfreiheit für die Verwirklichung unterschiedlicher kuratorischer Konzepte und Exponate, besonders der Sonderausstellungen, zu ermöglichen.

An zentraler Stelle in der Dauerausstellung befindet sich die mediale Rekonstruktion des Sterbezimmers, von wo aus sich sternförmig die unterschiedlichen Bereiche der Dauerausstellung anschließen und somit eine leichte Orientierung ermöglichen.

Die Ausstellungsräume erhalten eine natürliche Leitung des Publikumsverkehrs durch dezente Akzente zenitalen Lichts.

Im 3. OG befindet sich das Auditorium. Mit Blick auf die Umgebung bietet es einen Höhepunkt.

Durch die Wahl der Materialien haben wir über eine Kommunikation der Gegensätze die atmosphärische Anbindung gesucht. Während der farblichen Umgebung entsprochen wird, wird die Kleinteiligkeit der Backsteingemäuer der bestehenden Brandwände aufgenommen. Der Neubau mit seinem lokaler Sandstein vermittelt durch sein Fugenbild zwischen der Brandwandstruktur und der Gliederung des Fachwerkhauses.

Der Behinderten-Zugang für den Neubau und den Garten erfolgt über das Tor zum Hof über die Vikariatsgasse.


III. Der Garten
Als letzte räumliche Station lädt der paradiesische Garten zum Verweilen und der Reflexion ein.

Der Vikariatsgarten nimmt in der Dreigliederung des Sterbehausquartiers in
den Wahrnehmungsmodi (Inszenierung - Aufklärung – Kontemplation) die Rolle eines kontemplativen, großzügig-zusammenhängenden und nach außen verschlossenen Gartens (hortus conclusus) ein, der als Obstgarten mit einer einheitlichen Wiesen- oder Rasenfläche zum ruhigen Verweilen, zur unbeschwerten Reflexion und zum (Lust-)wandeln einlädt.

Mobile Stühle ermöglichen die freie Sitzwahl im Gartenraum; der Verzicht auf vorgegebene Wege, der aufgrund des beschränkten Nutzungsdruckes möglich scheint, erlaubt die größtmögliche Freiheit beim Wandeln auf der Wiese. Kurzgemähte Rasenwege (ggf. gesplittet) ermöglichen eine zurückgenommene Erschließung in der einheitlichen Materialität der Gartenfläche. Ergänzend sind
sensible künstlerische Akzentuierungen denkbar.

Ein flaches, rundes Wasserbecken wird zum „Himmelsspiegel“.

Die Ruine des Vikariates (Mauerreste und Fundamente mit den Grabungen) bleiben sichtbar im Wiesenraum erhalten.

Die vorhandenen Mauern des Vikariatsgartens und die freigestellte Stadtmauer bilden die Grenze des Gartens zur Stadt. Der Garten selbst bleibt weiterhin einsehbar, das Tor des vorhandenen Portals bleibt aber geschlossen. Zur Steinstraße schließt ein hinter Hecken verborgener, unsichtbarer Zaun das Quartier. Ein Drehkreuz ermöglicht den Ausgang durch den Garten. Die öffentliche Durchwegung wird damit aufgehoben. Die Tore in den Mauern zur Vikariatsgasse bleiben erhalten, aber ebenfalls verschlossen.

Eine Terrasse mit Tennenbelag (wassergebundene Wegedecke) bildet die Vorzone für den neuen Ausstellungsraum und den Übergang vom Hof zum Garten und vermittelt so zwischen hartem Natursteinpflaster und weichem Wiesenraum.

Die Mitarbeiter-PKW-Plätze sowie der behindertengerechte Stellplatz werden im Strassenland nachgewiesen und abgetrennt, um das Quartier von störendem Autoverkehr freizuhalten.

Der Rundgang durch das Museumsquartier endet im Garten und der Austritt erfolgt hinter dem Pavillionsbau am Platz, dort können Gruppen wahlweise den Lutherweg wieder aufnehmen oder von Bussen abgeholt werden.


IV. Energetisches Konzept / Wirtschaftlichkeit
Die energetische-und betriebswirtschaftliche Konzeption orientiert sich in Richtung eines Passivhauses, d.h. die großflächigen, aber nicht zahlreichen Öffnungen verhindern Wärmeverluste derart,, daß auf eine konventionelle Heizungsanlage mit statischen Heizflächen verzichtet werden kann. Voraussetzung hierfür ist eine luftdichte, hochwertig wärmegedämmte Gebäudehülle und eine Reduzierung der Lüftungswärmeverluste durch den Einsatz einer maschinellen Lüftung in Kombination mit einer effizienten Wärmerückgewinnung.
Die Deckung des restlichen Energiebedarfs ist durch den Einsatz regenerativer Energieträger vorgesehen.

Dieser energetische Konzept gewährleistet die Wirtschflichkeit im Betrieb und bietet somit eine nachhaltige Lösung.