DEUBAU Preis 2012

REINHARDTJUNG_FAMILY MATTERS: 4 IN 1
Vom Einfamilienhauses zum Vier-Generationen-Haus im Goldenen Grund


Das Haus Jones ist ein dynamischer Raum, in dem Architektur als ein offener Prozess verstanden wird. Der Entwurf setzt auf das Miteinander-Leben der vier Generationen einer Grossfamilie, auf den kommunikativen Raum und Begegnungsraum der Familienmitglieder. Das Wesensmerkmal des Anbaus bildet diesen Raum in Ergänzung des Bestandshauses durch eine mehrfach gefaltete Ebene, die mittels gegeneinander stehenden Flächen Innen- und Außenräume bildet. Durch diese Strategie der Überformung bleibt die klassische 60er Jahre Typologie bestehen, jedoch wird durch den Umbau das vormals „Serielle“ transformiert und zum Unikat. Das Haus Jones wurde für 4 Generationen und vier Jahreszeiten entwickelt. Die Hauptakteure setzen sich zusammen aus der Bauherrin mit Ehemann und Söhnen, ihrer Mutter und Großmutter.

Die gefaltete Ebene ist ebenso raumbildendes wie statisches Element des Entwurfs. Durch die mehrfache Schichtung in der Faltung entstehen diskrete Räume, Nischen, Taschen. Die Linie wird zur Fläche, zum Volumen. Das Prinzip der Faltung wird hier nicht als geometrische Übung benutzt, sondern im Sinne Deleuzes als Gleichzeitigkeit und Ineinandergreifen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dieses Ineinandergreifen ist das Konzept für Raumabfolgen, Funktionen, Materialitäten von Vorhandenem und Angedachtem. Und initiiert ein fortwährendes Gespräch der Bewohner miteinander.
Durch die Strategie der gefalteten Ebene im Bestand werden neue Raumtypologien initiiert: Räume, die um einen zentralen Service-Kern rotieren. Räume, die von der Faltung ausgehen oder darin eingeschrieben sind. Nischen, die sich aus der verdickten Struktur ergeben. Und negative Räume, die von weniger als 6 Flächen bezeichnet werden.

Die gefaltete Ebene rotiert um einen Kern, in dem sich Badezimmer, Dusche und vorgelagert die Serviceeinheit für Küche befinden. Dies ist der Punkt, wo unerwartet Volumen auftreten: eine 4.20m hohe Dusche. Eine Untergrundnische dient als Server-Raum. Eine verdickte Nische als Spielkonsole mit elektronischen Plug-ins. Ein gepolsterter Erkersitz mit 10 Stunden Sonneneinfall und Bergblick. Alle diese Räume sind ein komplexes, integriertes sich Ineinanderfügen von unterschiedlichen, gefundenen, alten und neuen Schichten, die eine Spannung freisetzen von Material und Oberflächen.

Ein Echo des alten Wohnzimmers klingt nach in einer ornamentierten Tapete. Ein Materialzitat bilden auch die Eisenbahnschwellen, die im Treppenlauf außen verlegt sind und eine Referenz zur am Gelände entlang geführten Bahnlinie anzeigen. Eine weitergeführte Arbeit im selben Material sind die Handläufe und Lichtschienen aus Rundstahl, die an die vom Großvater gefertigten Handläufe im Treppenhaus anschließen. Die Tafelkreidewand in der Küche dient als Gedächtnisstütze und Notizzettel für Mutter und den kleinen Sohn, der hier seine Kringel anbringt – ohne Schimpfe. Im Treppenhaus sind Spuren der alten Tapeten sichtbar gelassen. Ebenso wie die Spuren der Holzschalung, die einen Abdruck in den Betonwänden hinterlassen haben – ein weiteres Ornament. Die Fuge zwischen Alt und Neu ist mit einer belichteten Glasschwelle deutlich akzentuiert.

Sichtbezüge sind der Schwerpunkt des Hauses Jones, weil sie eine entscheidende Rolle in den fließenden Übergängen der Raumsequenzen darstellen. An jeder Stelle sind mehr als zwei Raumfelder, oft auch noch ein Außen- und ein Innenraum, miteinander verbunden, so dass die Grenzen verschwinden. Im Arbeitszimmer öffnet sich der Blick in einen Zen-Lichthof, ausgelegt mit Basaltsplitt. Die Gabionenwand bilden 60 Tonnen Basalt in Drahtgitterkörben, die von den Bauherren Stein für Stein per Hand verlegt wurden. Zusätzlich wird das Arbeitszimmer über ein innenliegendes Oberlicht zum Kaminzimmer mit Tageslicht bespielt. Auch Kaminzimmer und Esszimmer sind visuell miteinander verknüpft. Und in der Dusche ziehen zwei Dachfenster das Auge in den Himmel. Die Fassadenelemente des Kamizimmers können vollständig geöffnet werden, mit Ausheben des Eckpfostens, so dass man im Kaminzimmer und gleichzeitig im Garten sitzt.

Das Haus Jones schafft auf der vorgegebenen Struktur des Altbaus neue Wohnstrukturen und unterstützt das Netz der (Groß-)Familie, es ermöglicht ein Miteinander und gewährt dennoch Rückzugsmöglichkeiten und Schlupfwinkel.