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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2011

Mut zur Lücke 2010.2011, Halberstadt

1. Preis

werk+ architektur

Architektur

Erläuterungstext

Für die Bebauung werden vier Stadthäuser vorgeschlagen. Sie nehmen die Bauflucht auf, aber öffnen diese. Diese bewusst gewählte Inszenierung dient einer Neuinterpretation der vorhandenen Struktur. Die Lücken werden besetzt, aber wollen mit Respekt Abstand wahren. Mauern und Hof(Neben)gebäude dienen als geschichtlicher Fussabdruck, als Erinnerung an die LÜCKEN. Die neu entstehenden Lücken werden als Lufträume genutzt. Sie versorgen die Stadthäuser mit Sonne und Licht aus der Südseite. Auch dienen diese Zwischenräume der Erschließung, aber sie bieten vor allem Platz zur Begegnung und zum Aufenthalt als Hofräume. Sie verbinden Privatzone mit gemeinschaftlichen öffentlichen Räumen, vorallem mit dem angedachten zentralen HofGARTEN.
Die einfachen Volumen und Materialien der Stadthäuser mit wenigen präzisen Öffnungen und das große Schiebetor mit Zugang zum HOF und Garten reflektieren den vorgefundenen Ort.
Es wurde ein GRUNDmodul mit einfacher schmaler Kubatur entwickelt. Dieses wird durch Substraktion generiert und somit individualisiert. ZUSATZmodule wurden entwickelt, die sich entweder an das GRUNDmodul anlehnen oder separiert stehen können. Somit können sich individuelle Wohnlösungen mit einer hohen Variantenvielfalt entwickeln.
Die unterschiedlich geneigten Dachflächen nehmen das vorgefundene Höhenspiel auf. Die architektonische Gleichbehandlung von Fassade und Dach hinsichtlich der Materialität starkt das Volumen und die Klarheit in der Form. Fein ausgebildet Vor- und Rücksprünge erinnern an die Differenziertheit der umliegenden Bebauung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf beweist im Wortsinn „Mut zur Lücke“: keine streng geschlossene Straßenfront sondern das Nebeneinander von vier Hausindividuen „mit Abstand“ verblüfft und überzeugt zugleich.
Die zwei- bis dreigeschossigen Stadthäuser staffeln sich geschickt zwischen der niedrigen nördlichen Bebauung und dem hohen Fachwerkhaus im Süden.
Die Lücken zwischen den Wohnhäusern fungieren im Erdgeschoss als verschließbarer Zugang (Schiebetore) und ermöglichen die Belichtung der Wohnungen nach drei Himmelsrichtungen.
Mit Terrassen, Dacheinschnitten und Auskragungen werden die schlanken, prismatisch geschnittenen Gebäude skulptural geformt. Die Proportionen und Platzierungen der Fensteröffnungen sind spannend gelungen.
Wohnflächen von ca. 120 bis 170 qm unterstreichen den Anspruch auf hochwertiges, individuelles Familienwohnen in der Altstadt.
Die Gebäudekonstruktion als Holzrahmenbau knüpft bewusst an regionale Bauweisen an -durch zeitgemäße Konstruktion, Montage und flächige Tafel-Bekleidung modern interpretiert.
Der hohe Vorfertigungsgrad ermöglicht kostenbewusstes und wirtschaftliches Bauen mit kurzer Errichtungszeit.
Die Gebäude können zudem schrittweise errichtet werden – das erste Haus als anschaubare Werbung für nächste Bauinteressenten.
Aus den gegen Einblicke geschützten Lücken mit Freisitzen vor den Häusern entfaltet sich nach Nordosten ein verbindender gemeinsamer Grünbereich.
Von den vier Wohnungen erhalten zwei einen gedeckten PKW- Stellplatz, der in einem Fall jedoch sehr beengt ausfällt.
Die bei Einzelbauten relativ große Außenwandfläche kann mit entsprechend qualitativer
Wärmedämmung energetisch kompensiert werden, wobei der angemessene Fensteranteil (keine Nordfenster) bereits einen Beitrag zur Energiebilanz leistet.
Aus Sicht der Denkmalpflege wird der Verzicht auf die Wiederherstellung einer geschlossenen Straßenrandbebauung vermerkt. Das perspektivische Erleben der in die Grundstückstiefe gestreckten Einzelgebäude wird aber für eine geschlossene Gesamtwirkung des Ensembles mit temporären Durchblicken sorgen.
Die Wahrung der Geschossaufteilung und die Höhenstaffelung werden von der Denkmalpflege positiv bewertet. Dacheinschnitte und Materialität der Dachhaut weichen vom tradierten Erscheinungsbild der Nachbarhäuser ab. Die Bekleidung der Holzrahmenkonstruktion mit Holzwerkstoffplatten kann als freie Wiederkehr des Fachwerkes gesehen werden.
Insgesamt ein sehr überzeugender Entwurf, der das Potential für zeitgemäßes urbanes Wohnen besitzt und sich architektonisch selbstbewusst und mit Respekt vor der Historie in das Stadtgefüge integriert.