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Award / Auszeichnung | 01/2013

Teamwork Bau - Erfolgreiche Kooperation in Architektur & Handwerk

Kirchenportal der evangelischen Kirche

DE-69190 Walldorf

2. Preis

netzwerkarchitekten GmbH

Architektur

Schmiede Wolf

sonstige Fachplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Sakralbauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2012

Projektbeschreibung

Aufgabe:
Die Evangelische Kirche in Walldorf wurde Mitte des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil aus Sandstein erbaut.
Ihr Kirchturm ist dem Turm des Freiburger Münsters nachempfunden, mit 58 Metern der höchste Kirchturm in der Umgebung und prägt das Stadtbild Walldorfs in besonderer Weise.
Die Kirche wurde in den Jahren 2007 bis 2009 umfänglich saniert – insbesondere auch der Kirchturm. Zum Abschluss der Sanierungsmaßnahmen stand der Austausch der Türanlagen an:
Die originalen seitlichen Türanlagen der Kirche, wie auch das ursprüngliche zweiflügelige offene Gittertor im Torbogen am zentralen Turmfuß (Anm.: die raumabschließende Tür lag ursprünglich in der kirchenschiffseitigen Wand des Turmes) waren bereits in den 1960er Jahren gegen zeitgenössische Türanlagen ausgetauscht worden. Diese waren inzwischen verschlissen, vor allem aber entsprachen sie gestalterisch nicht dem Anspruch der denkmalgerecht sanierten Kirche.
Vor diesem Hintergrund trat die Evangelische Gemeinde Walldorf auf entsprechende Empfehlung der Badischen Landeskirche gegen Ende 2008 an das Büro netzwerkarchitekten heran und beauftragte den Entwurf neuer Türanlagen für die westliche Turmfassade. Insbesondere sollte das zentrale Eingangsportal am Fuße des Kirchturms als künstlerisch gestaltete Türanlage erneuert werden. Hierbei wurde der Wunsch geäußert, dass infolge des Austauschs des Portals möglichst viel Tageslicht in den Kirchenraum dringen sollte.

Konzept:
Zunächst galt es, in der Walldorfer Kirche selbst einen inhaltlichen Ausgangspunkt für eine künstlerische Konzeption der Portalanlage zu finden. Die Kirche wurde wenige Jahrzehnte nach der Vereinigungssynode der Landeskirche in Karlsruhe von 1821 erbaut, in deren Folge auch in Walldorf die lutherische und die (calvinistisch) reformierte Gemeinde in der neu gegründeten evangelisch-protestantischen Kirchengemeinde aufgingen.
Mit Fertigstellung der neuen Kirche 1861 hatte die Vereinigung der beiden protestantischen Gemeinden nun ein neues gemeinsames Gotteshaus. Im Chorraum der Kirche erinnern zwei Glasfenster mit den Porträts von Martin Luther und Johannes Calvin an die beiden reformatorischen Stammväter. Von diesen beiden Darstellungen abgesehen, finden sich in der Kirche kaum bildliche Darstellungen.
Insofern lag es nahe, angesichts der spezifischen Tradition und Geschichte der Gemeinde und ihres Kirchengebäudes nicht das Bild, sondern das Wort als Ausgangspunkt der künstlerischen Gestaltung des Portals zu wählen.
Der Wunsch nach Tageslicht im Kirchenraum in Verbindung mit dem Versuch einer Reminiszenz an die historische Situation eines zur Straße offenen, vergitterten Vorraums waren weitere Ausgangspunkte der Konzeption des neuen Portals.

Lösung:
Das Portal ist als gläserne zweiflügelige Türanlage mit ebenfalls gläsernem Oberlicht ausgebildet.
Die Konstruktion von Rahmen und Flügeln besteht aus schlanken Edelstahlprofilen, die die Isolierglasscheiben einfassen. In den Scheibenzwischenräumen der beiden Türflügel sind ‚Schriftgitter‘ eingebunden.
Hierbei handelt es sich um Textpassagen, die für die beiden vereinten konfessionellen Richtungen stehen, indem es sich um Zitate zweier grundlegender Bekenntnisschriften der lutherisch-calvinistischen Tradition handelt:
Der Text des linken Türflügels ist der erste Glaubensartikel aus M. Luthers ‚Kleinem Katechismus‘ aus dem Jahr 1529:
"Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was Not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn’ all mein Verdienst und Würdigkeit: für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin."
Der Text des rechten Türflügels ist die Eröffnungsfrage des ‚Heidelberger Katechismus‘ von Caspar Olevian und Zacharias Ursinus (beides Theologen der reformierten Konfession) aus dem Jahr 1563:
"Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele, beides, im Leben und im Sterben, nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin, der mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkömmlich bezahlet und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöset hat und also bewahret, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja auch mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens versichert und ihm forthin zu leben von Herzen willig und bereit macht."

Auf der Suche nach einem Partner für die Ausführung, wie auch für die der Ausführung voranstehende konzeptionsgerechte und auch handwerksgerechte Durchplanung des Entwurfes, wurden wir auf Schorsch Wolf aufmerksam:
Herr Wolf ist Schlosser, jedoch vornehmlich zunächst auf dem Feld handwerklich anspruchsvoller bzw. kunsthandwerklicher Aufgaben, vor allem aber auch auf dem Feld eigener künstlerischer Projekte tätig.
Mit Blick auf die konkrete Aufgabenstellung hatte Herr Wolf bereits einige Referenzen – v.a. auch handwerklich wie gestalterisch sehr anspruchsvolle Türanlagen, die auf seinen eigenen Entwürfen basierten.
Schon im Zuge der Angebotserstellung hat sich Herr Wolf mit der Konstruktion planerisch so weit auseinandersetzt, dass trotz nicht abgeschlossener architektonischer Werkplanung ein verbindliches Angebot für die weitere planerische Begleitung und Herstellung der Sonderlösung erstellt werden konnte. Zugleich wurde deutlich, dass von Seiten des Schlossers von der durch die Architekten vorgeschlagenen konstruktiven Lösung teilweise abgewichen würde, um in der Umsetzung der Idee auf sichere und der Erfahrung des Schlossers nach bewährte Lösungen zurückgreifen zu können.
In einem intensiven dialogischen Prozess zwischen Schlosser und Architekten wurde gemeinsam die schließlich realisierte Lösung für die Portalanlage der Walldorfer Kirche erarbeitet. Hierbei wurden konstruktiv wie gestalterisch im Wesentlichen zwei Stränge verfolgt.
Erstens: Die Konstruktion der Türanlage selbst. Die gegebene Einbausituation in Verbindung mit dem gestalterischen Wunsch, eine gläserne Türanlage unter Verwendung von Isolierglasscheiben bei einer möglichst filigranen Rahmenkonstruktion zu realisieren, erforderte eine Sonderlösung, d.h. es konnte nicht auf ein industrielles tragendes Profilsystem zurückgegriffen werden. Der Anspruch maximaler Schlankheit erforderte eine Konstruktion, bei der die Glasscheiben der Türflügel selbst tragen müssen, also nicht nur Füllung sind, sondern auch statische Funktion haben - die seitlichen und oberen Rahmenprofile der Türflügel haben in erster Linie die Funktion eines Kantenschutzes. Der tragende Verbund aus Scheiben und Flügelrahmen entsteht im Wesentlichen durch Ausbildung eines Basisprofils am Flügelfuß, in welchem die Scheibe des Flügels durch entsprechende Klemmschrauben kraftschlüssig mit der Flügelkonstruktion verbunden wird. In ähnlicher Weise verbinden auch die Bänder die Glasscheiben mit den Flügelrahmen.
Insofern ist nicht nur die Rahmenkonstruktion, es sind auch die Beschläge der Türanlage (kugelgelagerte Bänder, Drücker, Riegel, Stopper etc.) maßgeblich durch den Schlosser als individuelle Sonderanfertigungen entwickelt worden.
Zweitens: Die Planung und Herstellung des Schriftgitters. Dieses wurde durch CNC-Fräsung aus einem massiven, ca. 10 mm starken Aluminiumblech herausgearbeitet, das abschließend kugelgestrahlt wurde, und in gereinigter Form durch den Schlosser zum Werk des Scheibenherstellers Okalux gebracht wurde, damit es dort in der Herstellung der Scheibe eingebunden werden konnte.
Bei der Entwicklung des Gitters galt es zunächst, den Text, d.h. die einzelnen Worte und Buchstaben so zu setzen, dass das gegebene Scheibenformat unter Berücksichtigung der Aussparungen für Beschläge etc. gleichmäßig gefüllt ist und die Lesbarkeit gewährleistet ist. Damit ein Gitter entsteht, wurden die Zeilen ohne Abstand, aber der Lesbarkeit halber auch ohne Überschneidung übereinander gesetzt. Insbesondere musste gewährleistet werden, dass das Gitter in sich stabil ist. Dies erforderte zunächst die Auswahl eines geeigneten Schrifttyps (mit Serifen), damit zwischen den Zeilen genügend ‚Kontaktflächen‘ entstehen. Ferner musste die Position der einzelnen Worte und Buchstaben solange optimiert werden, bis in der Schriftstruktur keine losen ‚Inseln‘ mehr bestanden (nämlich Ausschnitte der Struktur, deren Buchstaben zwar in sich verbunden, jedoch nicht mit den umliegenden Teilen der Textstruktur verbunden sind). Auch lange ‚Arme‘ von miteinander verbundenen Buchstaben, die nur punktuell mit den umliegenden Teilen der Textstruktur verbunden sind, mussten vermieden werden, da sonst eine Verformung der Struktur infolge von Erschütterung etc. zu erwarten war.
Schließlich musste die CAD-Datei des Gitters so bearbeitet werden, dass diese für den Prozess der Fräsung optimiert ist. Da eine CNC-Fräse keine Spline-Linien einlesen kann und in scharfen Ecken sichtbare Aufweitungen produziert, mussten zunächst alle Buchstaben aus Kombinationen von Geraden und Kreisbögenausschnitten nachgezeichnet werden, und schließlich alle scharfen Ecken in den Anschlüssen der Buchstaben zwischen den Zeilen ausgerundet werden.
Die CAD-Datei, die als Grundlage der CNC-Fräsung diente, wurde wechselseitig von Architekten und Schlosser bearbeitet, damit hier Aspekte der Grafik und des Satzes mit solchen der technischen Optimierung zusammenflossen.
Insofern stellte der Prozess der Lösungsfindung der Konstruktion (sowohl der Türkonstruktion als auch der Konstruktion des Schriftgitters) - von der entwurflichen Idee bis zur fertigen Tür einen integralen künstlerischen und kunsthandwerklichen Prozess dar, in dem der architektonische Entwurf und die handwerkliche Umsetzung in einem dialogischen Prozess von Planung und Handwerk zum Ergebnis führten.
Die Portalanlage wurde schließlich im Frühjahr 2010 fertig gestellt und eingebaut.

Beurteilung durch das Preisgericht

Bei diesem Projekt steckt „der Teufel im Detail“ – Architekt und Handwerker erarbeiteten für die Gestaltung des Kirchenportals gemeinsam eine optimale Sonderlösung; hierbei ist hervorzuheben, dass beide Teampartner bereits in der Konzeptphase im Wechsel und aufeinander aufbauend den Entwurf bearbeiteten. Der Entwurf des Architekten wurde durch den Handwerker auf Umsetzbarkeit geprüft und im Sinne des Gestalters optimiert. Dabei entstand eine Sonderkonstruktion, die den Mut und das Engagement des Handwerkers erforderte auch diese Konstruktion hinsichtlich Funktion und Gewährleistung zu verantworten. Im Gegenzug erwirkte der Architekt bei den Bauherren das Verständnis, dass es eine zufriedenstellende Lösung nur bei einem gut zusammenarbeitenden Team geben kann und die Kostenoptimierung dabei nicht an erster Stelle stehen sollte.
Ansicht, Schnitte

Ansicht, Schnitte

Tür Mitte Details

Tür Mitte Details

Satzzeichen

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