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Award / Auszeichnung | 05/2014

Hugo-Häring-Auszeichnung 2014 BDA Kreisgruppe Stuttgart/Mittlerer Neckar

Stadtbibliothek Stuttgart

DE-70173 Stuttgart, Mailänderplatz1

Auszeichnung

Prof. Eun Young Yi / yi architects

Architektur

Rentschler und Riedesser Ingenieurgesellschaft mbH

TGA-Fachplanung

Boll Partner für Tragwerke

Bauingenieurwesen

Gänßle + Hehr Landschaftsarchitekten PartGmbB

Landschaftsarchitektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Bibliotheken, Mediatheken

  • Projektgröße:

    20.225m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2008
    Fertigstellung: 01/2011

Projektbeschreibung

Das Konzept

Als Standort des Neubaus wurde die zentrale, leicht geneigte Lage inmitten des städtebaulichen Planungsgebiets Europaviertel gewählt. Dieses Gebiet erstreckt sich im Talkessel der Stadt zwischen dem südlich gelegenen Hauptbahnhof und der nördlich angrenzenden Heilbronner Straße. Die Stadtbibliothek liegt am Mailänder Platz und stellt durch Gestaltung und Größe die Mitte des entstehenden Stadtviertels dar. Der in der geometrischen Form eines Würfels geplante Baukörper mit einer Kantenlänge von fast 45 Metern wirkt nach außen mit dem hellgrauen Sichtbeton und den mattierten Glasbausteinen durch seine körperlich spürbare Präsenz.

Das Gebäude besteht aus Volumen, Hülle und Kern. In der Fuge befinden sich die Erschließungen.

Während der Baukörper mit entschieden klarer, geometrischer Form und fokussiertem Eingang vom „Kenotaph für Newton“ von Étienne Boullée inspiriert wurde, wird mit dem „Herzen“ der Bibliothek der antike Raumtyp Pantheon vor dem Hintergrund unserer veränderten technischen Wirklichkeit neu interpretiert. Es wird gleichsam von einer zweiten Fassade umschlossen und liegt als würfelförmiger Raum in der Mitte des Gebäudes, durch ein zentrales Oberlicht erhellt. Also ein Raum für die innere Einkehr.

Sein „Oculus“ mündet in den darüberliegenden trichterförmigen Lesesaal. Bei dem abgestuften Galeriesaal handelt es sich wiederum um einen jahrtausendealten Raumtyp, der von den Architekten immer wieder aufgegriffen worden ist, wie z.B. im Entwurf Étienne Boullées für die französische Nationalbibliothek von 1785. Jetzt wird er zeitgemäß umgesetzt, allerdings in einer kompakten, quadratischen Form und als fünfgeschossiger Raum, dessen Hülle aus Büchern besteht, so dass man ein Reich aus Büchern einmal richtig erlebt. Die spiralförmig angeordneten, inneren Erschließungstreppen in den Lesegalerieebenen sind als fließende Flanierwege konzipiert. Das Licht flutet durch das Glasdach. Das Glasdach wird zum Raum mit einer Gitterrostabhangdecke abgeschlossen, damit der Raum noch schlichter und purer wahrgenommen wird. Ebenso wird das Glasdach oberhalb komplett mit Sonnenschutzlamellen abgeschlossen, damit der Baukörper ein vollkommener Kubus wird.

Der dritte zentrale Raum befindet sich unterhalb des Herzens. Das ursprünglich zur Mitte hin abgestuft geplante „Forum“ ist wegen der zum Teil im ersten und zweiten Untergeschoss kreuzenden U-Bahn-Trasse und auf Wunsch des Nutzers als höhengleicher, ebener Veranstaltungsraum ausgeführt. So entstand hier ein flach proportionierter, quadratischer Raum, welcher die Thematik „Morphose des quadratischen Raumes“ vervollständigt. Das Gesamtbauvolumen befreit sich vom flachen, quadratischen Raum über den vollkommenen Kubus zu einem sich nach oben hin auflösenden Raum.



Städtebau

Als neues geistiges und kulturelles Zentrum
überragt die Bibliothek als freistehender,
markanter Baukörper mit quadratischem
Grundriss die benachbarte
Bebauung.

Der Kubus der Stadtbibliothek nimmt
60 % des Baugrundstückes ein
In den Untergeschossen ist der Baugrund
fast vollständig bebaut.

Er ist von einer ebenen Fläche aus strapazierfähigem,
dunkelgrünem Rasen umgeben.



Fassade

Die Fassade besteht aus 9 x 9 Glasbausteinfeldern
in hellgrauen Sichtbetonrahmen.

Die Gebäudehülle ist als Doppelfassade
aus einer Glasbausteinebene und einer
inneren Pfosten-Riegel-Fassade als thermische
Gebäudehülle konzipiert.

Der Fassadenzwischenraum ist als Flanierweg
nutzbar und wird nachts blau beleuchtet.



Eingangshalle

Das Bibliotheksgebäude kann von allen
vier Seiten betreten werden.

In der ringförmig angeordneten Eingangshalle
befinden sich die Medienrückgabeautomaten
der Buchsortieranlage, deren
Funktionsablauf durch Glaswände
betrachtet werden kann.

Zudem sind Informationstafeln, Videoinstallationen,
Warte- und Zeitungslesezonen
Vorgesehen.



Herz

Im Kern des Gebäudes liegt als räumliches
und meditatives Zentrum das Herz, ein
archaischer Raumtypus, der wie das
Pantheon auf die Urhöhle als menschliche
Behausung verweist.

Die Herzquelle ist ein in seiner Mitte ebenerdig
eingelassenes 1 m² großes Wasserspiel.

Der würfelförmige Raum wird durch das
zentrale Herzoberlicht (Oculus) erhellt.

Er ist von einer Treppenanlage vom Erdgeschoss
bis zum 3. Obergeschoss umgeben.



Lesesaal

Der oberhalb des Herzens vom 4.–8. Obergeschoss
angeordnete Lesesaal ist eine
Interpretation von Étienne-Louis Boullées
französischer Nationalbibliothek aus dem
18. Jahrhundert.

Die paarweise angeordneten Freitreppen
erzeugen fließende Wege zwischen den
Ebenen.

Die abgetreppten Galerien weiten den
Raum trichterförmig zum Glasdach auf.





Forum

Das Forum ist ein in zwei Hälften teilbarer
Veranstaltungsraum mit ca. 300 Sitzplätzen.

Er ist als dritte Variation des quadratischen
Raumformats flach und scheibenförmig
ausgebildet und vollkommen in ein dunkles
Pastellblau gefärbt.



Medienpräsentation und weitere
öffentliche Bereiche

Unter den freispannenden Streckmetalldecken
der Medienpräsentationsbereiche
können alle Elemente wie Regale, Sitzgruppen
oder Einzelarbeitsplätze störungsfrei
angeordnet werden.

Aufenthalts- und Seminarbereiche wie
Cafeteria im 8. OG, Grafotheken und
Gruppenräume sind nur durch Glaswände
von den umgebenden Bereichen getrennt.

Die Sanitärbereiche sind gleichmäßig
über die Geschosse verteilt angeordnet.

Die zentrale Toilettenanlage im 1. UG
beinhaltet neben achtzehn Damenund
Herren-WCs auch Wickelraum und
Behindertengerechtes WC (weitere im
2. und 5. OG).



Arbeitsbereiche

Die Arbeitsplätze der Verwaltungsbereiche
sind natürlich und blendfrei belichtet.

Breite, schwellenlose Flure und Türen
ermöglichen den sicheren Transport der
Buchwagen.



Glasdach

Das Glasdach besteht aus vier rotationssymmetrisch
ausgerichteten Pultdächern.

Die Unterkonstruktion besteht aus 25 m
langen, sich mittig kreuzenden Stahlträgern
Oberhalb ist ein beweglicher Sonnenschutz
mit Photovoltaikanlage angebracht.



Dachterrasse

Die Dachterrasse als fünfte Fassade vervollständigt
das kubische Erscheinungsbild
des Gebäudes.

Sie wird bei Dunkelheit wie die anderen Fassaden
Blau beleuchtet.

Sie ist über Aufzüge, Treppen und Rampen
direkt an die Flächen des 8. Obergeschosses
angebunden und bietet als Aussichtsplateau
einen Rundumblick auf Stuttgart und Umgebung.



Barrierefreiheit – Sicherheit

Das gesamte Gebäude ist barrierefrei nach
DIN 18024 und entsprechend den Vorschriften
der Gemeindeunfallversicherung
Württemberg (WGUV) erstellt worden.



Schlussbemerkung

Eine neue Architektur versuche ich mit den Stoffen zu definieren, die im kollektiven Streben der Menschheit überliefert wurden - also überlebt haben - und dadurch einen allgemeinen Wert besitzen. Wir sind Anfang des neuen Jahrtausends mit unserer Architektur an einen Punkt gelangt, wo es gilt die Grundtypen der Architektur wieder zu entdecken und in ihren wesentlichen Eigenschaften neu zu interpretieren. Die von mir verfolgte Architektur soll einen Weg darstellen, durch die Interpretation der architektonischen Uraussage in all ihren Facetten und Variationen, welche in den verschiedenen Kulturen und Epochen der menschlichen Zivilisation auftreten, zu einem Verständnis von Architektur zu kommen. Die Aussage wird dadurch unterstrichen, dass alle überflüssigen Elemente nicht verwendet und die bestehenden Elemente auf die Kernaussage reduziert werden.

Was wir schaffen müssen in so einem orientierungslosen Zeitalter, indem wir uns befinden, ist eine Architektur, die ihrem Wesentlichen und ihrer Selbstverständlichkeit treu bleibt. Hier haben wir alle gemeinsam an einem Bauwerk gearbeitet - einem absolut homogenen und ruhigen, monolithischen Bau, der viele geheime Werte unserer Zivilisation birgt. Sie werden soweit neutralisiert bis sie epochenübergreifend einen allgemeinen Wert besitzen und soweit geschliffen, dass nur unser reiner Geist in die Materie projiziert wird.