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Award / Auszeichnung | 01/2015

BDA Hamburg Architektur Preis 2014 / Publikums Architektur Preis 2014

Bahnhof Hamburg-Barmbek

DE-22081 Hamburg

Würdigung

vielmo architekten

Architektur

formTL ingenieure für tragwerk und leichtbau

Tragwerksplanung

Schlotfeldt Licht

Lichtplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Lichtgestaltung, Verkehr

  • Projektgröße:

    6.500m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2008
    Fertigstellung: 01/2013

Projektbeschreibung

Städtebaulicher Ideenwettbewerb 2004, 1. Preis

Städtebau, Gestaltung und Nutzung

Der Bahnhof in Hamburg-Barmbek ist mit 60.000 Fahrgästen einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Hansestadt. 2004 lobten die Stadt Hamburg und die Hamburger Hochbahn AG einen Wettbewerb aus, den das Architekturbüro ap plan mory osterwalder vielmo stuttgart/berlin gewann. Das Konzept sieht vor, das bestehende Bahnhofsgebäude baulich zu arrondieren und mit einer prägnanten Überdachung der Busanlage, die als filigrane Stahlkonstruktion mit einer pneumatischen Kissenfüllung ausgeführt wird, zu kontrastieren. Der Bahnhof wird zum Kristallisationspunkt und neuen städtebaulichen Bindeglied im Bezirk Hamburg-Barmbek.
Das Konzept beinhaltet den Neubau der Überdachung der Busanlage sowie der Bahnhofszugänge, den Umbau der Bahnhofsschalterhallen, sowie die Sanierung des historischen Eingangsportals und der bestehenden Stützwände. Die dynamische Geometrie der Zugangsbauwerke der Schalterhallen der U-und S-Bahn und die markante Überdachung der Busanlage verknüpfen die nördlichen und südlichen Stadtquartiere miteinander. Der Entwurf schafft eine neue Funktionalität bezüglich der Orientierung und Vernetzung der Verkehrsträger Bahn und Bus sowie Taxi und Fahrrad. Die langgestreckten Dächer der Busanlage sorgen dafür, dass die Fahrgäste witterungsgeschützt und auf hell ausgeleuchteten Wegen zu den Bussen und Bahnen des Hamburger ÖPNV gelangen.
Die Überdachung der zentralen Busanlage wird auf beiden Seiten des Bahnhofs linear angeordnet. Die Wartesteige werden mit einer über acht Meter breiten, organischen Überdachung überspannt. Diese hat die Form von Flügeln, die entlang der Mauerwerkswände zu schweben scheinen. Die Dachflügel werden auf Y-Stützen aufgelegt, so dass eine autarke, freistehende Konstruktion gewährleistet ist. Die Kombination aus der flügelförmigen Stahlkonstruktion und der organisch pneumatisch geformten Kissenfüllung macht die besondere Ästhetik des Daches aus. Der Mittelträger führt alle Medien in Längsrichtung, ist Hauptsammler der Entwässerung und ist das Rückgrat der Stahlkonstruktion. Die komplette technische Infrastruktur einschließlich der Entwässerung wird verdeckt in der Stahlkonstruktion und den Y-Stützen geführt, so dass eine puristische Anmutung des technisch architektonischen Konzeptes erreicht wird.
Die Lichttechnik der Busanlage ist ebenfalls in die Stahl/Kissenkonstruktion integriert. Der kombinierte Einsatz von technischem und atmosphärischem Licht markiert den Bahnhof im städtebaulichen Kontext und schafft Orientierung für die Fahrgäste. Die Materialwahl der Dachkonstruktion ist immanenter Bestandteil des Lichtkonzeptes für Tageslicht- und Kunstlichttechnik.
Die weiße transluzente ETFE-Folie lässt 40 Prozent des sichtbaren Lichtspektrums passieren und wirft tagsüber einen angenehmen Schatten. Die in die Randträger der Stahlkonstruktion revisionierbar integrierten Leuchtstoffröhren sind nicht sichtbar und sorgen nachts für eine gleichmäßige Ausleuchtung der Kissenkörper entlang der Bushaltestellen.
Die Klinkerfassaden der neuen Bahnhofszugänge werden in einem Wittmunder Klinker ausgeführt. Die Klinkerfarbe fügt sich in das Bild der bestehenden historischen Klinkerfassaden ein, so dass eine einheitliche Materialanmutung und eine homogene Gesamtfigur entsteht.
Der Dialog zwischen den tradierten Klinkerstützwänden des Bahnhofes und der modernen, die Mauerkrone begleitenden, freistehenden Stahl/Kissenkonstruktion der Überdachung der Busanlage erzeugt eine besondere ästhetische Spannung und macht die Gesamtanlage zu einem Stück erlebbarer Stadtgeschichte.
Bis Ende 2011 wurden auf der Südseite des Bahnhofs zwei Busdächer von 55 Meter und 115 Meter Länge realisiert. Im Dezember 2012 wurde das 265 Meter lange Busdach auf der Nordseite des Bahnhofes fertig gestellt.
Der Bahnhof Hamburg-Barmbek ist zum städtebaulichen Signet des Quartiers geworden.

Konstruktion

Die innovative hoch installierte leichte Dachkonstruktion ist komplett aus Stahl in Verbindung mit pneumatischen ETFE-Folienkissenfüllungen gefertigt. Durch den Einsatz von ETFE-Kissen konnte eine besonders filigrane Stahlkonstruktion mit sehr großen Stützweiten ausgeführt werden. Die Beleuchtung und die Leerrohre für Strom, Luftversorgung und Entwässerung sind unsichtbar in das Stahltragwerk integriert.
Alle Medienleitungen sind in Edelstahl ausgeführt und verdeckt im Mittelträger des Tragwerks geführt - das Rückgrat der Konstruktion.
Der Y-förmige Gussknoten zwischen Stützenstiel und Stützenarmen ist innen hohl und ist werkseitig biegesteif mit den beiden Stützenarmen und dem Stützenstiel verschweißt. In jede Stütze sind ein Entwässerungsrohr, eine Stützluftleitung für die ETFE-Folienkissen und vier Elektro-Leerrohre für die Beleuchtung integriert.
Damit die Leitungen aus dem eingespannten Stützenfuß unsichtbar herausgeführt werden können, wird dieser in einen etwa 0,6 m tiefen Revisionsschacht mit darunter liegendem Pfahlkopf eingelassen.

Die bis zu 265 m langen Flügeltragwerke bestehen aus Y-förmigen Stützen im Abstand von 15 Metern und darauf aufliegenden 8 m breiten Flügeln und je 12 integrierten Luftkissen.
Für den Transport und für die kurze Montagezeit wurde die Stahlkonstruktion vollständig modular konzipiert. Es gibt die eingespannt aufgeschraubte Y-Stütze mit beiderseitigem Kragarm, den Rinnenträger und die beidseitigen Flügelkämme. Diese Bauteile wurden auf der Baustelle eingehoben, ausgerichtet und dann biegesteif miteinander verschraubt oder verschweißt.
Für ein homogenes Erscheinungsbild der Konstruktion ohne überstehende Kopfplatten sorgen Montagestöße mit innen liegenden Kopfplattenanschlüsse deren Montageöffnungen nach der Montage zugeschweißt und nachbehandelt wurden.
Bauen mit Luft:
Die 151 kleinen Luftkissen auf der steilen Flügelseite sind 2,3x3,9m groß, die 151 großen Luftkissen auf der flachen Flügelseite 2,3x4,7 m groß. Damit die Kissen von innen her leuchten, strahlen die in die Randträger integrierten T8 Neon-Langfeldleuchten direkt in die Kissen. Die obere und untere Kissenfolie wurde dazu nicht direkt, wie sonst üblich, umlaufend verschweißt, sondern wurde mit Hilfe einer glasklaren Folie mit Abstand zueinander verschweißt. Ober und untere Folie werden mit eigenen Klemmleisten auf die konischen Flügelträger aufgeschraubt, so dass die Bauhöhe der Flügel in den Kissen verborgen bleibt und die Flügel ruhig und homogen wirken. Im Boden verlegte Luftleitungen aus einer der beiden Stützluftzentralen speisen über die Stützen, den Y-Arm in die Rinnenträger je 12 Kissen mit Stützluft, wobei jedes Kissen einzeln befüllt wird.
Die Anlage ist selbstregelnd. Der Wechsel von Sommer auf Winter regeln Feuchte-und Temperatursensoren.
Das Stahl-Folienkissendach wurde mit einer charakteristischen Schneelast von 0,85 kN/m² und einer außergewöhnlichen Schneelast von 1,96 kN/m² sowie einem Bemessungsstaudruck von 0,59 kN/m² bemessen.

Wirtschaftlichkeit

Äußere Lasten tragen die Folien über Ihre Krümmung und einen gegenüber dem Außenluftdruck geringfügig erhöhten Stützluftdruck in den Kissen. Der Umgebungsdruck liegt bei zirka 1000 hPa, das sind 100.000 Pascal. Der Druck im Kissen liegt im Sommer 50 kg/m² = 500 Pascal höher, im Winter 75 kg = 750 Pascal. Für diese geringen Druckunterschiede sind zwei Ventilatoren mit wenigen KW Spitzenleistung ausreichend. Die Kissendächer bleiben bei geringem Luftdruck formstabil und verursachen somit nur minimale Betriebskosten. Bei geringen Beschädigungen der Folie wird der Luftdruck regelungstechnisch entsprechend angepasst. Ein störungsfreier Betrieb der Busanlage wird gewährleistet.
Im Vergleich zu Stahl-Glaskonstruktionen ist aufgrund der Überdeckung mit der leichten ETFE-Kissentechnologie eine geringere Steifigkeit der Konstruktion erforderlich und damit ein hohes Einsparpotential an Stahl erreicht worden.

Nachhaltigkeit

Der Einsatz hochwertiger Materialien in Kombination mit einem C4-lang-Korrosionsschutzsystem (eingehauste Aufbringung) sichert eine lange Nutzungsdauer. Die gesamte Konstruktion ist mit Leerrohren ausgestattet, so dass Installationen später nachgeführt werden können. Darüber hinaus gibt es unter dem Rinnenträger, an den Stützenarmen und entlang der Randträger Revisions- und Wartungsöffnungen. Weiterhin ist an jedem Einspannpunkt der Stützen ein Revisionsschacht vorgesehen, der die Zugänglichkeit zum Fußpunkt ermöglicht. Alle Montageeinheiten wurden bereits werkseitig mit TGA-Leerrohren samt Ziehdrähten bestückt und als luftdichte Konstruktion hergestellt.
Die der ETFE-Folie zeitlebens eigene sehr niedrige Oberflächenspannung von nur 25 m/Nm sorgt dafür, dass Schmutz nicht fest anhaftet und vom Regen weggespült wird. Die Dächer werden deshalb praktisch Reinigungsfrei sein und dauerhaft sauber, hell und wertig wirken.
Im Gegensatz zu den meisten Kunststoffen erfährt das weichmacherfreie Copolymer ETFE keine erkennbare Alterung - weder in Bezug auf die Festigkeit, die Oberflächen- rauhigkeit noch in Bezug auf die Transluzents und empfiehlt sich somit für die Anwendung bei Dauerbauten.
Stahl gewichtsmäßig und ETFE flächenmäßig sind die beiden die Busdächer bestimmenden Werkstoffe. Beide sind am Ende der langen Nutzungszeit vollständig und hochwertig recycelbar.