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Award / Auszeichnung | 03/2015

Deutscher Landschaftsarchitektur-Preis 2015

Die Torhalle (9. Jahrhundert n.Chr.)

Die Torhalle (9. Jahrhundert n.Chr.)

Weltkulturerbe Kloster Lorsch

DE-64653 Lorsch

ein 1. Preis

TOPOTEK 1

Landschaftsarchitektur

Staatliche Schlösser und GÀrten Hessen

Bauherren

Stadt Lorsch

Bauherren

merz merz

Architektur

Die LandschaftsArchitekten. Bittkau-Bartfelder PartG mbB | Landschaftsarchitektur und Stadtplanung

Landschaftsarchitektur

Projektdaten

  • GebĂ€udetyp:

    Landschaft und Freiraum

  • ProjektgrĂ¶ĂŸe:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2012
    Fertigstellung: 01/2014

Projektbeschreibung

ERINNERUNG ÜBERTRAGEN – UNESCO WELTKULTURERBE KLOSTER LORSCH

Eine WeltkulturerbestÀtte wird als topographische Abschrift nacherzÀhlt. Der Entwurf von Topotek 1 und hg merz ging 2010 aus einem Wettbewerb zur szenographischen und landschaftsarchitektonischen Aufwertung des Ortes hervor.

Die klassischen Schriften des Altertums sind als Originale zum großen Teil verloren. Über das biblische Paradies oder die Geschichtsschreibung des Herodot wissen wir vor allem durch Abschriften, die in den Skriptorien der mittelalterlichen Klöster erstellt wurden. Eines der wichtigsten Zentren dieser Neuauflage des kulturellen GedĂ€chtnisses war die Benediktinerabtei im sĂŒdhessischen Lorsch; unweit von Worms. Als Kloster schon 1557 aufgehoben und seit 1991 als Weltkulturerbe anerkannt, teilt der Ort jedoch das Schicksal der antiken SchriftstĂŒcke: wenig an Originalsubstanz ist erhalten. Die vielzĂ€hligen Besucher finden derzeit eine Torhalle aus dem 9. Jahrhundert vor und einen Rest des KirchengebĂ€udes, das Zeugnisse bisher ungezĂ€hlter Bauperioden vom 8. bis zum 18. Jahrhundert bewahrt. Als eines der letzten erhaltenen karolingischen Bauwerke ist vor allem die Torhalle ein wichtiges Zeugnis der nachrömischen Zeit östlich des Rheins, der rĂ€umliche Kontext der historischen Klosteranlage aber ist schwer nachzuvollziehen. Lesbar bleibt jedoch die spezifische Topographie des Ortes. Nachdem der ursprĂŒngliche GrĂŒndungsort, das sogenannte AltenmĂŒnster, in der Niederung des kleinen Flusses Weschnitz aufgegeben wurde, wurde die karolingische Abtei ab 767 in Sichtweite auf einem DĂŒnenrĂŒcken errichtet und das Kloster mit einer Mauer umgeben.

Der Kerngedanke des Entwurfes fĂŒr die WeltkulturerbestĂ€tte ist das Anschaulichmachen des Ortes als landschaftlicher Raum. Die Zielsetzung ist, die Klosteranlage jenseits der objekthaften Relikte zusammenhĂ€ngend lesbar zu machen. Diese gestalterische Strategie ermöglicht es auch GebĂ€ude und Einrichtungen spĂ€terer Zeitschichten als Teil des Ortes zu integrieren. Die KomplexitĂ€t des abstrakten, gedanklichen FĂŒgens verlorener rĂ€umlicher ZusammenhĂ€nge und geschichtlicher Abfolgen wird mit der atmosphĂ€rischen Landschaftlichkeit als Raumerlebnis zugĂ€nglich gemacht.

In einer dramaturgischen Neuordnung wird die Ankunft der Besucher von der bisherigen Verortung direkt neben dem Erlebnishöhepunkt karolingische Torhalle in die NĂ€he zum AltenmĂŒnster in der Niederung verlegt - also topographisch quasi an den Anfang der Siedlungsgeschichte des Klosters.
Als Ausgangspunkt ist der Parkplatz östlich der Weschnitz geplant. Von hier startet der Rundweg, bestehend aus dem »Weg der Kultur« und »Weg der Natur«, der dem Besucher das gesamte Areal zugĂ€nglich macht und die unterschiedlichen Fragmente in den beiden Kernzonen der WelterbestĂ€tte, bestehend aus den ehemaligen Klöstern Lorsch und AltenmĂŒnster, verbindet.
Der Weg fĂŒhrt vom Parkplatz kommend ĂŒber das Kloster AltenmĂŒnster an der Tabakscheune vorbei auf das KlostergelĂ€nde zu. Über die Nibelungenstraße und den Benediktinerplatz (in Planung) wird das KlostergelĂ€nde Lorsch selbst erreicht. ZurĂŒck fĂŒhrt der »Weg der Natur« zum Besucherinformationszentrum.
Der gesamte Landschaftsraum um die historischen Orte wird so geöffnet, dass der Besucher mit dem freigestellten Blick auf die Klostermauer und dem darĂŒber liegenden KlostergelĂ€nde einen Eindruck vom rĂ€umlichen Umfang der Anlage erhĂ€lt. ErgĂ€nzend dienen – außerhalb der Klostermauer - verschiedene museale SchaurĂ€ume, wie ein Schaudepot (Zehntscheune) mit Exponaten aktueller Grabungen und ein »Ort des Wissens« als Museumszentrum der detaillierten Wissensvermittlung auch ĂŒbergeordneter geschichtlicher Sachverhalte.

In der Klosteranlage selbst bilden die ablesbar gestaltete Topographie der DĂŒne sowie der AbdrĂŒcke der ehemaligen GebĂ€ude mit einer gepflegten, ĂŒberall betretbaren RasenoberflĂ€che die zusammenhaltende Textur des Ortes. Die auch historisch freistehende Torhalle erhĂ€lt, als stadtseitiger Zugang (Benediktinerplatz) zum Kloster, einen umgebenden Bodenbelag, der sich als Liniengradation von Pflasterung zu RasenflĂ€che im Inneren der Anlage transformiert. Die PlatzflĂ€che vor der Torhalle soll in absehbarer Zeit umgestaltet werden.

Anders als vormals gĂ€ngige bauliche VergegenwĂ€rtigungen, die auch in Lorsch in den 1980er Jahren an Grabungsorten als Vermittlung vermeintlichen Wissens erstellt wurden, basiert der neue Entwurf auf der Sprache des Bodens. Der heute als gesichert anzusehende bauliche Umfang der Klosteranlage wird mit topographischen Gesten nacherzĂ€hlt, das verlorene Volumen wird zu einem lesbaren Abdruck gekehrt. Die Umrisse der Klosterkirche, des umbauten Vorhofes und der Klausur mit dem Kreuzgang werden durch Aufhöhung des umliegenden GelĂ€ndes als AbdrĂŒcke abgebildet. Mit einer scharf gezogenen, etwa fĂŒnfunddreißig Zentimeter hohen Böschungslinie wird der Boden quasi zur Schrift gestochen. Die nun als Abdruck prĂ€senten GebĂ€udeumrisse machen das Ausmaß der Klosteranlage und die ZusammenhĂ€nge der unterschiedlichen Bauten im Raum wieder sichtbar. Geschichte kann hier begangen werden.

Um das KlostergelĂ€nde fĂŒr heutige Anforderungen zu erschließen, wurden neue Wege als additives Element auf die modellierten Schichtungen aufgelegt.

Ein weiteres hinzugefĂŒgtes, nicht historisch belegtes Element ist der KrĂ€utergarten, der hinter der Zehntscheune am HĂŒgel liegt. In langen BĂ€ndern sind terrassenförmige Beete angelegt worden, die der Topographie des HĂŒgels folgen. Trockenmauern aus Naturstein fassen die Beete ein, werden als Sitzmöglichkeit genutzt und bieten Lebensraum fĂŒr Pflanzen und Tiere.
Die Bepflanzung liegt dem »Lorscher Arzneibuch« zu Grunde, das um 795 n. Chr. geschrieben und 2013 in das UNESCO-Register des Dokumentenerbes aufgenommen wurde. Es ist das Ă€lteste erhaltene Buch zur Klostermedizin des frĂŒhen Mittelalters. Im Buch sind Rezepte und BehandlungsvorschlĂ€ge mit Heilpflanzen beschrieben, die sich an der »Lehre der vier SĂ€fte« orientieren. Im Garten finden sich nahezu alle der im Buch erwĂ€hnten Pflanzen wieder. Eine umfassende Beschilderung mit botanischen und deutschen Namen ermöglicht die wissenschaftliche Klassifizierung der Pflanzen und einen umfassenden Überblick ĂŒber die Medizinallehre des frĂŒhen Mittelalters. DarĂŒber hinaus bietet der Garten durch die Ă€sthetisch ansprechenden Pflanzenkombinationen und jahreszeitlich wechselnde BlĂŒh- und Blattaspekte einen hohen Erlebnis- und Erholungswert.

Die neue Gestaltung der Gesamtanlage versteht sich als Ausdruck eines VerstĂ€ndnisses von Wissen als Prozess. Soweit nicht durch aufwĂ€ndige und teure Grabungen punktuell aufgeschlossen, bleibt das archĂ€ologische Erbe ungestört im Boden erhalten. Angesichts der nie vollstĂ€ndig gesicherten Wissenslage können die Formen der AbdrĂŒcke ohne großen Aufwand dem sich verĂ€ndernden Stand archĂ€ologischer Erkenntnisse angepasst werden. Die topographische Abschrift der Klosteranlage wird so zur NacherzĂ€hlung des Weltkulturerbes der Lorscher Abtei.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Jury sieht in dem neuen Landschaftspark WeltkulturerbestĂ€tte Kloster Lorsch ein herausragendes Beispiel, wie historische Relikte und Spuren einerseits konservatorisch bewahrt und andererseits wieder stĂ€rker auf ihre landschaftliche Beziehungen zurĂŒckgefĂŒhrt werden können. Auf dem „Weg der Natur“ und dem „Weg der Kultur“ werden bauliche Dimensionen der frĂŒheren Klosteranlage nachvollziehbar, ebenso wie ihr Wachstum aus der Landschaft. Die Landschaftsarchitekten haben die Volumina der verlorenen GebĂ€ude mit scharf gezogenen Böschungslinien zu ablesbaren AbdrĂŒcken in der Landschaft verwandelt.
Blick auf das KlostergelÀnde

Blick auf das KlostergelÀnde

AbdrĂŒcke der ehemaligen GebĂ€ude auf dem KlostergelĂ€nde

AbdrĂŒcke der ehemaligen GebĂ€ude auf dem KlostergelĂ€nde

Masterplan

Masterplan

Das Prinzip der AbdrĂŒcke

Das Prinzip der AbdrĂŒcke

Das KlostergelÀnde

Das KlostergelÀnde

Die neu ablesbar gestaltete Topographie

Die neu ablesbar gestaltete Topographie

Detail der AbdrĂŒcke der ehemaligen GebĂ€ude

Detail der AbdrĂŒcke der ehemaligen GebĂ€ude

Neue Wege zur Erschließung des KlostergelĂ€ndes fĂŒr heutige Anforderungen

Neue Wege zur Erschließung des KlostergelĂ€ndes fĂŒr heutige Anforderungen

Neue Wege zur Erschließung des KlostergelĂ€ndes fĂŒr heutige Anforderungen

Neue Wege zur Erschließung des KlostergelĂ€ndes fĂŒr heutige Anforderungen

Die zum großen Teil erhaltene Umfassungsmauer des ehemaligen KlostergelĂ€ndes

Die zum großen Teil erhaltene Umfassungsmauer des ehemaligen KlostergelĂ€ndes

Die neu gestaltete Topographie der DĂŒnen

Die neu gestaltete Topographie der DĂŒnen

Die Umfassungsmauer des ehemaligen KlostergelÀndes

Die Umfassungsmauer des ehemaligen KlostergelÀndes

Die Kulturachse verbindet die beiden Kernzonen der WelterbestÀtte

Die Kulturachse verbindet die beiden Kernzonen der WelterbestÀtte

Das AltenmĂŒnster (Prinzip der Umkehrung des Abdrucks)

Das AltenmĂŒnster (Prinzip der Umkehrung des Abdrucks)

Der Rundweg entlang des Flusses Weschnitz

Der Rundweg entlang des Flusses Weschnitz

Der KrÀutergarten, dessen Bepflanzung das »Lorscher Arzneibuch« (um 795 n. Chr.) zu Grunde liegt

Der KrÀutergarten, dessen Bepflanzung das »Lorscher Arzneibuch« (um 795 n. Chr.) zu Grunde liegt

Der KrÀutergarten, dessen Bepflanzung das »Lorscher Arzneibuch« (um 795 n. Chr.) zu Grunde liegt

Der KrÀutergarten, dessen Bepflanzung das »Lorscher Arzneibuch« (um 795 n. Chr.) zu Grunde liegt