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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2015

Mut zur Lücke - Architektenwettbewerbe 2014.2015

1. Preis

Preisgeld: 4.500 EUR

Großmann Architektur BDA

Architektur

Erläuterungstext

Leitgedanken
Auf die Stadt Bernburg schauen über 1000 Jahre einer bewegten und wandlungsvollen Geschichte, in der sich die Stadt von einem mittelalterlichen Fernhandels- und Marktflecken bis ins letzte Jahrhundert zu einer Residenz- und Garnisonsstadt wandelte. Mit den Stadterweiterungen des 19. und 20. Jahrhunderts und von den Zerstörungen des letzten Krieges weitgehend verschont erhielt der Stadtkörper sein heutiges Erscheinungsbild.
Das Umfeld des Wettbewerbsgrundstückes in der südlichen Stadterweiterung mit ihrem klaren Grundraster ist geprägt von den geschlossenen Blockrändern der Wohnbauten, den sich nach Osten auflösenden Strukturen der Gewerbe- und Industriebauten und den Villen, welche die Parkanlage am nördlichen Martinsplatz erweitern. Der evangelische Kirchenbau der Martinskirche, mit den Ergänzungsbauten eines Kinder- und Gemeindezentrums, bildet wörtlich den Höhepunkt und das Zentrum in diesem heterogenen Stadtgefüge. Aus dem Nebeneinander von unterschiedlichen Städtebauideen und Nutzungen erwächst ein Spannungsfeld. Die Untersuchung der baulichen Qualitäten und Schwächen im Quartier bildet die Grundlage im vorliegenden Entwurf.
Der in Ecklage geplante Neubau nimmt Bezug auf die Maßstäblichkeit, die Baufluchten sowie die Gebäudehöhen der vorhandenen Bebauung. Dadurch soll das Viertel weiter entwickelt und der Stadtkörper sanft repariert werden. Eine konsequent zeitgenössische Formensprache und Materialwahl, die zurückhaltend und angemessen im historischen Kontext agiert, dient der Adressbildung in exponierter Lage in einem sich gerade konsolidierenden, jungen Viertel.
In der Parkstraße sind über einem Sockelgeschoss, ähnlich der angrenzenden gründerzeitlichen Bebauung, 3 Wohngeschosse geplant. Ein flachgeneigtes, begrüntes Pultdach gleich der Mauerstraße 04 vermittelt zwischen dem direkten Nachbarn der Parkstraße 10 und den daran anschließenden 3-geschossigen Wohnbauten aus dem 19. Jahrhundert. Die Trauf- und Firstkanten stehen in direktem Bezug zueinander und das Gebäude bildet einen markanten Abschluss der Zeile.
Der inhomogene Blockrand der Mauerstraße, geprägt von Bauten mit unterschiedlichen Höhen, Bautiefen und Nutzungen wird als „weiche Kante“ konzeptionell fortgeführt. Während der Eckflügel die Fassadenproportionen und die Traufhöhe der Mauerstraße 04 und 06 aufnimmt, wird der hintere 3-geschossige Gebäudeflügel eingerückt und schließt an die Brandwand der Seitenflügel der Parkstraße an. Dadurch entsteht ein gut belichteter Vorgarten, der einen Gegenentwurf zu den mangelnden Freiraumqualitäten der Hinterhöfe der übrigen Bebauung bildet. In diesem Gebäudeflügel sind ebenfalls drei Wohngeschosse vorgesehen, die optional durch eine Dachterrasse den geringen Anteil an Freiflächen auf dem Baugrundstück ergänzen. Die beiden Gebäudeflügel interpretieren die Typologie der im Baugebiet vorgefundenen straßenseitigen traufständigen Vorderhäuser mit den an den Grundstücksgrenzen anschließenden Seitenflügeln.
In der Perspektive wird aus diesseitiger Sicht der vollständige Rückbau der Garagen empfohlen um die Freiräume zu stärken und zudem einen mehrgeschossigen Anschluss an die Mauerstraße 4 zu ermöglichen. Im vorliegenden Entwurf wurde aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nur die direkt angrenzende Garage entfernt und der geforderte Stellplatz an dieser Stelle vorgesehen. Der schmale Streifen hinter den Garagen wird, unter Belassung des Bestandsgrün, als eher privater Garten der Wohnungen in der Mauerstraße gesehen.

Architektur
Der geplante Neubau spricht eine eigene zeitgemäße Sprache mit Rückgriff auf die vorhandene Materialität der als gelungen empfundenen Ergänzungsbauten der Martinskirche in direkter Nachbarschaft. Die Fassaden der Wohngeschosse setzen sich vom Sockelgeschoss durch eingefärbtem Sichtbeton voneinander ab. Die Außenhaut der Baukörper bekleidet eine Verschalung aus unbehandeltem Lärchen- oder Zedernholz. Die Dachflächen sind extensiv begrünt und tragen zur Verbesserung des Mikroklimas bei. Das Sockelgeschoß wird als schmale Fuge zur Parkstraße 10 bis zum Dach fortgeführt. Der hintere, vom Straßenraum abgerückte Gebäudeteil, verzichtet auf ein abgesetztes Sockelgeschoss und eine ebenerdige Wohnung schließt direkt an die Freiflächen an. Die Materialität wird fortgeführt, wobei statt der innenliegenden Loggien im vorderen Gebäudeteil die Balkone aus Betonfertigteilen und Holz additiv angefügt sind. Die sich wiederholenden Bauteile der außenbündigen Fensterbänder werden über alle Fassaden geführt. Durch die erhabene Einrahmung der Fenster mit schmalen Aluminiumelementen wird im Spiel mit Licht und Schatten eine Plastizität ähnlich dem Duktus der Gesimsausformungen und der Ornamentik der Nachbarschaft erzeugt.
Die Erschließung des Gebäudes erfolgt über die Parkstraße wobei das ebenerdige Sockelgeschoss auch über einen Nebenzugang aus der Mauerstraße verfügt. An das innenliegende Treppenhaus sind in jedem der beiden Gebäudeflügel jeweils drei Wohnungen als Split-Level, also auf halbversetzten Ebenen angeordnet. Es wird mehr Privatheit erzeugt und die Raumqualität in der Parkstraße, direkt an der vielbefahrenen, immissionsbelasteten L50, wird durch das Wohnen ab dem ersten Obergeschoss gesteigert.
Aufgrund der Erfahrungen bei der Gründung dieses Gebäudetyps und in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens ist es naheliegend auf eine Unterkellerung zu verzichten. Die haustechnischen Nebenräume, die Abstellräume und die „Fahrradgarage“ wurden zentral im Erdgeschoss angeordnet. Auf den Einbau eines Fahrstuhls wird verzichtet, jedoch ist für die Wohnung im Erdgeschoss aufgrund des Zugangs auf Straßenniveau die Barrierefreiheit gewährleistet.
Wohnraumgestaltung
Insgesamt wurden in den beiden Gebäudeflügeln, neben den erdgeschossigen Nebennutzungen, sechs im Rahmen des Sozialhilferechts geräumige Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern untergebracht. Aus den Vorgaben der Konzeption zur begleitenden Elternschaft des „Kids“ e.V. Bernburg liegt das Augenmerk bei der Gestaltung auf großzügigen und flexibel nutzbaren Räumen die durch klare funktionelle Strukturen den Bewohnern eine eigenständige Bewältigung des Alltags ermöglichen. Der Umgang mit Tageslicht und die sensible Detailgestaltung ist ein weiterer Gestaltungsanspruch mit dem psychologische und soziale Ansprüche gestärkt werden. Die einzelnen Wohnungen verfügen alle jeweils über eigene Qualitäten. Der Vorzug der parkstraßenseitigen Wohnungen liegt im Rundumblick auf den Martinsplatz und der ganztägigen Besonnung, während die mauerstraßenseitigen Wohnungen den unverbauten Blick nach Osten und einen direkten Zugang zu den Freianlagen genießen. Die versetzte Anordnung der Balkone und Loggien bietet Privatsphäre für ihre Bewohner und Freiraum inmitten der städtischen Ausblicke. Der gut belichtete und begrünte Garten sowie die Dachterrasse dienen als Kontaktbereich für den kurzen Plausch und das Spielen mit den Kindern. Eine Ausformung, die vor allem die jungen Mütter und Familien ansprechen soll.
Der Eingangsbereich der Wohnungen geht direkt in den offenen Wohn-, Küchen- und Essbereich über. Die privaten Bereiche der Schlafzimmer schließen sich daran separat an. Mit diesem Konzept des „Durchwohnens“ soll auch die Arbeit der Betreuer unterstützt werden. Das Tageslicht wird optimal genutzt und es entstehen ganztägig helle Räume.
Wirtschaftliche und Energetische Aspekte
Der maßgebliche Verzicht auf ein Untergeschoss fand bereits Erwähnung. Es wird die bebaubare Fläche des Baufeldes unter Einhaltung der vorgeschriebenen Abstandsflächen optimal ausgenutzt und durch die Anbindung an die Nachbarbebauung werden die Außenwandflächen und damit der Primärenergieverlust des Hauses reduziert.
Unter Betrachtung von bauökologischen und wirtschaftlich nachhaltigen Aspekten empfehlen wir im Bereich der Konstruktion und Materialität des Gebäudes auf eine Massivbauweise aus industriell vorgefertigten Elementen zurückzugreifen und dabei wertbeständige Baustoffe wie Tonsteine, Holz-oder Aluminiumfenster, mineralische Wärmedämmsysteme und Holzwerkstoffe zu verwenden.
Die Nutzung von Sonnenenergie durch Solarpaneele auf den Gründächern und den Einbau einer Luft-Wasser-Wärmepumpe als Ergänzung zur Gasbrennwerttherme, wird die Warmwasser- und Heizenergieerzeugung unterstützt und es werden in Monaten April bis Oktober die Unterhaltungskosten des Hauses bei geringer Investition deutlich reduziert. Dabei sind Kennwerte deutlich über dem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen möglich. Die Möglichkeiten von Förderungen für Konzepte der alternativen Energieerzeugung sind in der Kostenschätzung noch nicht berücksichtigt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf besetzt als einziger Beitrag in L‐förmiger Grundrissfigur die
nordwestliche Grundstücksfläche und bietet damit zur Mauerstrasse eine
grüne Privatzone (Vorgarten) an. Die Betonung der Ecke Mauerstrasse
Parkstrasse erfolgt durch einen schlanken viergeschossigen Baukörper mit
zurückhaltender jedoch markanter Fassadengestaltung ohne auf besondere
zusätzliche Gestaltungselemente zurückgreifen zu müssen.
Die Blockrandbebauung der Parkstraße endet in einem turmartigen Riegel,
welcher der benachbarten gründerzeitlichen Gebäude einen Rahmen
(Endpunkt) setzt und formuliert das Thema der Eckbebauung neu.
Die Planung sieht ein Sockelgeschoss aus wartungsfreiem Sichtbeton vor. Die
Fassadenverkleidung aus Holz wird im Kontext mit der umgebenden Bebauung
und mit zu erwartenden Unterhaltsaufwendungen als nicht optimal
empfunden. Die horizontale Anordnung der Fenster verleiht den Fassaden eine
elegante wohlproportionierte Ausstrahlung, die jedoch keine Beziehungen zur
Nachbarbebauung aufnimmt.
Der Eingang von der Parkstraße befindet sich in der Sockelzone und wird
lediglich durch ein gering auskragendes Vordach betont. Das Auffinden des
Zuganges zum Gebäude ist nicht ohne weiteres selbst erklärend.
Die Sockelzone im nördlichen Bereich nimmt günstig erschlossen Nebenräume,
wie Abstellmöglichkeiten für Kinderwagen, Fahrräder, Haustechnik, Hausmüll
sowie Kellerräume auf. Im Hofflügel des Erdgeschosses schließt sich an das
Treppenhaus eine barrierefrei erschlossene 3‐Raum‐Wohnung an, mit direktem
Zugang zum südlich gelegenen kleinen Garten. Das richtig angeordnete
Treppenhaus an der Brandwand zum Gebäude Parkstraße 10 erschließt je zwei
Wohnungen in Splitlevel‐Anordnung pro Etage, die durch diese Anordnung gut
belichtet und belüftet werden können. Im ersten und zweiten Obergeschoß
befinden sich jeweils eine 2‐ und eine drei‐Raum‐Wohnung. Im 3.
Obergeschoss wurde eine 2‐Raum‐Wohnung angeordnet.
Trotz geringem Flächenangebotes vermitteln die Wohnungen einen
großzügigen Eindruck. Die funktionelle Zuordnung ist aus Nutzersicht gut gelöst
und eröffnet Variationsmöglichkeiten. Alle Wohnungen verfügen über eine
privaten Freisitz. Auf dem Dach des Südflügels wird eine Dachterrasse zur
gemeinschaftlichen Nutzung angeboten.
Die planungs‐ und baurechtlichen Vorschriften werden durch den Entwurf
berücksichtigt.
Das Gebäude ist fußläufig von beiden Straßen zu erreichen. Ein Stellplatz wurde
anstelle einer Garage als Parkfläche an der Mauerstraße angeordnet. Kritisch
wird bemerkt, dass die Zugänglichkeit zur Gartenfläche nicht für alle
Wohnungen vom Treppenhaus her (direkt) möglich ist.
Aufgrund der kompakten Gebäudeform wird eingeschätzt, dass eine
wirtschaftliche und energetisch effiziente Errichtung des Gebäudes möglich ist.
Kurze Spannweiten der Stahlbetondecken sind kostengünstig und ermöglichen
flexible Grundrissgestaltungen.
Für die weitere Bearbeitung wird der Entwurfsverfasser verpflichtet
nachzuweisen, daß der vorgegebene Kostenrahmen realisiert werden kann,
hierbei muß ein adäquaten Ersatzmaterials für die Fassaden (Holz nicht
möglich) angeboten werden.