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Award / Auszeichnung | 07/2016

Deutscher Ingenieurbaupreis 2016

Kochertalbrücke Geislingen

DE-74542 Geislingen am Kocher

Anerkennung

Preisgeld: 2.000 EUR

Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG

Bauingenieurwesen

Regierungspräsidium Stuttgart

Bauherren

Leonhard Weiss GmbH & Co. KG

Bauunternehmen

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Verkehr

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2013
    Fertigstellung: 11/2015

Projektbeschreibung

Instandsetzung und Ertüchtigung der Kochertalbrücke

Bei Braunsbach steht die höchste Talbrücke Deutschlands. Das Bauwerk wurde zwischen Oktober 1976 und Juli 1979 in nur 33 Monaten von der ARGE der Unternehmen Ed. Züblin, Dywidag und Wayss & Freytag unter Beratung von Fritz Leonhardt errichtet. Die Baukosten betrugen damals 70 Mio. DM. Die 1.128 km lange, durchlaufende Hohlkastenbrücke überspannt das Kochertal über 9 Felder in einer Höhe von bis zu 185 m.

2007 wurde an dem Bauwerk die routinemäßige Bauwerksprüfung nach DIN 1076 durchgeführt. Auf Grund zahlreicher Betonschadstellen, Schäden an den Brückenkappen, der Überbauabdichtung, der Fahrbahnbeläge, der Übergangskonstruktionen, der Bauwerksentwässerung und weiteren Bauwerksausstattungen ist der Bauwerkszustand hinsichtlich der Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit beeinträchtigt und daher eine Instandsetzung zum Erhalt des Bauwerks erforderlich. Im Zusammenhang mit der Entwurfsplanung einer grundhaften Bauwerksinstandsetzung wurde durch den BMVBS eine Nachrechnung des Bauwerks auf Grundlage von DIN 1072 nach Brückenklasse 60/30 gefordert.

Quasi exakte Nachbildung der Bauzustände
Zudem sollte eine statische Untersuchung der Tragfähigkeit hinsichtlich der neuen Lastniveaus der DIN Fachberichte vorgenommen werden. Für die ursprüngliche Berechnung der Kochertalbrücke wurden die Verkehrslasten gegenüber dem Regelwerk merklich reduziert, da die BAB A6 als West-Ost-Beziehung, auch in damaligen Prognosen, ein deutlich geringeres Verkehrsaufkommen als die von Süden nach Norden verlaufenden Autobahnen erwarten ließ. Dies änderte sich mit der Wiedervereinigung, die in den 1970er Jahren niemand vorhersah.
Vor diesem Hintergrund war an eine Einstufung des Bauwerkes in Brückenklasse 60/30 bzw. DIN Fachbericht nicht zu denken – selbst die Brückenklasse 60 war nur im Zusammenhang mit einer Zustimmung im Einzelfall abgedeckt, die seinerzeit bauaufsichtlich völlig korrekt auch herbeigeführt wurde. Mit diesen Erkenntnissen war offensichtlich, dass eine Ertüchtigung des Bauwerks mit diesen Ergebnissen nur mit sehr hohem finanziellem Aufwand realisierbar wäre, falls technisch überhaupt sinnvoll umsetzbar. Aus diesen Gründen wurde das Hauptaugenmerk nochmals auf die Berechnung, und hier insbesondere auf die Bauzustände gerichtet. Mit den sehr differenzierten bestandunterlagen (Spannprotokollen, Bautagebücher, tatsächliche Materialkennwerte etc.) konnten die Bauzustände quasi exakt nachgebildet werden. Im Vergleich zur Bestandsstatik ergeben sich nun deutliche Unterschiede und insgesamt liegt ein höheres Druckspannungsniveau über dem gesamten Querschnitt vor. Dies wirkt sich insbesondere hinsichtlich der Dekompression und im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit positiv aus. Darüber hinaus bleiben die Zwangsschnittgrößen aus Vorspannung kleiner und wirken sich günstig im Grenzzustand der Tragfähigkeit aus – ebenso wie die geringe Umlagerung aus Schwinden und Kriechen.

Der Bauherr sah sich nun einer Aktenlage gegenüber, bei der zum einen ein deutlich höheres Beanspruchungsniveau aus den Verkehrseinwirkungen vorlag, und dem gegenüber eine differenzierte Betrachtung der „Summe Bauzustände“ diese Überbeanspruchungen zu einem nicht unerheblichen Teil wieder kompensierten.

Grundhafte Instandsetzungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen
Grundlage einer Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung waren die Ergebnisse der Nachrechnung, wonach nur partiell Ertüchtigungen vorzunehmen sind. Der Vergleich zwischen einer grundhaften Instandsetzung und Ertüchtigung ergab gegenüber einem Neubau eine Differenz bei den kapitalisierten Kosten von ca. 60 Mio. €. In Anbetracht des relativ guten Gesamteindruckes der Brücke folgte vom Bauherrn die Entscheidung eine grundhafte Instandsetzungs- und Ertüchtigungsmaßnahme am Bauwerk vorzunehmen. Mit dieser Entscheidung wurden dann die üblichen Planungsleistungen von der Vorplanung bis zur Ausschreibung vorangetrieben.
Die Gesamtmaßnahme wurde am 14.12.2012 bekannt gemacht und am 19.02.2013 submittiert. Der Zuschlag erfolgte am 03.06.2013 und die Baumaßnahme konnte am 25.06.2013 begonnen werden. Der Kostenanschlag für die Bauwerksinstandsetzungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen betrug ca. 14,5 Mio. €.
Da die Instandsetzung und Ertüchtigung der Kochertalbrücke unter Aufrechterhaltung des Verkehrs erfolgte, bedeutet dies eine abschnittweise Bearbeitung in drei Bauphasen. Die Bauphase 1 wurde 2013 ausgeführt und beinhaltete im Wesentlichen die Erneuerung der nördlichen Brückenkappe, einschließlich der darunterliegenden Bauwerksabdichtung. In diesem Zuge wurden ein neues Rückhaltesystem und eine neue Absturzsicherung mit lärmabsorbierender Füllung auf der Kappe hergestellt. Die Bauphase 2 wurde 2014 analog zur Bauphase 1 jedoch am südlichen Überbaurand ausgeführt. In dieser Bauphase erfolgte auch der Austausch der übergroßen und etwa 12 Tonnen schweren Topflager der vier Hangpfeiler in Höhen von 50 bis 100 m über Grund. Die Bauphase 3 wurde 2015 ausgeführt und beinhaltete im Wesentlichen die Erneuerung der Mittelkappe und Herstellung einer durchbruchsicheren Mitteltrennung. Die Topflager auf den Widerlagern wurden getauscht und über Öffnungen in der Fahrbahntafel wurden die Verstärkungsmaßnahmen in den Stützenbereichen an den Stegen und der Bodenplatte im Hohlkasten ausgeführt. Die Fahrbahnübergänge und die gesamte Bauwerksentwässerung wurden abschnittsweise in allen drei Bauphasen erneuert.
Bautafel: Instandsetzung und Ertüchtigung Kochertalbrücke
Bauherr: Regierungspräsidium Stuttgart
Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung, Ausführungsplanung, Vorbereiten der Vergabe: Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG
Bauoberleitung: Regierungspräsidium Stuttgart, Referat 47.2
Bauüberwachung: Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG
Baufirma: Leonhard Weiss GmbH & Co. KG
Prüfingenieur: Dr.-Ing. Dietmar H. Maier (Ingenieurgruppe Bauen)

Weitere Informationen:
Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Heilbronner Straße 362, 70469 Stuttgart,
Tel. +49 (711) – 25 06-0, Fax +49 (711) – 25 06-205, stuttgart@lap-consult.com

Ingenieurbaupreis 2016 - Begründung der Jury:
Die Instandsetzung und Verstärkung der Kochertalbrücke erhält den Deutschen Brückenbaupreis 2016, weil dank dieser innovativen und herausragenden Ingenieurleistung die Nutzbarkeit vorhandener Bausubstanz nachhaltig verlängert werden konnte. Die Ertüchtigung dieser Ikone der deutschen Ingenieurbaukunst tilgt nicht nur die Spuren aus 35 Jahren Autoverkehr, sondern verbessert die Standsicherheit und die Dauerhaftigkeit der Brücke über den Ursprungszustand hinaus.

Die Sanierung der Kochertalbrücke zeigt, wie durch geistig-kreative Ingenieurleistungen materiell-bauliche Ergänzungen minimal-invasiv und damit bestandsschonend ausgeführt werden können. Damit ist die gelungene Sanierung wegweisend für die anstehenden Aufgaben im Brückenbau, den vorhandenen wertvollen Bestand zukunftsfähig zu erhalten.
Team Kochertal

Team Kochertal