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Mehrfachbeauftragung | 10/2016

Quartier „Auf der Haid”

Vom Fragment zum Ganzen

Gewinner / zur Weiterbearbeitung empfohlen

metris studio für architektur, stadt und landschaft | Bartels, Erl, Nichtern Partnerschaft mbB Architekt:innen und Stadtplaner:innen

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Entwicklungsperspektive „Auf der Haid“

Der Stadtteil „Auf der Haid“ zeigt sich auf den ersten Blick als eine Art vergessene „Insel“. Durch Verkehrsadern abgetrennt fehlen dem Quartier nicht nur wichtige Verbindungen in die umgebenden Stadträume Freiburgs, sondern auch bedeutende „Leuchttürme“, die den Stadtteil erkennbar machen.
Wie soviele vergessene Inseln erscheint der Stadtteil vielen Menschen vor Ort dennoch als gemütliches, grün eingewachsenes Idyll. Auch dieses Bild sollte bei den konzeptionellen Überlegungen für eine Entwicklungsperspektive nicht verloren gehen.

Analyse
Neben den viel diskutierten Schwächen und Nutzungskonflikten, wie den Hochspannungsleitungen oder den Störungen durch gewerblichen Verkehr, fehlt es dem Stadtteil an gemeinschaftlichen Orten mit denen sich die Menschen auf der Haid indentifizieren können. Vorallem eine ‚Ortsmitte’ als zentraler Quartierstreff wird vermisst.
Darüber hinaus verstecken sich im Stadtteil aber eine ganze Reihe positiver Elemente, wie z.B. viele kleine Fußwege und kaum auffindbare grüne Spielplatzoasen. Auch der Grünraum rund um das Lindenwäldle hat eine freiräumliche Qualität, die noch nicht richtig „auf der Haid“ erkennbar ist. Mit dem Rankackerweg besitzt der Stadtteil eine zentrale Hauptorientierungsachse in Nord-Süd-Richtung.

Rahmenkonzept - vom Fragment zum Ganzen
Die Definition von vier Schlüsselbereichen (1-4) und zusätzlich flankierenden Maßnahmen gründen auf dem räumlichen Konzept einer Stadt der kurzen Wege. Darüber hinaus verfolgt das Rahmenkonzept die Förderung sozialer Nachhaltigkeit und schlägt den Ausbau von gemeinbedarfsorientierten Angeboten vor, die zu einem großen Teil nachbarschaftlich getragen werden. Maßnahmen im öffentlichen Raum sollten vorallem auf die gesellschaftlichen Gruppen abgestimmt sein, die in besonderer Weise auf ihn angewiesen sind, wie z.B. Kinder und Senioren.
Der Grünbereich „Am Lindenwäldle“ (1) wird nach Osten erweitert und zum neuen „Haidpark“ qualifiziert. Mit den vorgelagerten erhöhten Baufeldern entsteht entlang der Straße „Am Lindenwäldle“ ein prägnanter Ortsrand, dessen öffentliche Zwischenräume das Quartier mit dem Mehrgenerationenpark verknüpfen. Der „Haidpark“ ist lebendiger Teil des übergeordneten Grünzugs, der den Stadtteil mit der Dreisam vernetzt.
Mit der Umgestaltung des Hurstwegs (2) zu einer „Allee der Nachbarschaft“ erhält der Stadtteil in Ost-West-Richtung eine weitere Hauptorientierungsachse. Autoarm als shared-space gestaltet werden mit dieser Allee wichtige gemeinschaftliche Einrichtungen zentral miteinander verbunden. Sie fördern vorallem den Gedanken „neuer Nachbarschaften“ auf der Haid. Am westlichen Ende befindet sich der „Haidpark“, mit Jugendtreff und dem Haus der Vereine. Im Zentrum des Quartiers (Hurstweg - Ecke Rankackerweg) entsteht ein Seniorenzentrum mit Nachbarschaftstreff und Café oder kleiner Bäckerei. Am östlichen Ende des Hurstwegs direkt am Fahrradschnellweg Richtung Innenstadt formuliert ein Makerspace mit Fahrradwerkstatt die Schnittstelle zum bestehenden Gewerbe und Handwerk.
Die Hauptorientierungsachse Rankackerweg (3) wird zur „Straße der Möglichkeiten“.
An der Kreuzung zum Hurstweg entsteht die Quartiersmitte. Als Impuls ist diese Neubebauung von besonderer Bedeutung für die mittel-bis langfristige Ansiedlung von Dienstleistung und Handel als Primärnutzung in den Erdgeschosszonen entlang des Rankackerweges. Die Quartiersmitte kann an dieser Stelle mit Bäckerei, Eisdiele und einem Ärztehaus angereichert werden. Eine zentrale Bushaltestelle würde die Anbindung an den ÖPNV an zentraler Stelle stärken. Stadträumlich wichtig ist die Ausbildung von architektonisch ansprechenden Stadteingängen im Norden und Süden des Rankackerweges sein.

Mit dem Lückenschluss der Straße parallel zur Bahnlinie werden die Sackgassen aufgelöst und der gewerbliche Verkehr auf die Erschließungsschleife gebündelt.
Der Errichtung eines Makerspace „Ostpol“ (4) setzt den ersten Umbauimpuls am östlichen Quartiersrand. Langfristiges Ziel ist die Schaffung klarer Raumkanten. Eine neue gewerbliche Randbebauung bietet konstruktiven Schallschutz für die dahinterliegende Wohnnutzung.

Wichtigste flankierende Maßnahme ist die Vernetzung der vielen kleinteiligen Wege zu einem intakten Wegenetz für Fußgänger.
Gleichzeitig erfolgt eine klare Differenzierung des Straßensystems im Quartier. Dem Rankackerweg als Haupterschließungsstraße des Quartiers ordnet sich eine Erschließungsschleife als Sammelstraße für die Anwohner unter (Auf der Haid-Am Lindenwäldle-Haierweg-Lückenschluss an der Bahnlinie) und die restlichen Wohnwege.

Städtebaulicher Entwurf
Der städtebauliche Entwurf folgt in den Vertiefungsbereichen dem Leitbild einer vorwiegend offenen, kleinteiligen Bebauungsstruktur. Ausdifferenzierte Baukörper, die die Maßstäblichkeit des Ortes respektieren, bieten einen Mix unterschiedlichster Wohnungsgrößen. Der Entwurf strebt mit unterschiedlichen Gebäudetypologien für diversifizierte Nutzergruppen eine soziale Durchmischung an. Freifinanzierter Geschosswohnungsbau und sozial geförderter Wohnraum mischen sich baufeldweise. Die Baufelder der Vertiefungsbereiche öffnen sich und stehen für die weitere Vernetzung der bestehenden Fußwege zur Verfügung.
Auf den Grundstücken der städtischen Wohnungsgesellschaften am Lindenwäldle kommt es zu einer Neuordnung der Bebauung. In den „Haidpark“ schieben sich drei neue polygonale Baufelder. Unterschiedlich große Baukörper bilden jeweils eine Hausgruppe. Ein gemeinsamer Sockel mit integrierter Tiefgarage trennt den halböffentlichen Raum der Wohnanlage vom öffentlichen Freiraum des Parks.
Der „Haidpark“ wird zum Mehrgenerationenpark mit einem vielfältigen Bewegungsangebot von Boulebahn bis Bolzplatz. Darüber hinaus entsteht eine attraktive, hügelige Lärmschutzlandschaft vor den Wohnungsbauten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag entwickelt überzeugend eine ausdifferenzierte Gesamtstrategie für das Quartier. So werden Vorschläge für die Ränder und die Quartierseingänge zur Verbesserung der Wahrnehmung des Quartiers gemacht. Es wird eine klare Vorstellung zur Vernetzung mit den umliegenden Stadtteilen skizziert. Das Erschießungskonzept zeigt nachvollziehbar die Haupterschließung im Zuge des Rankackerwegs und einen Erschießungsring über die Straßen „Auf der Haid“ und Haierweg. Die für den Ring notwendige Schließung an den Hagelstauden ist, auch in Verbindung mit dem bestehenden Hauptradwegenetz, denkbar. Insbesondere die Allee der Nachbarschaft als Rückgrat im Gebiet ist entlang des Hurstwegs gelungen
vorgetragen und kann wichtige Impulse in den drei Vertiefungsbereichen geben.
Die vorgeschlagenen Bebauungsinseln im Vertiefungsbereich A bilden für die dortigen Bewohner interessante Kleinquartiere mit vielfältigen Wohntypen, die sich aber wie selbstverständlich aus den Nachbarschaften heraus entwickeln. Dies stellt eine gute städtebauliche Setzung dar. Die Einordnung von zentralen Funktionen wird hier als überzogen kritisiert, auch scheint die Anzahl der angebotenen Wohneinheiten noch als zu gering. Der großzügig angelegte „Haidpark“ am Lindenwäldle lässt viele gute Wohnlagen entstehen und wirkt als positiver grüner Imagegeber für das Gesamtquartier. Zudem ist er über die „Allee der Nachbarschaft“ bestens mit dem Quartier verknüpft. Der Erhalt der wertvollen Baumgruppe/ dem Wäldchen wird begrüßt.
Die im Vertiefungsbereich B platzierte Quartiersmitte bildet einen gut proportionierten Raum aus, der sich in seiner Orientierung gut auf die Nachbarbebauung und die „Allee der Nachbarschaft“ bezieht. Die vorgeschlagene Bebauung im Vertiefungsbereich C ist nachvollziehbar. Die räumliche Erweiterung der Allee der Nachbarschaft an der Bahntrasse ist konsequent entwickelt. Den Vorschlag einer Querung der Bahnanlage bleibt die Arbeit jedoch schuldig. Insgesamt ist die Arbeit von hoher Qualität und ein gelungener städtebaulicher Beitrag zur Klärung der komplexen Aufgabenstellung. Das Konzept erscheint geeignet, das Quartier „Auf der Haid“ maßvoll nachzuverdichten und weiterzuentwickeln.
Es wird empfohlen, die Arbeit zur Grundlage der weiteren Planung zu machen.