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Award / Auszeichnung | 07/2017

DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen" 2017

50Hertz Netzquartier

DE-10557 Berlin, Heidestraße 2

Finalist

LOVE architecture and urbanism ZT GmbH

Architektur

kadawittfeldarchitektur

Architektur

Kinzo Architekten GmbH

Innenarchitektur

MAN MADE LAND

Landschafts- / Umweltplanung

50Hertz Transmission GmbH

Bauherren

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Büro-, Verwaltungsbauten

  • Projektgröße:

    24.822m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 02/2014
    Fertigstellung: 09/2016

Projektbeschreibung

An dem internationalen, nicht offenen Wettbewerb für das neue Netzquartier von 50Hertz in Berlin beteiligten sich 18 Architekturbüros. Nachdem die erste Phase im Januar 2013 zwei Sieger hervorbrachte, konnten sich LOVE architecture and urbanism mit ihrem Entwurf gegen das dänische Architekturbüro Henning Larsen Architects durchsetzen. Weitere Wettbewerbsteilnehmer waren unter anderem NO.MAD Arquitectos (Madrid), Sauerbruch Hutton (Berlin), Hadi Teherani Architects (Hamburg), Kleihues + Kleihues (Berlin) und Müller Reimann (Berlin). Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin, freute sich anlässlich der Wettbewerbsentscheidung, „dass 50Hertz ein Gebäude ausgewählt hat, welches alles andere als Investorenarchitektur ist, das nach innen und außen Offenheit ausstrahlt und ein starkes Signal für den Kunst-Campus in der ‚Europacity‘ setzt“. Jury-Vorsitzender Markus Allmann unterstrich, dass das Projekt geradezu ideal die Ansprüche von 50Hertz an Offenheit und funktionelle Flexibilität erfüllt.

STANDORT
Der Bauort zeichnet sich durch seine prominente Lage in der Berliner Innenstadt aus: angrenzend an das Museum für Gegenwartskunst und das Kulturareal „Am Hamburger Bahnhof“. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Berliner Hauptbahnhof, sowie das Parlaments- und Regierungsviertel mit dem Bundeskanzleramt, dem Bundestag sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

GEBÄUDEKONZEPT
Das „50Hertz Netzquartier“ nimmt die volumetrischen Vorgaben des städtebaulichen Masterplans (B-Plan-Entwurf) auf. Architektonisch präsentiert sich das Bauwerk als Überlagerung von drei verschiedenen Strukturen: dem horizontalen Rhythmus der Geschoßebenen, dem außenliegenden Tragwerk (netzartige Struktur), und den innenliegenden orangenen Kernen. Die tiefen Geschossplatten bieten Raum für unterschiedlichste Bürokonzepte. So kann jede Abteilung und jedes Team maßgeschneiderte Raumaufteilungen nutzen. Jedes Geschoß bietet mehrere Balkone als Freibereiche, die als Arbeitsplatz, zur Kommunikation oder zur Kurz-Erholung genutzt werden können. Das statisch voll wirksame außenliegende Tragwerk aus weißen Stahl-Verbundstützen (Dia-Grid) ermöglicht stützenfreie Innenräume entlang der Fassade und somit eine flexible Innenraumnutzung. Das Tragwerk bestimmt seine Gestaltung. Das Fachwerk bildet ein Netz aus regelmäßig angeordneten diagonalen Stützen, das den Unternehmenszweck von 50Hertz (Netzbetreiber) abstrakt symbolisiert und eine Referenz an das Eisenbahnareal mit seinen Stahlbrücken und Viadukten rund um den Hamburger und Lehrter Bahnhof darstellt. Aus der regelmäßigen Diagonalstruktur wurden einzelne Stützen entfernt. Einzige Bedingung dabei war, dass eine noch leicht zu bewältigende freie Spannweite von rund 8,3 m im Kragplattenbereich nicht überschritten werden durfte. Diese spielerische Herangehensweise führte zu einem geometrisch komplex verwobenen äußeren, ein Fachwerk aus druck- und zugbelasteten Stützen. Die orangenen Kerne lenken den Blick durch das außenliegende Netz tief in das Innere des Gebäudes. In den Kernen sind alle Lifte, Treppenhäuser, Schächte, Haustechnikräume und, WCs gebündelt. zwei der drei Kerne sind leicht gekippt. Teil der neuen Unternehmenszentrale ist auch die Ersatz-Leitwarte (RCC, Reserve Control Center) des Unternehmens. In Planung und Umsetzung wurde daher mit dem RCC ein besonders anspruchsvolles Sicherheitskonzept berücksichtigt.

FLEXIBLE BÜROLANDSCHAFT
Der Entwurf schafft Räume, die den angestrebten Kulturwandel des Unternehmens hin zu einer offeneren sowie dialog- und teamorientierteren Arbeitsweise Rechnung tragen. Die Idee des mit Outdoor-Workspaces durchzogenen, tiefen Baukörpers ermöglicht die Gestaltung von verschiedenen Nutzungskonzepten. Jedes liefert einen anderen Workflow, eine andere Arbeitsplatzqualität und -atmosphäre. Jedes Layout steht für ein anderes Verhältnis zwischen konzentriertem Arbeiten, informeller Kommunikation und Gärten (Outdoor-Workspaces). Während der Planung konnte jede Abteilung des Unternehmens ihr Arbeitsumfeld selbst definieren. Kein Geschoss des Hauses gleicht einem anderen – es entstanden verschiedene Arbeitswelten mit individuellen Qualitäten.

NÄCHTLICHES BELEUCHTUNGSKONZEPT
Nachts werden einzelne Stützensegmente des außenliegenden Tragwerkes illuminiert und es entstehen dynamische Linien, die an Sinuskurven erinnern. So wird in der Dunkelheit aus einer Netzstruktur eine Linienstruktur und das Erscheinungsbild des Bauwerkes wandelt sich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das im September 2016 in Betrieb genommene 24.000 m² große Verwaltungsgebäude 50Hertz Netzquartier wird von dem Bauherrn 50 Hertz Transmission GmbH vollständig selbst genutzt. Das Unternehmen mit rund 1000 Mitarbeitern, davon 700 Arbeitsplätze im Netzquartier, wächst kontinuierlich. Unternehmenszweck des Netzbetreibers ist die Sicherstellung und Verteilung von Strom, der Name ist aus der Frequenz der Wechselspannung im Stromnetz abgeleitet. Das Wirken des Unternehmens ist in aller Regel für die Bevölkerung nicht wahrnehmbar, deswegen sollte ein Gebäude entstehen, das dieses sichtbar macht und den Wandel der Unternehmenskultur zu mehr Transparenz, Offenheit und Kommunikation fördert. Neben den Büronutzungen sind eine Ersatzleitwarte und ein Mitarbeiterrestaurant, welches auch als Netzwerkfläche genutzt wird, sowie ein Konferenzbereich enthalten. Aufgrund der Tätigkeiten im Gebäude und insbesondere wegen der Ersatzleitwarte sind teilweise sehr hohe Sicherheitsstandards vorhanden.

Das 50Hertz Netzquartier präsentiert sich als feingliedriger, 14-geschossiger Baukörper, welcher die stark volumetrische Sprache des Masterplans aufnimmt. Die Funktion ist in der Gestaltung der Fassade mit dem außenliegenden, dominierenden Tragwerk ablesbar, die Anordnung folgt der 50-Hertz-Sinus-Schwingung.
Erneuerbare Energie wird vom Gebäude mit Solaranlagen und Windrädern auf dem Dach selbst erzeugt, zusätzlich wird Abwärme genutzt. Das Gebäude wird mit Bauteilaktivierung geheizt und gekühlt. Die Lüftung erfolgt impulsarm über den Fußboden. Aufgrund der großflächigen Verglasung wurden im Fassadenbereich Heiz-Kühlsegel an der Decke angebracht. Sie dienen dazu, schnell auf Temperaturschwankungen zu reagieren. Für Mitarbeiter und Besucher ist für E-Bikes und E-Cars eine E-Mobility Zone eingerichtet worden.

Während der Planung konnte jede Abteilung ihr Arbeitsumfeld in einem partizipativen Verfahren mit den Innenarchitekten in großen Teilen selbst definieren. Es entstanden verschiedene Arbeitswelten mit unterschiedlichen Funktionen und Qualitäten. Der weitgehend stützenfreie Baukörper erhält durch das Versetzen einzelner Fassadenelemente in Richtung Gebäudemitte vorgelagerte Freibereiche. Diese Loggien können als Erholungs- aber auch als Arbeitsbereich genutzt werden. Überhaupt sind alle Arbeitsplätze und Rückzugsräume flexibel nutzbar. Alle Mitarbeiter sind mit Laptops und mobilen Kommunikationsgeräten ausgerüstet. So ist es möglich, dem Workflow angepasste Teams ohne großen infrastrukturellen Aufwand zu bilden. Zusätzlich wurden informell-kommunikative Netzwerkflächen und Garten-Zonen gebaut.

Dem 50Hertz Netzquatier gelingt es, die anspruchsvollen Herausforderungen des nachhaltigen Bauens mit einer architektonischen und städtebaulichen Identität zu verbinden, die dem Unternehmen nun eine neue Heimat gibt, die das widerspiegelt, was in dem Unternehmen geschieht. Das Bauwerk strahlt dabei zugleich einen Zukunftsoptimismus aus, der in der extrovertierten Fassade und der großflächigen Verglasung sichtbar wird. Es beweist, dass Nachhaltigkeit und eine Energieoptimierung nicht einhergehen muss mit vermeintlich langweiliger, unauffälliger und „vernünftiger“ Architektur. Aus diesen Gründen hat die Jury das 50Hertz Netzquartier für den diesjährigen DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“ nominiert.