Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern setzt einen vorläufigen Schlusspunkt unter einen monatelangen Vergabekrimi. Dass dieser teilweise öffentlich debattiert wurde, ist ein gutes Zeichen. Denn unterm Strich sorgt jeder „Skandal“, jedes Nachprüfungsverfahren und die daraus folgenden Erkenntnisse für mehr Transparenz im Vergabedschungel.

„Wir werden jetzt genau prüfen, unter welchen Kriterien aus den drei Gewinnern eine rechtssichere Entscheidung getroffen werden kann“, erklärt der Geschäftsführer der auslobenden Gasteig München GmbH. Mit Verlaub: Das kommt einer Bankrotterklärung gleich. Warum erst für Rechtssicherheit sorgen, nachdem drei Architekturbüros mitsamt Fachplanern sowie eine ganze Stadt durch ein Nachprüfungsverfahren mussten? Sollte ein Auslober das nicht im Vorfeld tun, zumal in einem Projekt von so großer öffentlicher Bedeutung? Wie konnte es dazu kommen, dass erfahrene Politiker, Architekten und Stadtplaner sehenden Auges – denn an Mahnern hat es nicht gemangelt – in solch ein Fiasko laufen? Weil sie, wie Gerhard Matzig in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, darauf vertrauten, dass alle zur Vernunft kommen und sich einigen?

"Gemeinwohl darf kein Vorwand für Rechtsbruch sein."

Man dürfe aus dem Gasteig keinen Fall für die Paartherapie machen, schrieb Matzig Ende Oktober 2018 in seinem Kommentar. Der Gasteig-Chef Max Wagner sei ein umgänglicher und vernünftiger Mensch, der Architekt des Bestandsbaus Eike Rollenhagen sei ein umgänglicher und vernünftiger Mensch, „und die Architekten des aktuellen Wettbewerbs kennt man allesamt auch nur als umgängliche und vernünftige Menschen“. Baukultur sei nicht das, was die Gerichte sagen, sondern das, was Architekten und Bauherren gemeinsam zum Wohl einer Stadt leisten, so Matzig weiter.

Der jetzige Beschluss der Vergabekammer Südbayern zeigt: Baukultur darf nicht vom guten Willen umgänglicher und vernünftiger Menschen abhängig gemacht werden. Denn sie fußt eben auch auf einer guten Vergabe- und Verfahrenskultur. Die wurde im Fall Gasteig, so jedenfalls die Vergabekammer Südbayern, zu lax gehandhabt.

"Man kann Auer Weber und Wulf Architekten nur danken, dass sie den aufwändigen und exponierenden Weg des Rechtschutzes gegangen sind."

Angebliches Gemeinwohl darf kein Vorwand für Rechtsbruch sein. Wie gut, dass es Architekten gibt, die sich aus der Deckung wagen und rügen! Wir brauchen mehr davon, denn sie tragen zur Verfahrenskultur und damit zur Baukultur bei. Es war nicht lauter, Auer Weber und Wulf Architekten mit der Vernunft zu konfrontieren und mit dem Hinweis darauf, welche Konsequenzen eine Zurücksetzung des Verfahrens für die Stadt München und ihre Bewohner hätte. Entsprechend zurückhaltend liest sich übrigens die Stellungnahme der beiden Büros: „Die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens hat sich als berechtigt erwiesen.“

Man kann Auer Weber und Wulf Architekten nur danken, dass sie sich nicht damit abgefunden haben und den unbequemen, da aufwändigen und exponierenden Weg des Rechtschutzes gegangen sind. Niemand klagt, weil er nichts Besseres zu tun hat. Hier geht es um Rechte, es geht um Transparenz. Wir haben ein gutes Vergaberecht, um das uns Architekten in vielen Ländern beneiden. Man muss es aber durchsetzen. Und dazu braucht es mutige Architekten.

Dass alle Beteiligten vernünftig und umgänglich sind, zeigt sich nun übrigens daran, dass sie den Beschluss der Vergabekammer akzeptieren und auf eine Beschwerde vor dem Oberlandesgericht verzichten.

Wie bewerten Sie die Causa Gasteig?

Schreiben Sie uns!