„Heben Sie die Bürotüren aus den Angeln oder verzichten Sie gleich ganz auf diese!“, forderte unlängst der Vorstandsvorsitzende der AXA Deutschland, Alexander Vollert, die Führungskräfte deutscher Unternehmen auf. „Wir bei AXA werden zukünftig an allen Standorten mit dem Programm New Way of Working (NWoW) daran arbeiten, den Austausch und die Zusammenarbeit zu verbessern“, schrieb Vollert im Businessportal XING. Dafür schaffe das Unternehmen kreative Arbeitsumgebungen, die den richtigen Rahmen für die jeweilige Tätigkeit bieten. Er selber sei bereits zusammen mit seiner Sekretärin und seinem Assistenten „auf unsere NWoW-Fläche gezogen“.

Kosten sparen ...

In den Führungsetagen großer Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen, ist der Wunsch nach innovativen Raumkonzepten angekommen. Im 2012 fertiggestellten Vodafone-Campus in Düsseldorf, einem der größten realisierten Büroneubauprojekte der vergangenen Jahre in Deutschland, haben nur noch die wenigsten der 5000 Mitarbeiter einen festen Arbeitsplatz. Alle anderen teilen sich ein breites, tätigkeitsspezifisches Arbeitsplatzangebot.

Wie effizient das sein kann, belegen Zahlen aus den vergleichbar organisierten Vodafone-Niederlassungen in Amsterdam und Maastricht: Die Bürofläche wurde bei gleichbleibender Mitarbeiterzahl auf 45 Prozent reduziert, die Unterhaltungskosten sanken um fast 60 Prozent.

In nur wenigen Bereichen wird so konstant an neuen Konzepten gefeilt, wie in der Gestaltung von Büros. Mehr als 40 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten in Büros, hier verbringen sie knapp ein Viertel ihrer Lebenszeit und schöpfen einen Großteil des Bruttosozialprodukts. Wo, wenn nicht hier, sollten sich Architekten, Psychologen und Soziologen, Mediziner, Ökonomen und Prozessoptimierer den Kopf über eine optimale Raumgestaltung machen?

... und in eine fördernde Arbeitsumgebung investieren

Hinzu kommt der ökonomische Druck: Neben den Ausgaben für Personal sind in vielen Unternehmen die Flächenkosten der zweitwichtigste Budgetposten. Geschäftsführungen setzen hier schnell die Effizienzschraube an. Dabei verlieren sie aus dem Blick, dass die Wertschöpfung durch einen Mitarbeiter ein vielfach gewichtigerer ökonomischer Faktor ist als der Quadratmeterpreis pro Mitarbeiter. Sprich: Investitionen in eine fördernde Arbeitsumgebung sind wesentlich lukrativer als Einsparung durch eine möglichst hohe, rein räumliche Flächeneffizienz.

„Der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens liegt in der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft seiner Mitarbeiter, nicht im Optimieren von Quadratmetern“, sagt Martin Kleibrink im Interview mit competitionline. Als Chefarchitekt der Credit Suisse konnte der inzwischen selbständige Büroplaner diesen Ansatz in Pilotprojekten ausprobieren und schließlich erfolgreich auf mehrere Tausend Arbeitsplätze des Schweizer Bankhauses anwenden.

„Natürlich können wir es uns nicht erlauben, verschwenderisch mit teuren Flächen umzugehen“, gibt auch Kleibrink zu bedenken. Es komme jedoch darauf an, Menschen nicht als Kostenstellen zu betrachten, sondern als den wesentlichen Produktivitätsfaktor: „Qualitätsvolle Arbeitsbedingungen hängen nicht nur von Funktionalität und Ergonomie ab, auch das Ambiente muss stimmen, damit sich die Mitarbeiter wohlfühlen und Wertschätzung erfahren.“

Balance zwischen Gruppe und Distanz herstellen

Wie aber fühlen sich Mitarbeiter wohl und wertgeschätzt? Nach dem Kommunikations- und Begegnungszonenhype der vergangenen Jahre mit Kicker, Fitnessraum und Clubsessel-Espresso-Lounge zeigt sich mittlerweile: Das, was Mitarbeitern in Büros häufig am meisten fehlt, ist Ruhe. So hat eine Untersuchung in der Gaming-Branche der USA ergeben, dass die erfolgreichsten Entwickler über Arbeitsplätze mit ausreichend Privatsphäre verfügen, die weniger erfolgreichen nicht. Entsprechend häufig klagen sie über Unterbrechungen.

Der Mensch benötige eine Balance zwischen Gruppe und Distanz und eine Möglichkeit, diese zu regulieren, betont auch der Arbeitspsychologe und -mediziner Michael Kastner. „Wir brauchen unsere Höhle, das Gefühl von Geborgenheit und Stabilität.“ Es gebe schließlich nicht nur Teamarbeit und informellen Austausch in der Innovationsecke, sondern auch Aufgaben, die alleine gelöst werden müssen.

Büroplaner Kleibrink plädiert folgerichtig dafür, dass unterschiedliche Arbeitsplatzszenarien für verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten zur Verfügung gestellt werden. Mehr und vielfältigere Platzangebote seien aber nur durch Teilen und non-territoriale Nutzungsstrategien möglich.

Grafik 1: Zukünftiges Aufkommen im Neubau von Bürotypen. Der Trend geht
weg von Standardzellen- und Einzelbüros hin zu Open Space und
reversiblen Büros, die sich mit geringem Aufwand verändern lassen.

Grafik 1: Zukünftiges Aufkommen im Neubau von Bürotypen. Der Trend geht weg von Standardzellen- und Einzelbüros hin zu Open Space und reversiblen Büros, die sich mit geringem Aufwand verändern lassen.

Und was sagen die Zahlen?

Eine Studie der IVG Immobilien AG zeigt: Der Trend geht weg von den traditionellen Büroräumen hin zum Open Space, also zur offenen Bürolandschaft, und zum reversiblen Büro, das sich mit geringem Aufwand verändern lässt (siehe Grafik 1). In Deutschland jedoch verfügen nur zehn Prozent der Unternehmen über eine entsprechende Bürogestaltung.

Eine stichprobenartige Überprüfung von zehn Auslobungen von Büroneubauten auf competitionline.com bestätigt, wie träge sich der Markt anpasst: Sieben Auslober forderten herkömmliche Zellen-, Großraum- oder Kombibüros. Nur ein Objekt sollte einen Arbeitsbereich nach den Grundsätzen des Open Space erhalten, zwei Bauherren wünschten Raumnutzungskonzepte mit interaktiven und kommunikativen Zonen.

Grafik 2: Vom 1. November 2016 bis zum 31. Oktober 2017 wurden auf
competitionline.com insgesamt 460 Ausschreibungen von Büro- und
Verwaltungsbauten veröffentlicht. Der Anteil der Wettbewerbe ist
gegenüber einer Auswertung des Kalenderjahres 2013 um über zehn Prozent gesunken.

Grafik 2: Vom 1. November 2016 bis zum 31. Oktober 2017 wurden auf competitionline.com insgesamt 460 Ausschreibungen von Büro- und Verwaltungsbauten veröffentlicht. Der Anteil der Wettbewerbe ist gegenüber einer Auswertung des Kalenderjahres 2013 um über zehn Prozent gesunken.

Die Auswertung der Ausschreibungen von Büro- und Verwaltungsgebäuden aus den zurückliegenden zwölf Monaten wiederum zeigt, dass der Anteil der Wettbewerbe bei architektenrelevanten Leistungen mit 18 Prozent nur drei Prozent über dem Durchschnitt aller Gebäudetypen liegt (siehe Grafik 2). Dabei handelt es sich, folgt man Martin Kleibrink, doch gerade um einen Bereich, bei dem sich der Mehrwert guter Planung für Unternehmen unmittelbar auszahlt, es also nicht auf Lösungen von der Stange ankommt, sondern auf maßgeschneiderte Entwürfe.

Der Wert guter Bürogestaltung

„Die Gestaltung von innovativen und innovationsförderlichen Arbeitsumgebungen stellt [...] ein mächtiges Managementinstrument dar, um den steigenden Anforderungen aus Mitarbeiter- und Unternehmensperspektive erfolgreich zu begegnen“, schreibt das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart mit Blick auf ihr Forschungsprojekt Office 21. Den Zusammenhang zwischen „Office-Design“ und „Office-Performance“ belegt es mit einer eindrucksvollen Zahl: Demnach sorgt eine durchdachte Bürogestaltung für 36 Prozent mehr Leistung der Mitarbeiter. Wenn das kein Argument für gute Gestaltung und mehr Wettbewerbe ist!