Die Büros haben sich im Homeoffice zurecht geruckelt, die Sehnsucht nach Normalität ist groß. Auch wir planen den Einstieg aus dem Ausstieg und gehen – Sie erkennen es am Titel – vom täglichen auf ein unregelmäßiges Format für Neuigkeiten rund um Corona über – abgesehen freilich von wichtigen Meldungen, über die wir für Sie auch weiterhin in Einzelartikeln berichten. Mit Spannung etwa dürfen Sie noch diese Woche die Auswertung unserer Corona-Unfrage erwarten, an der sich – so viel sei verraten – genau 497 Planer*innen beteiligt haben. 

Welche Folgen hat die Corona-Krise für Architekt*innen in anderen Ländern?

In Frankreich sind sie denkbar schlecht in die Ausnahmezeit gestartet. Nachdem die Regierung am 17. März eine Ausgangssperre beschlossen und einen Baustopp verhängt hatte, einigte sie sich wenige Tage später mit den Verbänden der Bauwirtschaft und des Handwerks auf eine eingeschränkte Wiederaufnahme der Bautätigkeiten. Doch die Verhandlungspartner hatten die Rechnung ohne die Architekt*innen gemacht. Diese waren bei der Einigung einfach übergangen worden und drohten nun den Beschluss zu boykottieren. „Die Architekten lehnen es ab, sich angesichts der aktuellen Gesundheitsrisiken als Geiseln einer rein ökonomischen Entscheidung nehmen zu lassen“, schrieb der Präsident der wichtigsten Architekt*innen-Gewerkschaft Unsfa in einer öffentlichen Stellungnahme. Und der Präsident der französischen Architektenkammer Denis Dessus drohte: „Wir haben die Baustellen dichtgemacht, und ohne uns wird es keine Wiederaufnahme geben.“ 

Was sich sonst noch tut

  • Das Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen im Immobilienbereich JLL (Jones Lang LaSalle) kürzt im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie Gehälter. In Deutschland und einigen anderen Ländern „ergreift JLL Vergütungsanpassungen innerhalb der jeweiligen arbeitsrechtlichen Richtlinien“, heißt es in einer Mitteilung. 
    Auch aus der Architektenbranche erreichen uns erste Meldungen von Kündigungen, Zwangsurlauben und Zwangsteilzeit. Diese konzentrieren sich bislang vor allem auf Büros, die von großen privaten Bauherren abhängig sind.
  • Der Möbelhändler Ikea spendet Matratzen, Möbel, Aufbewahrungsboxen und Textilien aus seinem Sortiment in einem Wert von 1,5 Millionen Euro für Behelfskrankenhäuser sowie Not- und Gemeinschaftsunterkünfte. „In einem ersten Schritt gehen wir jetzt auf die Kommunen, Organisationen und Vereine zu, um den konkreten Bedarf im Einzelfall abzuklären“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung. Bisher hat das Unternehmen bereits unentgeltlich Geschirr an ein Pflegeheim sowie Betten und Spielsachen für eine Kindernotunterkunft bereitgestellt.
  • Die Berlin-Brandenburgische Baubranche fordert vereinfachte Genehmigungsverfahren. Im Moment sei die Lage noch gut, doch perspektivisch drohe auch auf dem Bau Stillstand: „Wir können bauen, wir haben auch die Kapazitäten“, sagte Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, dem Sender rbb. Die Bauämter kämmen allerding mit den Baugenehmigungen nicht hinterher. Deren Mitarbeiter seien zu 90 Prozent im Homeoffice, „können von dort aus aber faktisch nicht arbeiten.“ Schreiner fordert daher von den Behörden in Berlin und Brandenburg: „Genehmigungsverfahren vereinfachen! Das bürokratische Vergaberecht aussetzen und freihändig vergeben: Drei Angebote hereinholen und den Besten bezuschlagen.“
  • Die Architekten- und Ingenieurkammern der Länder wenden sich unter Federführung von BAK und BIngK mit einer Umfrage zu den Folgen der Corona-Pandemie an ihre Mitglieder. Die Befragung wird vom 6. April bis zum 10. April 2020 als Online-Befragung durchgeführt. 
    Die Ergebnisse der competitionline-Umfrage zur Corona-Krise lesen Sie bereits diese Woche auf competitionline.

Derweil hat die französische Regierung die strikte Ausgangssperre bis zum 15. April verlängert. Ähnlich wie in Deutschland steht französischen Architekt*innen, die durch Corona in existenzielle Notlage geraten, ein umfangreiches Paket an Hilfsmaßnahmen der Regierung zur Verfügung. Diese reichen vom Aufschub bzw. Staffelung von Zahlungen für Sozialbeiträge, Steuern und Versorger über Steuerentlastungen, Zuschüsse in Höhe von bis zu 3500 Euro für bedrohte Kleinstunternehmen und Selbstständige bis hin zu Kurzarbeitergeld  und der Liquiditätssicherung mittlerer und großer Unternehmen. Die französischen Banken haben zudem eingewilligt, die Rückzahlung bestehender Firmenkredite gebührenfrei um sechs Monate zu verlängern.

Außer regionaler Baustopps läuft die Arbeit weiter

In Luxemburg, Tirol und vielen europäischen Regionen wurden zwar allgemeingültige Baustopps verhängt, flächendeckend drehen sich auf den meisten Baustellen aber die Baukräne weiter – zumindest solange der Nachschub rollt. Denn durch die rigorose Abschottung vieler Länder kommt es zu Lieferengpässen an Baumaterialien.

Im besonders stark betroffenen Italien haben sich die Maßnahmen bereits seit Anfang März zunehmend verschärft. „Zunächst war es noch in Ordnung, auf Arbeit zu gehen“, schreibt die in Mailand arbeitende deutsche Architektin Caroline Purps, „dann kamen die Verbote: Die Straßen wurden immer leerer. Seit zwei Wochen darf man nicht mal mehr spazieren oder joggen. Wir gehen jeden Tag eine Runde um den Block einkaufen, um runterzukommen. Wir zweifeln immer mehr daran, hier zu bleiben, aber unsere Möglichkeiten wegzukommen sind sehr limitiert, das Fortbewegen schwierig. Im Angesicht dessen, was hinter uns liegt, ist der Gedanke an die kommende zweite Quarantäne-Zeit fast unerträglich.“

Architektinnen-Arbeitsplatz in Mailand, einem Zentrum der Corona-Epidemie, das sich derzeit in Woche 3 einer strikten Ausgangssperre befindet.

Architektinnen-Arbeitsplatz in Mailand, einem Zentrum der Corona-Epidemie, das sich derzeit in Woche 3 einer strikten Ausgangssperre befindet.

Im Kontrast zu der belastenden Alltagssituation hat Corona auf ihre Arbeit als Architektin erstaunlich wenig Auswirkungen. Ihr Büro Systematica, das auf die Planung von Mobilitätskonzepten spezialisiert ist, funktioniere uneingeschränkt, die Planungsprojekte laufen weiter, berichtet Purps. Die Kommunikation sei zwar auf virtuelle Medien beschränkt, „aber die Umstellung lief reibungslos“.

Die Belegschaft des Mailänder Spezialisten für Mobilitätskonzepte, Systematica (vor der Ausgangssperre)

Die Belegschaft des Mailänder Spezialisten für Mobilitätskonzepte, Systematica (vor der Ausgangssperre)

Allerdings ist Systematica ein international aufgestelltes, etabliertes Büro. Wie es kleineren, regional operierenden Büros in Mailand geht, kann Caroline Purps nicht sagen. Von dem ebenfalls in Mailand ansässigen Architekturbüro Aarch-mi wisse sie aber, dass auch dort die Geschäfte weiterlaufen. „Mein persönlicher Eindruck ist, dass die mittleren und größeren italienischen Büros von der Auftragslast gut aufgestellt und auch technisch sehr gut darauf vorbereitet sind, ortsunabhängig zu agieren.“

China fährt Wirtschaft wieder hoch

China ist in schlechten wie in besseren Corona-Zeiten den Europäern ein paar Schritte voraus: Das Land versucht gerade zur Normalität zurückzukehren und fährt seine Wirtschaft wieder hoch. Architekt Frank Krüger leitet ein Architekturbüro mit Standorten in Shanghai und Berlin und erlebt die Unterschiede der Virusbekämpfung gerade hautnah. Den Planungs- und Bauprojekten seines Büros hat die Krise zwar eine zweiwöchige Zwangspause, aber auch Erkenntnisgewinne gebracht. „Durch den Zwang zu Online-Meetings sparen wir enorm an Reisekosten und auch an Zeit, die wir sonst im Zug oder am Flughafen verbringen würden“, sagt Krüger. Die Ausnahmesituation nutze sein Büro, um das weiterzuentwickeln und sich „maximal zu digitalisieren“.

Selbst in China wird der Mindestabstand nicht immer eingehalten: Mitarbeiter*innen von Frank Krüger in Shanghai.

Selbst in China wird der Mindestabstand nicht immer eingehalten: Mitarbeiter*innen von Frank Krüger in Shanghai.

Frank Krüger leitet ein Architekturbüro mit Standorten in Shanghai und Berlin und erlebt die Unterschiede der Virusbekämpfung gerade hautnah.

Frank Krüger leitet ein Architekturbüro mit Standorten in Shanghai und Berlin und erlebt die Unterschiede der Virusbekämpfung gerade hautnah.

Europäische Architekten pessimistisch (außer die deutschen)

Trotz der moderaten Rückmeldungen, die wir aus Büros erhalten: Corona hat die europäische Architekturbranche kalt erwischt. Das verdeutlicht der Blick auf das aktuelle Architektenbarometer von Bauinfoconsult. Dazu hat das Marktforschungsinstitut 900 Architekt*innen in Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, Belgien und Polen zu ihrer Umsatz- und Auftragssituation befragt. Demnach haben sich die Umsatzerwartungen europaweit krisenbedingt massiv eingetrübt. Vor allem in Italien und Spanien haben fast 90 Prozent der Architekt*innen Angst ums Geschäft, berichtet die Immobilien Zeitung (IZ). In Deutschland hingegen glaubte Mitte März nicht einmal die Hälfte der befragten Planer, dass das Corona-Virus sie wirtschaftlich ernsthaft infizieren könnte.

Anteile der Architekten, die negative Umsatzeffekte wegen Covid-19 erwarten

Vor dem 13. März 2020

  • Belgien: 6 %
  • Frankreich: 16 %
  • Deutschland: 10 %
  • Italien: 59 %
  • Niederlande: 20 %
  • Polen: 50 %
  • Spanien: 25 %
  • Großbritannien: 34 %

Nach dem 13. März 2020:

  • Belgien: 70 %
  • Frankreich: 58 %
  • Deutschland: 43 %
  • Italien: 88 %
  • Niederlande: 69 %
  • Polen: 61 %
  • Spanien: 86 %
  • Großbritannien: 70 %

Während Spanier und Briten einen Verlust von rund 50 Prozent erwarten, fürchten deutsche Architekt*innen im Schnitt einen Rückgang um 29 Prozent, schreibt die IZ. Das sei der niedrigste Wert unter den befragten Ländern, aber für Deutschland der stärkste Einbruch seit mehr als zehn Jahren Barometermessung.

Die Marktforscher führen die zuversichtliche Stimmung auf die vollen Auftragsbücher und Umsatzreserven sowie auf die schnellen Konjunkturhilfen der Bundesregierung zurück. Seit dem 13. März seien Architekt*innen laut IZ und BauInfoConsult stärker von Projektaufschiebungen betroffen, was auf Ablaufverzögerungen hindeute. Absagen gebe es seit dem 13. März nicht mehr als sonst auch.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen weiterhin viel Erfolg und einen guten Start in die Woche,

Ihr competitionline-Team