Im Vorfeld der Verhandlungen über staatliche Konjunkturmaßnahmen am 2. Juni im Bundeskanzleramt haben die Bundesstiftung Baukultur und die Bundesarchitektenkammer Vertreter*innen der Bundesregierung einen Vier-Punkte-Plan für ein „Innovationsprogramm Baukultur” übergeben. Stellvertretend für die Planungs- und Teile der Bauwirtschaft regen sie darin Maßnahmen zur Überwindung der Corona-Krise an, die „eine nachhaltige volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Wirkung” entfalten sollen”.

Die Vorschläge sehen unter anderem vor, zusätzliche Mittel in Innovation und Zukunftsprojekte der Stadtentwicklung zu investieren, den Klimaschutz im Bau zu fördern, den bestehenden Investitionsrückstau bei der öffentlichen Infrastruktur abzubauen sowie die Vergabe und Genehmigung von Projekten durch eine Verschlankung und Professionalisierung von Strukturen und Prozessen zu beschleunigen.

„Das strukturierte Vorgehen der Politik bei der Covid19-Pandemie, hat Chancen und Notwendigkeiten eines infrastrukturellen Umbaus gezeigt“, sagt Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. Mit einem Bauvolumen von 430,2 Milliarden Euro in Deutschland in 2019 und insgesamt 4,22 Millionen Beschäftigten überflügle das Baugewerbe in seiner makroökonomischen Bedeutung andere Wirtschaftszweige in Deutschland, die jetzt besonders laut nach staatlichen Konjunkturpaketen riefen. „Die Planungs- und Bauwirtschaft kann bei der nun anstehenden Konjunkturbelebung helfen, einen nachhaltig gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen, etwa in den Bereichen Mobilität, Digitalisierung, Wohnen oder Klimaschutz. Die vorgeschlagenen Maßnahmen bieten die Möglichkeit, einen hohen Nutzen für eine zukunftsfähige Daseinsvorsorge und Beschäftigung in Deutschland und Europa zu stiften.“

Gegenüber competitionline warnt Reiner Nagel angesichts der aktuellen Diskussionen um staatliche Konjunkturmaßnahmen davor, einseitig die Konsumgüterwirtschaft zu stützen, etwa durch eine Wiederauflage der Abwrackprämie. Das habe wenig mit Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Innovation zu tun. „Wir sollten die Wirtschaft nicht durch Konsum, sondern durch Investitionen ankurbeln”, so Nagel. „Wir brauchen ein Innovationsprogramm für Quartiersentwicklungen etwa im Rahmen von IBAs, die wir uns bisher nicht getraut haben, anzugehen. Wir müssen das Thema Klimaschutz baulich umsetzen. Wir müssen den bestehenden Investitionsstau in Höhe von 138 Milliarden Euro abbauen. Und schließlich das Ganze mit einer Prozessqualität verbinden, die Verfahrenskultur in Form von Ausschreibungen, Wettbewerben und einer hohen Projektorganisationsqualität berücksichtigt.” 

Bei den anstehenden Maßnahmen der Bundesregierung zur Krisenüberwindung könne die Planungs- und Bauwirtschaft eine konjunkturelle „Lokomotivfunktion“ übernehmen, bei der eine direkte, dauerhafte Wertschöpfung überwiegend in der Region bleibt und vor allem kleine und mittlere Unternehmen gestärkt werden. Themenfelder sind unter anderem die Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen, die Resilienz von Städten sowie neue Gebäudetypologien und immobilienwirtschaftliche Nutzungskonzepte infolge veränderter Arbeitsmodelle und Konsumgewohnheiten.

Die Unterzeichner 

AHO –Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V.
BDA –Bund Deutscher Architekten
BDIA –Bund Deutscher Innenarchitekten e.V.
BDLA –Bund Deutscher Landschaftsarchitekten e.V.
BDVI–Bund der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V.
BFB –Bundesverband der Freien Berufe e.V.
DAI –Verband Deutscher Architekten-und Ingenieurvereine e.V.
DASL –Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung e.V.
Die Stadtentwickler Bundesverband e.V.
DV –Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.
HDB –Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
IfR –Informationskreis für Raumplanung e.V.
VBI –Verband Beratender Ingenieure e.V.
VDV –Verband Deutscher Vermessungsingenieure e.V.
VDMA Gebäudetechnik
VfA –Vereinigung freischaffender Architekten Deutschlands e.V.
VPB –Verband Privater Bauherren e.V.
ZBI –Zentralverband der Ingenieurvereine e.V.
ZDB –Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V.

Laut dem Vier-Punkte-Plan bieten herausragende Stadtentwicklungsprojekte in Deutschland und Internationale Bauausstellungen Podien und Referenzen für die Transformation von (Innen-)Städten hin zu vitalen Städten mit vernetzten Quartierslösungen. Eine Transformation der Städte, beispielsweise durch eine Mobilitätswende, den Ausbau der Städtebauförderung und ein Innenstadtstabilisierungsfonds könne dem weitergehenden Verlust von Attraktivität, Vielfalt, Vitalität und Funktionalität der deutschen Innenstädte entgegenwirken. Eine konsequente Unterstützung innovativer Ansätze bringe Deutschland im Standortwettbewerb voran und versetze öffentliche wie private Bauherren wieder in die Position, mit ihren Bauten Vorbildcharakter zu zeigen.

Der Vier-Punkte-Plan „Innovationsprogramm Baukultur”

1. Zusätzliche Mittel für Innovation und Zukunftsprojekte

Die Corona-Krise muss Innovationsmotor für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen sein. Dazu gehört die Transformation der Städte, etwa mit Blick auf den Klimawandel, veränderte Arbeitsmodelle und neue Mobilitäts- und Konsumgewohnheiten. Eine konsequente Unterstützung innovativer Ansätze kann Deutschland im Standortwettbewerb voranbringen und öffentliche wie private Bauherren wieder in die Position versetzen, mit ihren Bauten Vorbildcharakter zu zeigen.

2. Klimaschutz baulich umsetzen

Der Bausektor kann zum Klimaschutz unter allen Wirtschaftszweigen den größten Beitrag leisten: Er gehört zu den ressourcenintensivsten Branchen, bietet aber gleichzeitig große Einsparpotenziale. Notwendig ist ein Programm für nachhaltiges Wirtschaften, Klimaschutz und den laufenden ökologischen Wandel. Die Forcierung bestehender KfW-Programme zur Förderung der energetischen Sanierung und die gesetzliche Erleichterung ganzheitlicher Modernisierungsansätze können Bauaktivitäten auslösen und gleichzeitig klimapolitische Ziele realisieren.

3. Vorliegende Planungen jetzt realisieren

Vorgesehene und vorbereitete Projekte sollten nun zügig umgesetzt werden. Die zeitliche Befristung der erforderlichen Konjunkturmittel führt dabei zu entsprechendem Handlungsdruck. Die Bauwirtschaft kann aus einer gegebenen Beschäftigungssituation weiter Aufgaben übernehmen und Arbeitsplatzabbau vermeiden. Investitionen der öffentlichen Hand, die den langfristigen Strukturwandel fördern und private Investitionen auslösen, sind aktuell besonders sinnvoll.

4. Solide Basis für wirksame Konjunkturmaßnahmen schaffen

Konjunkturpolitik mit den oben genannten Schwerpunkten lässt sich nur realisieren, wenn alle Akteure in den Stand versetzt werden, die großen Herausforderungen auch tatsächlich schnell und sachgerecht umsetzen zu können. Die beschleunigte Vergabe und Genehmigung vorliegender und vorbereiteter Projekte hätte bereits für sich einen positiven Konjunktureffekt. Die befristete oder dauerhafte Verschlankung von Strukturen und Prozessen sollte gewährleistet werden.