modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 03/2020

Neubau der Volkshochschule Dortmund

Anerkennung

SHA Scheffler Helbich Architekten GmbH

Architektur

v-cube

Visualisierung

Modellwerkstatt Mijalski + Nasarian GmbH

Modellbau

Erläuterungstext

Mit dem Neubau der Volkshochschule Dortmund besteht die Möglichkeit, den exponierten Standort zwischen Brinkhoffstraße und Königswall mit einer kompakten Gebäudeform präzise neu zu besetzen und so die städtebaulich klaffende Wunde am Wall zu schließen und einen Kopfbau auszubilden.

Als städtebaulich dienendes Volumen ordnet sich die neue VHS in die vorhandene Stadtstruktur ein, reagiert, indem sie die unterschiedlichen vorgefundenen Gebäudetypologien ergänzt, und vermittelt so mit ihrer ruhigen Grundform in einer heterogenen Umgebung zwischen den städtebaulichen Strukturen.

Während das Gebäude auf der Ostseite zum Wall hin die vorhandene Blockrandbebauung zu einem sauberen Ende führt, bildet es nach Süden zum Park der Partnerstädte hin einen klaren Kopf aus. Auf der Westseite zeigt sich das Gebäude als eigenständige Antwort auf die solitären Gegenüber wie das „Dortmunder U“ und seiner Umgebungsbauten. Gleichzeitig definiert es im Bereich nach dem Tunnel der Brinkhoffstraße zusammen mit dem Punkthaus von Thyssengas einen eigenständigen Stadteingang. Trotz der Anbindung an die Blockrandbebauung am Königswall weist das Gebäude ausreichend solitären Charakter auf, um neben seiner inhaltlichen Funktion auch städtebaulich einen neuen Schwerpunkt an der Straßenkreuzung Brinkhoffstraße/Königswall zu bilden.

Dabei ist das Gebäude bescheiden, gliedert sich ein und findet seine Bezüge im denkmalgeschützten Bestand, mit dem es zukünftig in Symbiose steht: Es nimmt die vorhandenen Geschosshöhen auf und ist somit auf allen Geschossen barrierefrei. Es greift das vorhandene Dach auf und entwickelt hieraus für das Gesamtensemble eine eigenständige Dachlandschaft. Es greift den Oldenburger Klinker auf und entwickelt so aus Alt- und Neubau ein gemeinsames Ganzes.

Die Mitte des Gebäudes bildet ein gestaffeltes Atrium über allen Etagen mit Lernterrassen, die das klassische Raumangebot der Seminarräume durch unterschiedliche Bewegungs-, Erweiterungs- und Möglichkeitsflächen ergänzen. Gerade diese offenen und belebten Zonen vernetzen die unterschiedlichen Angebote des Gebäudes horizontal und vertikal, indem sie einerseits offene Lernlandschaften außerhalb der Seminarbereiche bilden, andererseits durch die vertikalen Sicht- und Wegeverbindungen eine gemeinsame Mitte definieren. Sie erweitern das übliche Raumprogramm auf die Podeste und machen somit das Lernen sichtbar.

Die Kursräume auf den Etagen gliedern sich umlaufend um diese gemeinsame Mitte, liegen alle an der Außenfassade und verfügen daher über ideale Lernbedingungen mit maximaler Tageslichtnutzung. Je nach Himmelsrichtung geben die horizontalen Fenster den Blick auf das „U“, den Platz der Partnerstädte oder auf die Silhouette der Stadt frei. Die grundsätzlich offene Gebäudestruktur und die innenliegenden Kerne ermöglichen auch langfristig flexible Veränderungen der Räume.

Im vorliegenden Konzept sind auf den Etagen jeweils, sich mittels mobiler Trennwände zu öffnende und somit erweiterbare Seminarräume vorgesehen, die in ihrer Unterschiedlichkeit und Flexibilität neue pädagogische Konzepte fördern, bei denen der Raum als dritter Pädagoge zum Einsatz kommt, weil Schule als Lebensort mit hohen Aufenthaltsqualitäten und optimalen Lernbedingungen verstanden wird.

Insgesamt bildet das kompakte Erschließungssystem um die gemeinsame Mitte eine einfach verständliche Orientierung innerhalb des gesamten Gebäudes, weil alle Nutzungen über einen gemeinsamen Flur erschlossen werden. Die Blickbeziehungen innerhalb des Gebäudes in die jeweils anderen Geschosse, sowie durch die offenen Lernlandschaften in die Umgebung, unterstützen diese Orientierung und Offenheit. Die hohe räumliche und architektonische Qualität gibt Bildung und ihren Protagonisten die angemessene Wertschätzung.

Die beiden Eingangsetagen 0 und -1 unterstützen das offene Konzept des kulturellen und sozialen Austauschs, indem die Nutzungen Ankunft, Information, Warten und Café räumlich miteinander vernetzt sind. Der Übergang zwischen den Nutzungen ist fließend, kann aber auch jederzeit aufgrund unterschiedlicher Nutzungszeiten voneinander getrennt werden.

Nach Außen zeigt sich das Gebäude im Erdgeschoss sehr transparent und öffnet sich als weiterer Spieler entlang der Bildungs- und Museumsmeile zwischen dem „U“ und dem Hauptbahnhof seinen Besuchern.

Durch die Ausbildung des Sockels im Bereich der Brinkhoffstraße wird nach Außen der visuelle Bezug zur gegenüberliegenden Leonie-Reygers-Terrasse am „Dortmunder U“ gestärkt. Innenräumlich funktional nimmt der Sockel mit der großen Geschosshöhe das Kochbuchmuseum, die Küchen sowie die großen Mehrzwecksäle auf. Durch die Anordnung im separaten Sockelgeschoss lassen sich vor allem das Kochbuchmuseum und die Mehrzwecksäle auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten der VHS separat betreiben. Es wäre auch eine externe Nutzung der Mehrzwecksäle möglich.

Die Fassade ist als hochgedämmtes Vormauerwerk mit Oldenburger Klinker geplant. Damit nimmt der Neubau die Materialität des denkmalgeschützten Bestandes auf, um aus den beiden Bauteilen Bestand und Neubau ein gemeinsames Ganzes zu erzeugen. Das Material des Klinkers wird mit seiner sehr gleichmäßigen, horizontalen Struktur der profilierten Ziegel neu interpretiert und bildet den Schulterschluss zwischen dem Backsteinensemble am „U“ und dem Denkmal. Um die Unterscheidung zum Bestand ablesbar zu machen, springt das Mauerwerk am Wall um die Stärke des vorstehenden Risaliten zurück. Auch im Bereich der Fenster wird eine große Eigenständigkeit gefunden: Während der Altbau im Wesentlichen die erforderlichen kleinteiligen Büroflächen aufnimmt und dies in der vorhandenen, ebenfalls kleinteiligen Fensterstruktur zeigt, beherbergt der Gebäudeteil des Neubaus die großflächigen Räume, die sich nach Außen durch große liegende Fenster abbilden. Die Sprossenfenster im Bestand werden durch die sehr regelmäßige Anordnung öffenbarer Fensterflügel neu interpretiert. Dies ermöglicht zugleich wirtschaftliche Reinigungs- und Wartungskosten.

Um die monolithische Gestalt des Gebäudes kraftvoll zu unterstreichen, wird das Material des Klinkers auch auf das Dach übertragen und dort in Form von Klinkerschindeln fortgesetzt. Dabei unterstreicht der schräge Traufverlauf die jeweilige städtebauliche Situation im Stadtraum. Das Material der Klinkerschindeln kann in gleicher Weise wie der Mauerwerksklinker die horizontale Fassadenstruktur aufnehmen und ohne weitere statische Unterstützung auf dem Bestandsdach des Denkmals gedeckt werden.

Die erforderlichen Stellplätze werden auf dem nördlichen Grundstücksteil im neu geschaffenen Sockel positioniert. Dabei ersetzt der Sockel die vorhandenen Geländeaufschüttungen in gleicher Höhe, wodurch keine zusätzlichen Abstandsflächen erzeugt werden.

Die notwendigen Fahrradstellplätze werden dezentral angeordnet. Dabei kann der überwiegende Teil der Fahrradstellplätze im Sockel witterungsgeschützt und überdacht angeboten werden.

Energetisches Konzept

Als öffentliches Gebäude hat die neue VHS Vorbildcharakter. Diesem wird der Entwurf auch in den Aspekten des Klima- und Umweltschutzes mit einer großen Werthaltigkeit und Energieeffizienz gerecht, indem das Gebäude als Passivhaus geplant ist.

Das Gebäude wird im Passivhausstandard mit optimierter Tageslichtautonomie vorgeschlagen, einem hybriden Lüftungskonzept aus Nachtauskühlung, Nutzung der thermischen Massen, ein alternatives raumakustisches Konzept und eine regenerative Energieerzeugung auf Basis eines Fernwärmeanschlusses und einer Photovoltaikanlage.

Bei diesem integriert architektonisch-technischen Konzept werden zuerst die baulichen Möglichkeiten voll ausgeschöpft, um die energetischen Anforderungen zu erfüllen. Die zum Einsatz kommende schlanke Technik mit reduzierten Wartungs- und Verbrauchskosten gleicht lediglich die Differenz zwischen Ist- und Soll-Zustand aus.

Das hybride Lüftungskonzept bringt als Grundlüftung Frischluft mit sehr geringer Luftbewegung in die Seminarbereiche ein, die dann über die innenliegenden WC-Bereiche und Garderoben wieder abgeführt wird. Zusätzlich wird der Frischluftanteil CO2-gesteuert über eine Leibungslüftung natürlich als Zwangslüftung in den Pausen reguliert. Zur Erhöhung des subjektiven Komforts können in jedem Seminarraum zusätzlich manuell bedienbare Flügel geöffnet werden. Bezüglich des thermischen Komforts wird ebenfalls ein Low-Tech-Konzept vorgeschlagen, bei der die massiven Betondecken als Speichermasse fungieren, die von einer Betonkernaktivierung unterstützt werden. Anstelle der abgehängten Decken kommen zur Schallabsorption vertikale Akustik-Baffles zum Einsatz, die die Betondecke freihalten und durch die vertikale Stellung ihre akustisch wirksame Fläche erhöhen können.

Ziel ist die Vermeidung von kosten- und wartungsintensiver Technik, um die Lebenszykluskosten gering zu halten.

Zusammenfassend fügt sich das neue Gebäude wie selbstverständlich in seinen städtebaulichen Kontext ein, ohne sich selbst in den Vordergrund zu schieben.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit versucht im äußeren Erscheinungsbild eine Einheit mit dem unter Denkmalschutz stehenden Bestand einzugehen. Die Übernahme von Fluchten, Traufkanten und Dachformen ist hieraus begründet. Eine Eigenständigkeit entwickelt der Baukörper Richtung Süden über die besondere, schräg verlaufende Linienführung der Dachkante. Im Erdgeschoss springt der vor das Denkmal geschobene Baukörper in Gänze zurück. Der Eingangsbereich wird dadurch richtigerweise gut betont. Dies wirft jedoch sowohl statische Fragen auf als auch Fragen der Eigenständigkeit des neuen Baukörpers. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist die starke Vereinnahmung des Bestandes und die fehlende Eigenständigkeit nicht gut vertretbar.
Die Fortführung des Baukörpers mittels einer Sockelausbildung im Verlauf der Brinkhoffstrasse kann hinsichtlich der Einbindung des Studieninstitutes nicht überzeugen. Zwar bietet der Sockel hier die Chance einer Verbindung, allerdings werden die weiteren notwendigen Aussagen zur Behandlung des Studieninstitutes weder gestalterisch noch funktional gelöst.
Das Gebäude nimmt durch seine Materialwahl von roten Klinkern sowohl Bezug zum Denkmal als auch zur Umgebung. Dies ist gut nachvollziehbar, jedoch lässt es eine Eigenständigkeit im Hinblick auf eine Ablesbarkeit von alter und neuer Bausubstanz zur Wahrung der Besonderheit des Denkmals vermissen. Die Fenstergliederung zur Brinkhofstrasse ist in der ruhigen Art angemessen; zum Köningswall jedoch zu wenig eigenständig.
Die Idee der Dachverwandlung kann als 5. Fassade überzeugen. Die dafür sicher notwendigen Eingriffe in den denkmalgeschützten Bestand werden kritisch gesehen.
Über den an der Brinhoffstrasse richtig platzierten und gut auffindbaren Eingang wird ein gut organisiertes Erdgeschoss und ein über eine großzügige Treppe gut angebundenes Untergeschoss erreicht. Die räumliche und funktionale Zuordnung der einzelnen Funktionsbereiche ist sehr gut gelöst.
Auch die Anordnung der Seminarräume in den Obergeschosse, die über das Atrium erschlossen werden, bilden eine gute Orientierung, angemessene Erschließungs- und gut angeordnete Aufenthaltsflächen.
Die unbelichteten Mehrzweckräume, die unbelichtete Lehrküche und einige im Inneren nur über das Atrium zu belichtende Seminarräume können jedoch nicht überzeugen.
Das Gebäude überzeugt neben der überwiegend guten Organisation vor allem auch mit einer sehr guten Kompaktkeit.
Die sehr geringe Hüllfläche lässt ein sowohl energetisch als auch wirtschaftlich effizentes Gebäude erwarten. Der gewählte Passivhausansatz ist nachvollziehbar.
Die Rettungswegführung im Bereich des Atriums scheint lösbar, wird aber zu einem erhöhten Aufwand führen. Die Auskragung ist ungelöst und in der Realisierbarkeit kritisch zu sehen.
Insgesamt stellt der Entwurf einen wichtigen Beitrag dar, der vor allem durch seine gute Organisation und Kompaktheit überzeugt. Die große Vereinnahmung und geringe Eigenständigkeit in Abgrenzung zum Denkmal sprechen jedoch gegen eine Realisierung.
Fassadenteil VHS Dortmund

Fassadenteil VHS Dortmund