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Einladungswettbewerb | 04/2011

Neubau des Hotels Überseetor in Bremen

Hotel Übersee, Entwurf

Hotel Übersee, Entwurf

3. Preis

GSP Gerlach Schneider Partner Architekten mbB

Architektur

Erläuterungstext

Historische Achsen

Das Wettbewerbsgrundstück in der Bremer Überseestadt liegt an einer historisch bedeutsamen Position. Die Kaimauer des 1998 zugeschütteten Überseehafens (Freihafen II) lag nur wenige Meter entfernt. Bis ins Jahr 2002 stand hier über viele Jahrzehnte, ehemals umgeben von zahlreichen Eisenbahnschienen, ein langgezogenes hafentechnisches Betriebsgebäude der BLG. Die noch heute erkennbare Abknickung des Grundstücks und des Gerstaeker-Gebäudes sowie die baulichen Strukturen des Umfeldes sind durch den ehemaligen Verlauf von Gleisanlagen am Rande des Hafenbeckens begründet, welches am Kopf abgeknickt war. Durch die direkte Anbindung der Hafenanlagen an die Eisenbahn, und die damit verbundene Beschleunigung des Umschlags, waren die Bremer Häfen die modernsten Hafenanlagen ihrer Zeit.
Der historisch-städtebauliche Kontext des Planungsgebietes war der Ausgangspunkt für die folgenden planerischen Überlegungen.


Neuausrichtung

Trotz der Demontage von Gebäuden und Gleiskörpern sowie umfassenden Neuanlagen von Straßenverläufen sind die historischen Achsen und städtebaulichen Formationen des Hafens heute noch gut nachvollziehbar. Mit der Errichtung der Parkanlage „Franz-Pieper-Karree“, direkt gegenüber des Wettbewerbsgrundstücks, wurde durch die Symbolisierung des ehemaligen Hafenbeckenkopfes ein wichtiger Baustein zur Erinnerung an die hafengeschichtlichen Wurzeln dieses Ortes gesetzt. Die Straße „Überseetor“ bildet eine neue zentrale Achse orthogonal zur Nordstraße und stellt eine wichtige Komponente zur Anbindung der Überseestadt an den Stadtteil Walle dar.
Aus unserer Sicht ist es sinnvoll und wichtig, die Neubebauung des Grundstücks in die historisch gewachsenen Strukturen zu integrieren und durch eine Drehbewegung des Baukörpers die neu gebildete Achse in Richtung Walle zu betonen.


Dreh- und Angelpunkt

Dieser Entwurf sieht eine Parallelstellung des Hotels zur Straße „Überseetor“ vor. Um einerseits die Gebäudehöhen des Baufeldes aufzunehmen und andererseits adäquat auf die Höhen von Hafenkopfgebäude und Hafenhochhaus zu reagieren, wird eine Staffelung des Gebäudes vorgeschlagen. Es gliedert sich in drei Sockelgeschosse, die auf Höhe der Halle des BLG-Forums abschließen, und vier darüber liegende Geschosse mit geringerer Grundfläche. Der vordere Gebäudeteil an der Kreuzung dreht sich über alle Ebenen auf dem Erdgeschoss leicht aus der Achse Überseetor hinaus, zeichnet die Abknickung des Straßenverlaufs nach und moderiert (latein: moderatio, „die Mitte finden“, „Lenken“) somit zwischen den heterogenen Strukturen des Umfeldes – und setzt einen akzentuierenden „Dreh- und Angelpunkt“.
Die derzeitige Lücke im BLG/ELZ-Ensemble wird einerseits vom geplanten Gebäude und anderseits durch die Aufnahme und Betonung von Sichtachsen geschlossen – unterstützt durch die neuen landschaftsarchitektonischen Elemente. Der straßenrückseitige Bereich zum BLG-Forum wird aufgrund der neuen Aufenthaltsqualität, die durch die Blickbeziehung zur Parkanlage, den schützenden Neubau und die günstige Belichtungssituation (Abendsonne im Hof) entsteht, nicht durch zusätzliche Gebäudeteile belegt. Hier soll eine Grün- und Freifläche entstehen, die durch das Zitat von Gestaltungsmitteln und Materialien des Parks (spitzwinkelige Geometrie, Stahlkanten, wassergebundene Oberflächen, Nadelbäume, etc.) den „Hotelgarten“ an die Umgebung anbindet und durch die Glasfronten des Erdgeschosses auch vom Frühstücksraum aus präsent ist. Der Frühstücksraum selbst teilt sich in zwei Flächen. Der erste Teil vor der Küchenausgabe ist ebenerdig mit der Straße und somit barrierefrei zu erreichen. Der andere Bereich ist um 30 cm erhöht. Dieses Podest entwickelt sich in den Außenraum, ermöglicht im Inneren einen leicht erhöhten Ausblick und dient außen als Terrassenfläche. Im Bereich der Straße Überseetor schafft das Podest mit hölzernen Sitzauflagen eine räumliche Gliederung mit Aufenthaltsqualität und Betonung der Eingangssituation.
Die notwendigen Parkplätze werden am Rand des Grundstücks positioniert, um sie direkt von den grundstücksübergreifend genutzten Verkehrsflächen aus befahrbar zu machen. Auf der Straßenseite zum Überseetor wird durch eine Ausweitung des Bürgersteiges eine Betonung des Eingangs erreicht und durch die Herstellung eines sich erweiterten Vorplatzes mit Sitzmöglichkeiten ein öffentlich-kommunikativer Ort mit Aufenthaltsqualität geschaffen.


Das Hotel

Das Zwei-Sterne-Hotel Garni wird straßengleich über das Erdgeschoss barrierefrei erschlossen. Es werden zwei Eingänge für Besucher vorgesehen: Ein Zugang auf der Straßenseite und einer auf der Hofseite. Es besteht eine separate Anlieferungsmöglichkeit für die Lagerräume an der Stirnseite des Gebäudes und eine Anlieferungsmöglichkeit für den Küchentrakt. Im Erdgeschoss befindet sich ein zentraler Empfangsbereich mit Front- und Backoffice, von dem aus die öffentlichen Bereiche sternförmig auf kurzem Wege erreichbar und einsehbar sind. Dem Empfang gegenüber ist der Küchenbereich mit anschließendem Lager- und Technikraum positioniert. An der verglasten Süd-West-Ecke befindet sich der Frühstücksraum für mindestens 48 Hotelgäste. Die WC-Anlagen für Gäste sind ebenfalls direkt dem Empfangsbereich zugeordnet. Dahinter ordnen sich Lager- und Sozialräume an. Ein Aufzug und ein Treppenhaus im Eingangsbereich führen in die Obergeschosse. Im 1. und 2. OG sind jeweils 15 Doppelzimmer untergebracht. Am Knickpunkt des Gebäudes sind zwei größere Zimmer eingeplant, wovon das eine im 1. OG für Rollstuhlverwender barrierefrei ausgestattet ist und das andere als Familien- oder Mehrbettzimmer mit bis zu vier Schlafplätzen vermietet werden kann. In den fünf darüber liegenden Geschossen sind jeweils 7 Doppelzimmer eingeplant. Im Hinblick auf die Rationalisierung von Gebäudeform, Haustechnik und einheitlicher Ausstattung der Zimmer sind keine reinen Einzelzimmer mit verminderter Grundfläche vorgesehen. Die Zimmer können alternativ mit einem Einzelbett ausgestattet oder als Doppelzimmer mit einer Einzelperson belegt werden.


Baukonstruktion

Um den wirtschaftlichen Erfolg für das geplante Gebäude sicherzustellen, wurde ein Baukörper entwickelt, der konventionell und effizient zu bauen ist, ohne auf eine hohe städtebauliche und architektonische Qualität zu verzichten. Das Raumprogramm wurde erfüllt und Nebenflächen auf ein notwendiges Minimum gebracht. Die Grundrisse der Hotelzimmer sind im Hinblick auf die geforderten Mindestquadratmeter (gem. DEHOGA-Klassifizierung) optimiert. Übereinanderliegende Konstruktionsraster, günstig positionierte Installationsschächte und eine programmgemäß nicht weiter zu verringernde Grundfläche (Ziel wegen Pfahlgründung) gewährleisten eine rationelle Bauweise.


Fassade

Es wird eine hinterlüftete Vorhangfassade mit langformatigem Kohlebrand-Ziegel vorgeschlagen (z. B. „Kolumba“ von Fa. Petersen/Dänemark). Diese generiert eine starke physische Präsenz. Die monolithische Bauform unterstützt die akzentuierende Positionierung des Gebäudes auf dem prägnanten Grundstück. Das moderne Klinkerformat weist eine produktionsbedingt lebendige Oberfläche auf – wobei Farben von Grau über Rostrot bis Dunkelbraun vorkommen. Farbigkeit und heterogen strukturierte Oberfläche führen die vorhandenen Materialien der umgebenen Gebäude optisch zusammen und schaffen eine zeitgemäße Neuinterpretation des hafentypischen Baustoffs „Ziegel“. In der Vorhangfassade des hofseitigen Treppenhauses werden in einer senkrechten Achse Ziegelsteine ausgelassen. Dahinter sitzen Verglasungen, die die Gebäudehülle schließen. Wie bei einem regelmäßigen Mosaik dringt das Licht punktuell durch die Zwischenräume in das Treppenhaus, wodurch im Innenraum ein effektvoller Tageslichteinfall entsteht. Bei Dunkelheit wird das Muster nach außen deutlich wahrnehmbar hinterleuchtet. Im Erdgeschoss werden neben Glasflächen Fassadenteile mit voroxidierten und klar lackiertem Stahlblech belegt. Auf ein solches Stahlblech ist neben den Eingang der Hotelname schabloniert – eine visuelle Allegorie für Schiffsrümpfe, Toranlagen und Spundwände. Der Schriftzug wird über Bodeneinbaustrahler akzentuierend beleuchtet.


Identität

Das „Hotel Überseetor“ steht – wie der Name es schon andeutet – an einem Ort mit einer bewegten maritimen Geschichte, die eng mit der heutigen Identität Bremens verbunden ist. Wichtige architektonische und hafengeschichtliche Zeitzeugen wurden erfolgreich erhalten und zeitgemäß-maßvoll umgebaut. Besonders im direkten Umfeld des Hotels ist die Geschichte in vielfältiger Weise erlebbar. Darüber hinaus ist der Standort durch das neu entstandene, vielfältige kulturelle Angebot im Bereich BLG-Forum/Speicher XI/Holz- und Fabrikenhafen/Europahafen und den heterogen-kreativen Strukturwandel in der Überseestadt äußerst interessant. Zusätzlich gibt es hier noch „echtes“ Hafenleben mit Frachtschiffen, Speditionen, verarbeitenden Betrieben, Matrosen, Containern, Fischmehl, „leichten Damen“, und – last but not least: Heiner und seinem „Hafencasino“.
Diese Lage birgt für das Hotel die große Chance, sich über die sichtbare Identifikation mit den Wurzeln des Ortes und die moderne Neuinterpretation von hafengeschichtlichen Leitmotiven im Kontext von eintönig-gesichtslosen Herbergen ein verkaufsförderndes Alleinstellungsmerkmal im Bremer Beherbergungsmarkt zu generieren.


Stimmung

Wir haben uns aus den vorher genannten Gründen für die architektonische Kommunikation des übergeordneten Gestaltungthemas „Hafengeschichte(n)“ entschieden. Zu den Grundbildern der Innenarchitektur gehören beispielsweise Teekisten, Lagerhäuser, Schiffsböden, Baumwollballen, Holzfässer, Krane, Segel, rostige Schiffsrümpfe, Taue, und so weiter. Diese Motive werden nicht direkt umgesetzt, sondern dienten für die Wahl von Materialien, Formen und Produkten als leitendes Stimmungsbild, um dem Hotelgast nach der subtilen Übersetzung Räume mit einfach-ehrlicher Identität und Aufenthaltsqualität bieten zu können. Auch wenn die Räume anspruchsvoll gestaltet und widerstandsfähig ausgebaut werden, sind sie aufgrund der Wahl einfacher Konstruktionen, günstiger Materialien und ästhetischer Serienprodukte kostengünstig zu realisieren.


Die Zimmer

Die Grundrisse der Hotelzimmer sind aus Gründen der Wirtschaftlichkeit auf einer geringen Grundfläche organisiert (Mindestanforderung für Kategorie 2 der DEHOGA-Klassifizierung).
Um den knapp bemessenen Schlafraum optisch und physisch zu vergrößern, wird eine Waschnische schlafraumseitig in den Baukörper des Bades geschnitten, die das Raumvolumen vergrößert und die Blickwinkel weitet. Durch die Zweiteilung können die Nassbereiche komfortabler von zwei Personen gleichzeitig genutzt werden. An den Innenflächen der Nische sind Glasregale und unterhalb des Waschtisches Ablageflächen vorgesehen. Die Nische wird durch Downlights beleuchtet und die Spiegel werden mit einer bündig integrierten Frontalbeleuchtung ausgestattet.
Die Waschnische wirkt durch eine klar versiegelte Naturholzoberfläche aus Birkensperrholz skulptural, wie aus einem massiven Holzblock herausgeschält, und erinnert an raumsparende Sanitärbereiche auf Schiffen.

Das Bettgestell mit gestoßenen Eckverbindungen wird aus Birkensperrholz mit weißem transluzenten Phenolharzfilm, der die Maserung durchscheinen lässt, kostengünstig aber robust und gestalterisch ansprechend konstruiert. Das industriell gefertigte Plattenmaterial mit finaler Beschichtung bietet eine widerstandsfähige Oberfläche, die leicht zu reinigen ist. Die naturfarbenen Schichtholzkanten sind unempfindlich und machen den stabilen Baustoff sichtbar. Im Eingangsbereich vor dem Bad ist eine funktionsorientiert einfache Schrank- und Ablagekombination aus dem gleichen Birkensperrholz eingeplant. Auch der Sitzhocker wird hieraus gebaut.

Das Rückenteil des Bettes ist mit einer baumwollartigen Mikrofaser über Holzknöpfe kapitoniert.
Zwei Scherengelenkleuchten sind an den äußeren Kreuzungspunkten der Kapitonierung befestigt. Auf die Wand über dem Bett werden Hafenmotive mit Schablone auflackiert. Dadurch, dass sie in der gleichen Farbe angelegt, und somit nur durch den unterschiedlichen Glanzgrad von Wand und Grafik erkennbar sind, ist die Wirkung dezent und je nach Belichtungssituation unterschiedlich prägnant. Die Wandfläche hinter dem Bett – samt auflackierter Hafen-Grafik – wird durch ein LED-Band im Kopfteil beleuchtet.

Für den Verdunkelungsvorhang wird eine Kunstfaser in Baumwoll-/Segeltuchoptik mit Ringösung vorgeschlagen. Für den Fußboden ein robuster sandfarbener Teppichboden. Die Wandflächen sind mit einer widerstandsfähigen Glasfasertapete mit natürlicher Strukturierung belegt und in einem gebrochenen Weiß matt mit Dispersionsfarbe gestrichen.

Zur Allgemeinbeleuchtung ist raummittig eine Pendelleuchte aus emailliertem Stahlblech mit Porzellanfassung, Zugentlastung und schwarz-weißem Textilkabel eingeplant. Es kann eine Aufputzmontage in Stapa-Rohren auf der Rohbetondecke erfolgen.


Mini-Bibliothek

Es gibt viele spannende Geschichten aus der Überseestadt. Das Hotel Überseetor unterstreicht seine Verbundenheit mit der Vergangenheit und Zukunft der Überseestadt durch eine „Mini-Übersee-Bibliothek“ in jedem Zimmer: Seemannsgarn, Hafengeschichte(n) und Übersee-Romane in Buchform zum Lesen und Mitnehmen. Nach der Öffnung einer Versiegelung werden die Bücher erworben – Berechnung wie bei einer Minibar.


Flure

Die Flure werden durch Wandrücksprünge im Bereich der Hotelzimmer rhythmisiert. Dadurch verkürzt sich der Flur optisch und die Eingangsbereiche der Zimmer werden betont. Um diese Wirkung zu unterstreichen, werden die Nischen allseitig farblich abgesetzt (Tür, Zarge, Laibung, Decke, Fußboden). Auf den Türen sind die Zimmernummern in einer Schablonierschrift großflächig aufgebracht und erleichtern die Orientierung – und erinnern als Gestaltungselement an die Beschriftung von Transportkisten. Auf die Rohbetondecke (keine Abhängung notwendig) entwickeln sich aus der Nische heraus flache Aufbauten, in die eine Decken- und Bodenbeleuchtung integriert ist. Diese Beleuchtung akzentuiert die Nischen und gibt über die Decke ein indirektes Raumlicht ab.

Die hier für zwei Teilbereiche beschriebene Gestaltung ist als exemplarisch für die anderen Gastbereiche des Hotels zu betrachten. So stellen wir uns beispielsweise in der Lobby, als raumprägendes „Welcome“, eine großflächig und versetzt gehängte Bildergalerie mit den unterschiedlichsten Motiven aus Geschichte der Bremer Hafenreviere vor.