Mitte Mai hat Maria bei kfs Architekten in Lübeck angefangen. Sie ist 26 Jahre alt, hat einen Master in Architektur in der Tasche und eineinhalb Jahre Berufserfahrung in einem auf Wohnungsbau spezialisierten Büro. So weit, so normal. Doch eigentlich ist an der Personalia nichts normal. Denn Maria ist Ukrainerin. Nachdem die Russen im Februar ihr Land großflächig angegriffen hatten, musste sie fliehen.

Da Maria in der Schule Deutsch gelernt und schon in der Gastronomie an der Ostsee gejobbt hat, lag es für sie nahe, einen Arbeitsplatz in Norddeutschland zu suchen. Ihr zu helfen war für kfs-Inhaber Georg Feyerabend eine Selbstverständlichkeit: "Lübeck liegt auf der Fluchtroute aus dem Donbass über Russland-Estland-Litauen. Die Folgen des Kriegs sind für uns sehr präsent, wir helfen auch privat mit Unterkünften", sagt er zu competitionline. "Für mich war schnell klar, dass es nicht nur dabei bleibt."

So können Sie helfen

Die Bundesarchitektenkammer und die Länderkammern vermitteln Hilfsangebote und -gesuche für die Unterbringung von Flüchtlingen und bieten bei Bedarf Online-Unterricht für ukrainische Universitäten und Architekturfakultäten an.

Kontakt: Länderkammerninfo@bak.de

 

Die Belius-Stiftung organisiert einen “Koordinierungs- und Aktions-Hub” privater Initiativen und Hilfsangebote. Dort können Sie ihre eigenen Initiativen oder Ressourcen einbringen, werden an Hilfsaktionen beteiligt oder können deren Kosten übernehmen – etwa für die Logistik der Bereitstellung von Hilfsgütern oder Personentransporte von Flüchtenden.

Kontakt: info@beliusstiftung.de

 

Geld spenden können Sie zum Beispiel über Aktion Deutschland Hilft:

Spendenaufruf Aktion Deutschland Hilft:

Aktion Deutschland Hilft, das Bündnis renommierter deutscher Hilfsorganisationen, leistet den Menschen Nothilfe in der Ukraine und den Nachbarländern. Für den Einsatz der Helferinnen und Helfer bitten wir um Spenden. Durch die Kommunikation unseres Spendenaufrufs leisten Sie einen wertvollen Beitrag, um den vom Krieg betroffenen Menschen zu helfen!

Spendeninformation:

Aktion Deutschland Hilft
Stichwort: Nothilfe Ukraine
IBAN: DE62 3702 0500 0000 1020 30 (Bank für Sozialwirtschaft)
Online spenden unter: www.Aktion-Deutschland-Hilft.de

 

Kostenfreie Jobanzeigen bei competitionline

Planungsbüros können bei competitionline kostenlos Jobanzeigen schalten, die sich an geflüchtete Architekt*innen und Planer*innen aus der Ukraine richten. Mehr

Es ist aber nicht nur der humanitäre Aspekt, den kfs zur Anstellung bewog: "Wir haben vor ein paar Monaten eine Jobanzeige geschaltet und keine einzige Bewerbung erhalten. Der Fachkräftemangel in unserer Branche ist allgegenwärtig. Wir können mit der Anstellung der ukrainischen Kollegin also helfen, bekommen aber auch selber Hilfe."

Zusammenarbeit ohne Probleme

Seit dem 1. Juni ist Maria bei kfs unbefristet angestellt. "Sie wollte von sich aus erst einmal zwei Wochen probearbeiten, weil sie den Wunsch hegt, wieder zurück in die Ukraine zu gehen, wenn der Krieg vorbei ist." Daher sei ihr die Entscheidung für eine Festanstellung bei kfs schwergefallen, erzählt Feyerabend. "Aber die Arbeit bei uns bindet sie ja nicht für immer. Sie kann jederzeit gehen – auch wenn es sehr schade wäre."

Maria arbeitet bei den Lübecker*innen hauptsächlich an Schulbau-Projekten. "Das klappt bisher einwandfrei. Der Austausch mit den Kolleg*innen funktioniert reibungslos, und in unser CAD-Programm arbeitet sie sich ein, was ihr mit der Revit-Erfahrung nicht schwer fällt."

Über eines ist sich Feyerabend im Klaren: Bislang tobt der Krieg in Marias Heimat in der Westukraine nicht derart intensiv wie im Osten des Landes. "Wenn sich die Kämpfe mehr in den Westen verlagern sollten, wird der Krieg auch in unserem Büroalltag präsenter. Das wird eine Herausforderung für uns alle. Immerhin haben wir jetzt eine Kollegin, deren Familie und Freunde unmittelbar betroffen sind."

Dauerhaftes Homeoffice wird zum Problem

Ksf hat Maria über die Aktion Jobs for Architects from Ukraine gefunden. Seit März können Planungsbüros kostenlos Stellenanzeigen explizit für Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine auf competitionline.com schalten. Fast 100 Büros haben sich bislang beteiligt. "Dass so viele Büros mitmachen, ist ein starkes Signal der Solidarität mit den Kolleg*innen der Ukraine", sagt competitionline-Gründerin Angelika Fittkau-Blank. "Es zeigt, mit welch einer Power deutsche Architekt*innen die Kriegsvertriebenen unterstützen, aber auch, dass sie das große Potenzial an Fachexpertise erkannt haben, das in der Zuwanderung liegt. Solange der Krieg andauert und Menschen zu uns flüchten müssen, möchte ich alle Architekt*innen dazu ermuntern, weiterhin Jobs für Geflüchtete anzubieten."

Leider wurden nicht alle Suchenden direkt fündig. "Die Resonanz auf unsere Stellenausschreibung war wirklich groß", so Larissa Sandhack von BS2Architekten. Das Hamburger Büro hat mit drei Kandidat*innen Gespräche geführt, bislang hat sich allerdings keine Anstellung ergeben. "Viele Bewerber*innen möchten gern komplett remote arbeiten – einige auch gern direkt aus der Ukraine. Das ist für uns als kleines Büro nicht darstellbar. Einige Tage Homeoffice pro Woche kriegen wir gut organisiert, aber einen dauerhaften Serverzugang aus dem Ausland können wir nicht herstellen."

Vormittags im Architekturbüro, nachmittags im Luftschutzbunker

Der Fall von Aleksandr Zerov zeigt, dass Remote Work gerade für männliche Architekten in der Ukraine die einzige Möglichkeit für einen Job außerhalb des kriegsgebeutelten Landes ist. Denn der 35-jährige Architekt Zerov sitzt in Dnipro fest: "Als junger Mann darf ich nicht einfach das Land verlassen, um in Deutschland zu arbeiten", unterstreicht er im Gespräch mit unserer Redaktion. Seine Frau Ana (ebenfalls Architektin) ist bereits geflohen. Dnipro, die viertgrößte Stadt der Ukraine, liegt nur 150 Kilometer von der Front bei Saporischschja entfernt.

Zerov hat an der Staatlichen Akademie für Bauingenieurwesen und Architektur in Dnipro studiert und arbeitet seit über zwölf Jahren bei Omega Architectural Bureau. Bis Kriegsbeginn war er dort unter anderem am Stadtentwicklungsprojekt "Integralcity" in Kiew beteiligt (siehe Foto). Er spricht fließend Ukrainisch, Russisch sowie Englisch und ist mit den gängigsten BIM-Anwendungen wie Revit oder AutoCAD vertraut.

Visualisierung für Integralcity: Die Gebäudehülle der Wohn- und Bürogebäude soll möglichst klein sein, um Energiekosten zu minimieren.

Visualisierung für Integralcity: Die Gebäudehülle der Wohn- und Bürogebäude soll möglichst klein sein, um Energiekosten zu minimieren.

Alexandr Zerov mit seiner Frau Ana

Alexandr Zerov mit seiner Frau Ana

Derzeit arbeitet Zerov vormittags für Omega und hilft in seiner Freizeit im örtlichen Freiwilligenzentrum: innerstädtische Lebensmitteltransporte oder Flüchtlinge aus dem Donbass versorgen. "Gestern haben wir zum Beispiel medizinische Ausrüstung von der Entbindungsklinik in deren Luftschutzbunker gebracht und die Fenster dort zum Schutz mit Sandsäcken verstärkt."

"Das ist das Mindeste, das ich in der jetzigen Situation für mein Land tun kann."
Aleksandr Zerov Omega Architectural Bureau

Seit Kriegsbeginn ist die ukrainische Wirtschaft im Gesamten um fast die Hälfte eingebrochen, schätzen Ökonom*innen. Veränderungen, die auch Architekt Zerov beobachtet: "Einige wenige Entwickler versuchen zwar ihre Bauvorhaben in Dnipro fortzuführen, aber der Großteil der Projekte ist nach dem 24. Februar gestoppt worden, und neue Aufträge gibt es nicht."

Gestoppt: Im Dezember 2021 hatte die Verwaltung der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk einen internationalen Architekturwettbewerb ausgelobt, um ein Nachnutzungskonzept für einen Straßenzug im Stadtkern zu finden. Kurz nach Beginn des Krieges wurde das Verfahren ausgesetzt.

Gestoppt: Im Dezember 2021 hatte die Verwaltung der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk einen internationalen Architekturwettbewerb ausgelobt, um ein Nachnutzungskonzept für einen Straßenzug im Stadtkern zu finden. Kurz nach Beginn des Krieges wurde das Verfahren ausgesetzt.

Über 50 Bewerbungen an deutsche Planungsbüros hat Zerov inzwischen geschrieben. "Ich habe nur sehr kalte Antworten bekommen, dass die meisten niemanden komplett in Remote Work einstellen." Mit einem Büro steht er derzeit noch im Kontakt. "Ich hoffe sehr, dass sie mit mir zusammenarbeiten wollen. Wir in der Ukraine lieben unser Land, wir wollen hier leben und die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Architektur voranbringen."

 

 

Ihre Erfahrungen

Rund 800.000 Menschen sind bislang aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Hat Ihr Büro ein*e Architekt*in aus der Ukraine eingestellt? Wie funktioniert die Zusammenarbeit? Lassen Sie uns an Ihren Erfahrungen teilhaben.

 

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