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Offener Wettbewerb | 11/2021

Entwicklung Quartier am Molkenmarkt in Berlin Mitte

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

Octagon Architekturkollektiv

Stadtplanung / Städtebau

coopdisco

Stadtplanung / Städtebau

gruppe F | Freiraum für alle GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Stadt ist ein Gewebe aus Architekturen, Infrastrukturen und Freiräumen. Erst im Gebrauch wird sie weitergeschrieben, neu interpretiert und täglich reproduziert.

Mitte zusammenwachsen lassen: Zugänglichkeit, Kleinteiligkeit und Vermittlung
Die Grundkonzeption für das neue Viertel am Molkenmarkt beruht auf einer Vorstellung von Stadt und Stadtgesellschaft, die die Fähigkeit hat, sich programmatisch, räumlich und haptisch immer wieder neu zu überschreiben, dabei die bestehenden Schichten zu erhalten, diese mit neuen Funktionen zu füllen und weiter zu entwickeln.
Zentrales Element des neuen Viertels ist ein Freiraumband, das das für Berlin spezifische aktive sozio-kulturelle Gewebe mit der historischen Baukultur der Berliner Stadtmitte verknüpft, welches die unterschiedlichen historischen Zeitschichten auf dem Areal erlebbar macht und das sich diagonal von Ost nach West durch das Viertel zieht und identifikatorischen Charakter hat.
Die Kleinteiligkeit der historischen Stadt wird nicht durch eine kleinteilige Parzellierung rekonstruiert, sondern kohärent in eine Nutzungs- und Betriebs-gemischte vielfältigen Stadt übersetzt und aus dem Programm heraus entwickelt.
Durch unterschiedliche Nutzungen und Nutzungspraktiken kann eine breite Teilhabe an der Raumproduktion im Sinne des Gemeinwohls durch abgestufte Verwaltungsmodelle abgebildet und in Gebäuden und im Freiraum hergestellt werden.
Die den Molkenmarkt umgebenden städträumlichen Bausteine werden im neuen Viertel weitergeführt, neu interpretiert und über den Freiraum miteinander verwoben. Das neue Molkenmarktviertel wird so zur Vermittlerin zwischen historischen, heutigen und zukünftigen Zeitschichten. So entsteht eine Mischstruktur aus ordnender, strassenbegleitender Wohnbebauung im Norden, gewerblich, kulturell und sozial programmierten permeablen Sockelbauten und Solitären für unterschiedlichste Wohnformen.
Ein ‚offenes Erleben und Diskutieren‘, belebte und lebendige Praxis‘ wird durch die im Freiraumband angelegten Baukörper, die sogenannten Trittsteine gegeben. Als architektonische Sonderbauten vermögen sie individuell auf den Ort und die Freiraumgestaltung die durch die historischen Funde flexibel sein muss einzugehen.
Ein eigenständiges Kulturensemble mit offener Markthalle, Sonderwohnformen und städtischen Funktionen verknüpft das Viertel mit den umgebenden historisch prägenden und öffentlichen Identifikationsbauten. Es formuliert die Eingangssituation zum Quartier und dient als ein erster Trittstein zwischen den umliegenden Nachbarschaften.
Der Freiraum im Quartier steht unter hohen Druck durch die Vielfältigkeit der Anforderung und deren teilweise diametralem Verhältnis zueinander, wird das Quartier in Schichten gedacht. Das städtische Grün des Freiraumbandes zieht sich auf die Dachlandschaft der Sockel und bis auf die Dächer der Straßenbegleitenden Bebauung. Das Bild der städtischen Landschaft wird erweitert. Je höher desto geschützter, Raum für Privatheit und Biodiversität.

Programmatisch: Ein erweiterter Kulturbegriff für das neue Miteinander
Das neue Viertel wird vor dem Hintergrund eines sich erweiternden Kulturbegriffs gedacht. Kultur als Erfahrungs- und Lebenswelt, die sich im Raum einerseits durch Alltagspraktiken von Daseinsvorsorge bis Versorgung mit den täglichen Dingen manifestiert. Andererseits bilden Erinnerungs- und Geschichtsräume die Grundlage für ein Programm aus Kulturproduktion und -rezeption, Kunst- und Geschichts-Vermittlungsraum sowie für ein Grundverständniseiner Kultur der Nachhaltigkeit.
Es entsteht eine Durchmischung aus repräsentativer, darstellender und sozio-Kultur, aus Nah- und Fernversorgung, Daseinsvorsorge, Pflege und Handwerk sowie Anknüpfungspunkte an Politik und Verwaltung - in direkter Anküpfung und Verwebung mit dem engeren und weiteren Kontext in Berlins Mitte.
Durch Selbstausbau im Bereich der Gewerberäume und punktuelle Aneigenbarkeit der Freiräume sollen innovative und kooperative Raumproduktionen zwischen Innen und Aussen, Gewerbe und Kultur, Wohnen und Freiraum erprobt werden.

Ein lernender Entwicklungsprozess bei gleichzeitiger Effizienz
Lernender Prozess: In einer Weiterführung der Lernenden Planung, soll der hier vorgestellte Entwurf als Design-Aufschlag und Ideengeberin dazu beitragen, das neue Viertel am Molkenmarkt gemeinsam mit dem Wissen der beteiligten Akteur:innen zu neuen Ausgrabungen zu kommen und mit den sich verändernden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in Dialog zu treten. Leitlinien schärfen: Aufbauend auf den Leitlinien der Ausschreibung sollen diese anhand der hier vorgeschlagenen städtebaulichen Übersetzungen in din den Werkstätten weiter geschärft werden.
Entwicklungsgremien: Durch die als Vertreter:innen an der Entwicklung beteiligt sind soll eine übergreifende stadtweite Vernetzung stattfinden und das Fehlen bestimmter lokalen Akteure und deren Wissen ausgleichen.
Effiziente Planung auf Augenhöhe: Für Teilbereiche sollen Gremien die kuratorische Entwicklung begleiten und wichtige Akteur:innen zusammenbringen. Die Grundstruktur des Quartiers soll parallel dazu in drei Bauphasen effizient von den beiden Wohnungsbaugesellschaften entwickelt und rasch bezugsfertig gemacht werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit liefert einen eigenständigen und konzeptionell wertvollen Beitrag zum Verfahren. Tragende Leitidee ist die Entwicklung eines Freiraumbands, das als Kulturband und neuer öffentlicher Raum das Haus der Statistik am Alexanderplatz mit der Alten Münze am Nikolaiviertel diagonal durch die Blöcke B und C verbinden soll. Die Arbeit bricht damit bewusst den historischen Stadtgrundriss auf. Mit dem Freiraumband wird eine parallel zur Grunerstraße verlaufende alternative fußgängerorientierte Verbindung zwischen Alexanderplatz und Nikolaiviertel formuliert. Die Dimensionierung führt allerdings zu einem Überangebot an öffentlichem Raum und einer Konkurrenz zu den Straßenräumen im und um das Quartier. Diese wird kritisch beurteilt, da dadurch einer Belebung der Radialstraßen (Jüdenstraße und Klosterstraße) entgegenwirkt und die Grunerstraße in erster Linie dem MIV überlassen wird. Mit dem Freiraumband wird zwar die Verbindung des Hauses der Statistik mit der Alten Münze gestärkt, doch lässt die Linearität und Überbetonung dieser Verbindung andere Kulturinstitutionen in der Umgebung außer Acht, die in ein entsprechendes Netzwerk eingebunden werden sollten. Durch das Zurücksetzen des Blocks A am Molkenmarkt wird ein Platz als Auftakt des Freiraumbandes, Eingang zum Quartier und Scharnier zum Nikolaiviertel formuliert, der überwiegend positiv bewertet, aber auch als überdimensioniert eingeschätzt wird. Die im Bebauungsplan intendierte Sichtbeziehung zwischen Stadthaus und Nikolaikirche wird durch die vorgeschlagene Bebauung sehr stark eingeschränkt. Entlang der Grunerstraße wird ein Rücken ausgebildet. Die Verengung des Straßenprofils der Grunerstraße an der Littenstraße wird baulich nicht formuliert. Aus dem Rücken erstrecken sich eingeschossige Sockel tief ins Blockinnere, wo sie entlang des Freiraumbands im starken Kontrast zur übrigen Bebauung mit sehr tiefen 4-6-geschossige Punktgebäude besetzt sind. Mit der Bebauungsstruktur werden insbesondere Brüche herausgearbeitet anstatt integrativ zu wirken und den Bestand in Wert zu setzen. Positiv wird der Erhalt des Gebäudes des K44 beurteilt. Archäologische Fenster finden zwar Berücksichtigung, kommen jedoch nicht angemessen zur Geltung. So werden lokale Besonderheiten wie der ehemalige Standort der Französischen Kirche und der Jüdenhof zwar im Boden markiert aber räumlich nicht nachvollziehbar gemacht. Retentionsflächen stehen in diesem Bereich im Gegensatz zu den Denkmalschutzzielen. Die Positionierung des Archäologischen Zentrums führt zu einer nicht gewünschten Musealisierung. Kulturbau und Markthalle als städtebaulicher Akzent am Molkenmarkt werden positiv beurteilt, ebenso wie das großflächige Raumangebot im EG der Sockel entlang der Grunerstraße, um größere (Anker-) Nutzungen, wie unter anderem kulturelle Nutzungen, verorten zu können. Problematisch werden jedoch deren stark eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten erachtet, da diese Flächen kaum unterteilbar sind. Wohnungswirtschaftlich wird die Arbeit kritisch gesehen, insbesondere aufgrund der Laubengang-Erschließung entlang der Grunerstraße, die weder einen Betrag zur Umwertung der Grunerstraße zu einer Stadtstraße leistet noch ein adäquates Gegenüber zum Roten Rathaus formuliert. Die auf dem Sockelgeschoss entstehenden privaten und gemeinschaftlichen Freiräume können hingegen qualitätsvolle Rückzugsräume für die Bewohner:innen bieten. Die Erschließung bleibt trotz zunächst innovativ scheinender Lösungen konventionell. So wird ein Teil des Quartiersverkehrs über das Freiraumband unnötigerweise in das Quartier geholt. Insbesondere die prominente Lage der Garagen und Stellplätze kann nicht überzeugen. Die Freiräume erstrecken sich in erster Linie auf die steinerne Kulturpromenade, die in ihrer hochfunktionalen Nutzung lediglich durch einzelne Baumpflanzungen akzentuiert ist. Dieser Raum verspricht auf den ersten Blick einen vielfältigen urbanen Begegnungsraum. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich hier allerdings eine Nutzung des nördlich angrenzenden Sockelgeschosses durch Garagen, Fahrrad- und Müllräume sowie Anlieferungsflächen. Weder die räumlich sehr schmal dimensionierten Verbindungsgänge zur Gruner Straße noch die punktuell eingestreuten Nachbarschaftsräume und Hauseingänge werden genügend Kraft entfalten, um die Kulturpromenade von der Nordseite her zu aktivieren. Die weiteren Grünflächen finden sich auf dem Dach des Sockelgeschosses und der Baukörper bzw. in sehr kleinen im Sockelgeschoss eingeschnittenen Höfen. Damit weist der Entwurf nur einen sehr geringen Teil an unversiegelten Flächen auf, was die atmosphärische Qualität der Freiräume einschränkt und auch die Realisierung eines überzeugenden Regenwassermanagements in Frage stellt. Den für das Quartier formulierten Leitlinien wird nur eingeschränkt Rechnung getragen. Kultur als Identitätsträger des neuen Quartiers wird gut herausgearbeitet und mit dem Freiraumband wird ein Raum für Formen alternativer Mobilität angeboten. Neues wird jedoch weniger aus dem Alten als im Gegensatz zum Alten entwickelt; Impulse aus der Umgebung werden aufgenommen, doch nur sehr selektiv. Eine Nutzungsmischung wird zwar vorgeschlagen, doch die Gebäudetypen sind bei genauerer Betrachtung nur an wenigen Stellen tatsächlich nutzungsoffen. Insbesondere zu den öffentlichen Räumen des Freiraumbandes gelingt es der Arbeit aufgrund der Anordnung sekundärer Funktionen nicht aktive Erdgeschosszonen als Schnittstelle zwischen Innen und Außen zu formulieren. Und schließlich schränkt der hohe Versiegelungsgrad die Möglichkeiten ein, einen substanziellen Beitrag zur Klimaanpassung leiten können. Abweichungen zum Bebauungsplan werden zelebriert und werfen damit viele Frage hinsichtlich der Realisierbarkeit auf. Zudem macht die Arbeit eine grundsätzliche Bodenneuordnung notwendig.
Analyse & Konzept

Analyse & Konzept

Strukturplan

Strukturplan

Einbettung Kontext

Einbettung Kontext

Freiraumband

Freiraumband

Quartierseingang Klosterstrasse

Quartierseingang Klosterstrasse

Lageplan

Lageplan

Programm, Freiraum, Volumetrie

Programm, Freiraum, Volumetrie

Erdgeschossplan

Erdgeschossplan

Nutzungs- und Eigentümerstruktur

Nutzungs- und Eigentümerstruktur

Schnitt Nord-Süd

Schnitt Nord-Süd

Quartierskante Molkenmarkt

Quartierskante Molkenmarkt

Eingang Freiraumband

Eingang Freiraumband

Wohnhöfe Sockelgeschoss

Wohnhöfe Sockelgeschoss

Jüdenhof

Jüdenhof

Grundrisse

Grundrisse