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Einladungswettbewerb | 11/2019

Neubau des Pfarrhauses mit Räumen für die Gemeinde und die Dekanatsgeschäftsstelle in Calw

1. Rang

Architektur | Hansulrich Benz

Architektur

Erläuterungstext

STÄDTEBAULICHE SITUATION
Das Baufeld befindet sich im Übergang der Nagoldaue zur urbanen Bebauung am Stadteingang Calw. Mit der Neugestaltung des Kirchenareals ergibt sich die große Chance, diese bisher unbefriedigende städtebauliche Situation als neuen Stadteingang klar zu akzentuieren.

Das urbane Baufeld entlang der Bahnhofstraße wird durch einen quer zum Tal gestellten Baukörper (Neubau Pfarrhaus) gefasst und bildet einen definierten Übergang von der Nagoldaue zur Stadt.

Durch das Abrücken der Bebauung zur Kirche spannt sich ein größerer, erhabener
(Kirch-)Platz zwischen Pfarrhaus und Kirche auf, der zum einen die neue Stadtkante erlebbar macht, aber auch die Kirche als Solitärbau in Erscheinung treten lässt. Verstärkt wird diese Wahrnehmung durch das Heranführen des öffentlichen Raums direkt an die Kirche. Dieser öffentliche Raum geht fließend (ebenerdig) auf den Kirchplatz über, der sich dann von
der fallenden Einfallsstraße abhebt.

BAUKÖRPER / ARCHITEKTUR
Die Architektur respektiert die historisch gewachsenen Gebäude entlang der Bahnhofstraße, führt die Materialität des hellen Ziegelsteins, die Lochfassaden und Plastizität der umgebenden historischen Baukörper fort, ohne diese imitieren zu wollen.
Der Gebäudesockel entwickelt sich zur schützenden Begrenzung des Kirchplatzes, im Erdgeschoss öffnen sich großzügige Glasfronten zum Platz, so dass Platz und Versammlungsräume bei geöffneten Fenstern ineinander fließend übergehen.

Die Dachform wurde aus der umgebenden Situation heraus entwickelt. Die Grundform Walmdach, entsprechend der Villa hinter der Kirche, verrät die Zugehörigkeit zum historischen Ensemble am Stadteingang. Durch die gewählte Asymmetrie nimmt das Gebäude Bezug zur Nagoldaue und lenkt sanft ansteigend von der offenen Landschaft über den Platz zur Dachlandschaft des dahinterliegenden Baufelds über.

ERSCHLIESSUNG
Das Gebäude und der Platz werden jeweils von zwei Seiten erschlossen, es gibt einen Straßenzugang von der Bahnhofstraße und einen Zugang vom neuen Kirchplatz. Alle Zugänge sind barrierefrei erreichbar.
Die Parkplätze befinden sich unter dem Gebäude und entlang der Kirche an dem neu gestalteten Straßenraum.

ENERGIE / ÖKOLOGIE
Als Wärmeenergieträger wird das Wasser der Nagold mittels Wärmetauscher vorgeschlagen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit seinem Entwurf sieht der Entwurfsverfasser die große Chance zur Neudefinition der bislang unbefriedigenden städtebaulichen Situation am Stadteingang Calws im Übergang der Nagoldaue zur urbanen Bebauung.
Er setzt sein Gebäude in gebührendem Abstand zur Kirche, quasi als Abschluss des von ihm so genannten ‚gefassten Stadtfelds‘, sprich als Endpunkt der historischen Straßenzeile.
Dadurch entsteht eine große Freifläche zur neugotischen Pfarrkirche. Den fast geschosshohen Niveauunterschied fasst er zur Straße mit Hilfe einer übermannshohen Mauer, die sich unmittelbar vor der Kirche zu einer Treppe mit Rampenanlage öffnet.
Der sogenannte Kirchplatz entspricht mit seiner großen Rasenfläche und Bäumen eher einem Kirchhof.
Der Neubau ist hier mit seiner Langseite als Pendant zur Kirche ausgerichtet.

Das sich aufgrund des Niveauunterschieds ergebende Sockelgeschoss nimmt eine Tiefgarage nebst diversen Nebenräumen auf. Die Schmalseite ist nicht Giebel ausgeprägt, sondern übernimmt Verlauf und Firstlinie der vorhandenen Nachbarbebauung.
Gewählt wurde eine nichtausgebautes asymmetrisches Zeltdach. Die Traufe des Neubaus übernimmt allerdings nicht die Traufhöhe der Nachbarbebauung (so wie es in der Zeichnung den Eindruck hat), sondern die Trauflinie der Dachgauben, so daß das Gebäude mit seinen faktisch vier Geschossen die Nachbargebäude um ein Geschoss überragt.

Durch die Platzierung des Gebäudes als ‚Endstück‘ der vorhandenen Wohnbebauung ist eine unmittelbare Zugehörigkeit der Pfarrkirche nur bedingt gegeben, allerdings die um ein Geschoss erweiterte Gebäudehöhe aber auch der Zusammenhang zur Wohnbebauung.

Die Mauer kann wie ein Sperrriegel zum Platz wirken. Die im Plan dargestellten Bäume werden an jener Stelle aufgrund der Ausdehnung der Wurzelballen keine ausreichenden Standortbedingungen vorfinden.

Das vorgegebene Raumprogramm wird voll erfüllt. Die geforderten Nutzungseinheiten werden auf drei Vollgeschosse verteilt. Das Sockelgeschoss beinhaltet neben Funktionsräumen auch eine Tiefgarage, die theoretisch auf den gesamten Kirchplatz ausdehnbar sein könnte. Nicht unproblematisch ist allerdings, die Erschließung im Hinblick auf Radien und Gegenverkehr.

Im EG befinden sich zur Kirchplatzseite der eingezogene Haupteingang, zentral der Jugendraum und zur Nagold der Saal, der zum Jugendraum mit einer beweglichen Trennwand getrennt ist. Ein sehr schmaler Vorraum erschließt eine Teeküche, WC-Anlage, Aufzug und Treppe runden das Angebot ab.
Inwieweit die Küche nebst Vorraum aufgrund ihres Zuschnitts bei Hochbetrieb funktionsfähig sind, sei angezweifelt. Ebenfalls schwierig ist die Platzierung nebst Mulitfunktionalität des Jugendraums, der allerdings im EG nicht anders platzierbar ist.

Die beiden oberen Geschosse enthalten die geforderten Büro- und Nebenräume.

Positiv zu sehen ist die Separierung der einzelnen Geschosse, so dass auch geschossweise Fremdnutzungen möglich wären, zumal es von der Bahnhofstraße einen separaten Nebeneingang gibt. In diesem Fall müsste ein Brandabschnitt im EG nachträglich ausgebildet werden.

Die Gestaltung der Fassaden nimmt sich sehr zurück und lässt nutzungstechnisch auch außerkirchliche Nutzungen denken, z.B. Wohn- und Geschäftshaus.

Auch wenn die geforderten Flächen eingehalten bzw. unterschritten wurden, handelt es sich bei diesem Entwurf um die großvolumigste Arbeit v.a. im Hinblick auf die großräumige Tiefgarage.

Die Materialität der Fassade wird spezifiziert, so dass hierrüber keine Aussagen hinsichtlich Nachhaltigkeit, Effizienz usw. getroffen werden können.

Der Entwurf nimmt sich in seiner Haltung vielleicht etwas zu dezent zurück. Eine Beheimatung kirchlicher Einrichtung ist bei einem solchen Baukubus nicht zwingend zu erwarten.