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Einladungswettbewerb | 04/2016

Neues Alterszentrum St. Anna

a room with a view

2. Rang

Lussi + Partner AG

Architektur

MAURUS SCHIFFERLI, LANDSCHAFTSARCHITEKT

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Leben. Spiritualität. Herzlichkeit
Projekt: a room with a view

Städtebau
Das neue Alterszentrum St. Anna befindet sich unterhalb der Klinik St. Anna. Stadträumlich bilden die Spitalbauten einen markanten, horizontalen, parallel zum Hang verlaufenden Komplex, der den Abschluss der Siedlungsstruktur markiert. Die Bauten der St. Anna-Stiftung unterhalb der Rigistrasse verhalten sich analog parallel zum Hang. Der Standort des Neubaus des Alterszentrums als Ersatz von drei Einzelbauten bedingt auf allen Seiten ein differenziertes Verhalten. So wird ein Gebäude vorgeschlagen, welches auf die unterschiedlichen Situationen in einer eigenständigen Form, gebildet aus drei zusammengefügten Gebäudeflügeln, reagiert. An der Rigistrasse erscheint das Gebäude aufgrund des Einschnittes zweiteilig. Es respektiert so massstäblich die Quartierstruktur und reiht sich in die Abfolge der Einzelbauten ein. Zudem bildet der markante Rücksprung den Zugangsbereich für die Bewohner der Wohnungen. Von der Seeseite erscheint das Gebäude dreiteilig mit vorspringendem Mittelteil und zwei Seitenflügeln. Der Neubau formuliert das Ende der Tivolistrasse, indem die abgewinkelte Form, zusammen mit dem ehemaligen Gemeinschaftszentrum, einen dreiseitig geschlossenen Hof bildet. So erhält das neue Alterszentrum eine grosszügige Eingangssituation und dadurch eine adäquate Adresse. Der neue Platz ist Ankunftsort und Treffpunkt. Auf ihn sind die öffentlichen Bereiche wie die Eingangshalle, der Mehrzwecksaal und die Bibliothek orientiert. Durch die Schaffung des Platzes wird auch die Kapelle ins richtige Licht gerückt und in ihrer Bedeutung gestärkt. Eine neu konzipierte, der Kappelle vorgelagerte, Gartenterrasse mit grandioser Fernsicht lädt die Bistrobesucher zum Verweilen ein.

Architektur
Schon die spezielle Form des Neubaus weist auf die zentrale Funktion innerhalb des Komplexes hin. Der Anspruch, allen Zimmern einen direkten Blick auf See und Berge zu gewähren, ist formgenerierend. Die Fassadengestaltung ist Ausdruck der inneren Logik und hat eine klassisch repetitive Ordnung. Innerhalb der Fassadenstruktur unterscheiden sich die oberen beiden Wohngeschosse durch die zurückgesetzten Loggien. Die Individualität der einzelnen Bewohner widerspiegelt sich in den einzelnen Öffnungen der Zimmer, welche im Sinne von Louis Kahn als räumliche Elemente aus Holzrahmen mit flexiblen, transparenten Paneelen ausgebildet sind. Die einzelnen, individuell variierbaren, Fenster reihen sich als Ganzes in die Gesamtform ein. Die Anlehnung des Öffnungsverhaltens an das Betonraster der Kapelle erzeugt eine Integration innerhalb des Komplexes. Die Reduktion der Materialien auf Holz und gepflegten Beton schafft eine spirituelle Ruhe und Atmosphäre und lässt einen Bezug auf eine klösterliche Bescheidenheit zu. Die Zeitlosigkeit der Materialwahl reflektiert ein Leben in einem würdigen Umfeld.
Das Bistro ist räumlich mit dem neuen Eingansbereich verknüpft und wird im ehemaligen Gemeinschaftszentrum organisiert. So bildet der bestehende Essraum der Schwestern, zusammen mit dem Bistro und der Küche, eine ideale Einheit. Ausserdem profitiert dieser Standort von der schönen Aussicht.

Innenräumliche Gestaltung

Schon beim Eintreten wird der Bewohner vom Gebäude umarmt. Im Eingangsbereich erlebt man über den Lichthof die Dimension des Gebäudes und es entsteht ein geschossübergreifender Bezug. Neben der idealen Orientierung fördert der fein proportionierte Lichthof das gemeinschaftliche Zusammenleben. Die zentral gelegene Rezeption ermöglicht eine gute Übersicht. Das Erdgeschoss ist das öffentlichste Geschoss. Die Erschliessungsflächen sind grosszügig bemessen. Dort ist der Treffpunkt, wo auch der Austausch mit Gästen und Besuchern stattfindet. Gleich einer städtischen Plaza wird der Eingangsbereich belebt, was das Gefühl einer Gemeinschaft fördert. Die Verwaltung ist im Erdgeschoss und im unteren Geschoss organisiert. Sie bildet eine räumliche Einheit und hat einen Bezug zum Gartenhof auf der Westseite, der für die Mitarbeiter einen angenehmen Erholungsraum darstellt. Eine offene Treppenanlage, welche auf den Lichthof orientiert ist und alle Geschosse direkt erschliesst, ist wichtiges Element der internen Verbindungen. Die Pflegewohngruppen befinden sich in den drei oberen Geschossen. Zwei Wohngruppen sind jeweils gegenüber liegend, getrennt vom Lichthof, organisiert. Es entsteht ein offenes Weg- und Aufenthaltssystem, was für die Bewohner ein abwechslungsreiches Flanieren innerhalb des Stockwerkes ermöglicht. Am südlichen Punkt verbinden sich die Wege und öffnen sich auf den Aufenthaltsraum mit der grossartigen Aussichtsterrasse. Die Bewohner haben die Möglichkeit, ihren Ort zu finden, der ihnen am besten entspricht. Suchen die einen lieber die geschützten Nischen am Ende des Ganges, so fühlen sich andere wohler im Aufenthaltsbereich des Lichthofes, wo man unmittelbar am Geschehen ist. Im Gegensatz dazu ist das individuelle Zimmer der Ort, wo sich die Bewohner in ihre Welt zurückziehen können. Alle Zimmer haben eine uneingeschränkte Aussicht auf See und Berge. Das Fenster hat für den Charakter des Raumes und für die Art und Weise des Aussenraumbezuges eine wichtige Bedeutung. Es wird eine Fensterkonstruktion vorgeschlagen, welche als räumliches Element sowohl Arbeitsnische und Regal ist, wie auch einen Rahmen zur Landschaft darstellt. Die Fensteröffnung kann mittels den Schiebeläden individuell gesteuert werden und somit auch die Quantität des Lichtes. Auf kleinem Raum wird so ein Maximum an Wohnlichkeit erreicht.

Auf den beiden obersten Geschossen sind die Wohnungen organisiert. Prinzipiell ergeben zwei Pflegezimmereinheiten jeweils eine Zweieinhalbzimmerwohnung, wobei sich an den Enden die Dreieinhalbzimmerwohnungen befinden. Die beiden Wohngeschosse sind als unabhängige Einheit mit eigenem Haupteingang von der Rigistrasse konzipiert, haben aber über die gemeinsame Treppe direkten Zugang zur Infrastruktur des Alterszentrums.

Untergeschosse

Um einen möglichst geringen Aushub zu erreichen, wird die Tiefgarage auf zwei Geschossen ohne Splitlevellösung vorgeschlagen. Das unterste Parkierungslevel beinhaltet 47 komfortable Parkplätze. Die weiteren 33 Parkplätze darüber werden mittels einem Autolift erschlossen, was eine aufwendige Rampenkonstruktion erübrigt. So sind alle Parkgeschosse niveaufrei an die Liftanlagen des Alterszentrums angeschlossen. Die notwendigen Keller- und Lagerräume sind effizient angeordnet.

Konstruktion und Materialität

Das Gebäude ist als Massivbau konstruiert. Sichtbeton kontrastiert mit Holz. Dies geschieht sowohl im Innenraum, wie auch an der Fassade. Fenster und Schreinerarbeiten sind in Holz ausgeführt. Strukturelle Teile werden in Sichtbetonqualität belassen. Diese Materialität garantiert eine Robustheit im Gebrauch und erzeugt durch ihre Natürlichkeit eine angenehme Vertrautheit. Die Reduktion der Materialien hilft mit, eine ruhige und kontemplative Atmosphäre zu erzeugen. Es ist die Absicht, eine gewisse klösterliche Bescheidenheit zu schaffen, welche den Bewohnern die grosse Freiheit lässt, ihre eigenen Empfindungen zu spüren und persönliche Licht-und Raumstimmungen zu erleben.

The Window completes all

„Die Gestalt eines Fensterrahmens drückt die Charakteristik des Raumes aus. Wie ist das Innere des Raumes abgeschlossen? Wie kommuniziert die Öffnung mit der Aussenwelt? Wie verbindet seine Form und Position und die Weise, wie es sich öffnet und schließt, den Innen- und Außenraum? Das Fenster bestimmt alle diese Aspekte. Es bestimmt auch, welche Art von Licht der Raum will oder ablehnt, welche Art von Landschaft es umarmen oder ausschließen will, und was es noch ins Innere einladen will: der Wind, die Blätter, die tanzenden Schmetterlinge. „ (Hisao Kohyama: What did „house“ mean to Louis I. Kahn? Aus: Louis I. Kahn Houses, S.32f Toto Publishing, Japan 2003

Aussenraum

Das Herzstück des eingeengten Raums zwischen der Rigi- und Tivolistrasse bildet der neue Eingangsbereich des Alterszentrums mit dem Empfang. Hier, im dicht bebauten urbanen Kontext, findet die Tivolistrasse ihren adäquaten Endpunkt und entfaltet sich zu einem Vorplatz für das Alterszentrum und die Kapelle St. Anna. Akzentuiert wird mit einer Eiche und einem Brunnen - Symbole der Lebenskraft, Standhaftigkeit und Ewigkeit. Der ganze Vorplatz ist grundsätzlich verkehrsfrei, dient lediglich als Vorfahrt. Der Vorbereich der St. Anna Kapelle hebt sich gegenüber dem Platzniveau leicht ab. Die auf verschieden Höhen angelegten und mit Mauern und Hecken gefassten Gartenterrassen schaffen Verortungen unterschiedlicher Qualitäten für Aufenthalt, Begegnung und Kontemplation - mal im Schatten unter schirmförmig gezogen Linden, mal an der Sonne. Dem Restaurant vorgelegt entwickelt sich ein Kiesgarten, der als lebendiger Treffpunkt für die Einwohner des Alterszentrums, ihren Besuchern sowie der Schwestern der St. Anna Kapelle gedacht ist. Hier schweift der Blick zurück auf die Stadt, über den Vierwaldstädtersee und in die Alpen. Die Baumreihe an der Rigistrasse wird komplettiert und räumlich weitergeführt. Die Anlieferung und Wendemöglichkeiten für Lieferwagen fügen sich subtil in die vorgegebene Situation ein. Die Adressbildung von der Rigistrasse her werten die grossformatigen Natursteinplatten auf, die wie ein vorgelagerter Teppich den Eintritt markieren. Am westlich des Gebäudes liegenden Hang kreieren Blütengehölze, Stauden und Gräser ein intensives Gartenbild am Übergang zur Brunnenhalde. Direkt an der Fassade und leicht abgesenkt, fügt sich in das bewegte Gelände ein kiesiger Gartensitzplatz ein. Mit Sitzmöglichkeiten ausgestattet und mit Kübelpflanzen bestückt bildet er eine ruhige, verwunschene Oase auf dem Untergeschossniveau.

Beurteilung durch das Preisgericht

Den Projektverfassern gelingt es in diesem Entwurf, eine interessante und städtebaulich präzise Gebäudefigur mit einer nachvollziehbaren Grundrissidee zu kombinieren. Der von den Verfassern entwickelte dreiflügelig konzipierte Baukörper geht gezielt auf den unmittelbaren Kontext ein und erklärt sich gleichermassen aus einer inneren Logik. So setz en sich die wohlproportionierten Ost - und Westflügel entlang der Rigistrasse massstäblich in die Quartierstruktur ein und nehmen Bezug auf die vorhandene Reihe der bestehenden Einzelbauten. Der zurückgesetzte Mittelteil formuliert dabei einen einladenden Zugang und adressiert den Neubau. Gegen Süden – zu Stadt , See und Alpenpanorama – entwickelt sich das Gebäude mit einem mittig liegenden Südflügel in die Tiefe. Dadurch wird die Abwicklung der Fassade zur äusserst attraktiven Südseite markant vergrössert und der Projektname „a room with a view“ wird zum Programm. Jeder Wohn - und Schlafraum, sei es in den Pflegewohngruppen wie auch in den begleiteten Wohnungen, kommt in den Genuss einer grossartigen Aussicht. Der Südflügel, bildet zusammen mit dem Ostflügel zur Tivolistrasse eine räumlich prägnant gefasste Zugangssituation und mit dem Westflügel eine adäquate volumetrische Ausbildung zur spezifischen , topografischen Prägung der Brunnhalde. Bei dieser an sich gelungenen Gebäudekonfiguration ist kritisch zu bemerken, dass dieses zur Aussicht zugewandte, ein - und ausbringende Volumen gegenseitige Einsichten ermöglicht und alternierend jeweils während einer Tageshälfte zur Eigenverschattung führt. Die Tiefe der Fassade reagiert jedoch auf diese Thematik. Zudem tangiert der Westflügel die Baulinie entlang der Rigistrasse und müsste noch etwas nach Süden verschoben werden. Der Zugang, als Abschluss der Tivolistrasse ausgestaltet, ist attraktiv und wird von publikumsintensiven Nutzungen gesäumt. Die Kapelle, die Eingangshalle, der Mehrzwecksaal und die Bibliothek versprechen einen öffentlichen und lebendigen Ort. Einzig wünscht man sich, dass das Bistro auch an diesem Raum Anschluss findet und nicht von der Küche konsequent abgeschirmt wird. Tritt man ins Innere des Gebäudes, zeigt sich das Innenleben sehr übersichtlich. Ein über alle Geschosse führender , zentraler Hof führt Licht ins Innere und ermöglicht eine einfache Orientierung. Diese Offenheit steht leider im Widerspruch zur angestrebten Wohnlichkeit, welche durch wohngemeinschaftsähnliche Pflegewohngruppen erzielt werden soll. Der hochöffentliche Hofraum grenzt unmittelbar an die individuellen Pflegezimmer. Es gibt keine feine Abstufung von öffentlich, halböffentlich und privat, sondern nur eine harte Grenze zwischen öffentlichem Auftritt und privatem Rückzug, die nur durch eine dünne Zimmertür definiert wird. Der Hofraum ermöglicht zudem eine schrankenlose , akustische wie auch olfaktorische Wahrnehmung über mehrere Geschosse. Dadurch wird die angestrebte Vertrautheit der einzelnen Pflegewohngruppen gestört. Es ist unumgänglich, dass bei diesem Konzept der Trennung der einzelnen Wohngruppen mehr Priorität eingeräumt werden muss. Die am südlichsten Punkt vorgeschlagenen Wohnräume und grosszügigen Loggien versprechen sehr hohe Aufenthaltsqualität. Die in den beiden obersten Geschossen untergebrachten Wohnungen überze u- gen in der Regel räumlich , wie auch im unmittelbaren Zusammenspiel mit der Struktur der anderen Nutzungen. In den eingeknickten Gebäudeecken jedoch wirken die Wohnungsgrundrisse unkontrolliert. Zudem sind die im Süden gelegenen Wohnungen mit ihren überproportional grossen Balkonen unangemessen bevorteilt. Das 1.Untergeschoss vermag betrieblich nicht zu überzeugen. So lieg en beispielsweise Sitzungs - und Aufenthaltsräume im Dunkeln.

Der architektonische Ausdruck thematisiert die Fügung der einzelnen Zimmer zu einer homogenen, ruhigen Fassadenstruktur, die sich durch den gewählten Massstab und die Materialisierung in Beton wohltuend in den Kontext einfügt. Hölzerne Fenstereinbauten definieren das Verhältnis von Innen und Aussen. Ausblick, Arbeitsbereich und Stauraum werden in diesen Fassadenelementen räumlich geschickt kombiniert und e zeugen eine hohe Wohnlichkeit. Inwiefern eine strukturelle Nähe zur Struktur der Kapelle gesucht werden soll, wird kritisch beurteilt.

Landschaftsarchitektur

Der ypsilonförmige Neubau reagiert auf die topographische Situation. Der Rücken setzt die Hangbebauung fort. Der Querarm in Falllinie reagiert auf den vorspringenden Zwischenboden am Hang im Übergang zum Tal der Brunnhalde. Trotz seinem solitären Ausdruck integriert sich das neue Volumen in die Hangbebauung und setzt die grossmassstäbliche Bauweise der Spitalbauten fort. Er reagiert dadurch präzis auf die örtlichen Eigenheiten. Der Städtebauliche Eingriff definiert drei Aussenräume mit ganz unterschiedlichen Qualitäten: grosszügiger urbaner Platzraum um die Kapelle mit angegliederten Gartenterrassen – natürlich belassener Aussenraum im Übergang zum Taleinschnitt Brunnhalde – gestalteter Strassenraum Rigistrasse mit einer markanten Raumöffnung im Zugangsbereich. Vor allem die Absicht einen möglichst grosszügigen und attraktiven Eingangsbereich um das Herz des Alterszentrums St. Anna – die Kapelle – zu schaffen ist überzeugend umgesetzt worden.

Schlusswürdigung

Gesamthaft handelt es sich bei diesem Entwurf um ein sehr sorgfältig ausgearbeitetes Projekt, welches städtebaulich fasziniert. Die innenräumlichen Qualitäten sind überzeugend, werden jedoch durch die teilweise Negierung der im Wettbewerbsprogramm geforderten Unterteilung der Pflegewohngruppen erst ermöglicht. Dadurch entsteht ein eher konventionell konzipiertes Pflegeheim, dass der Unterschiedlichkeit der einzelnen Pflegewohngruppen nicht gerecht wird und der geforderten Privatsphäre der Bewohner, die in Wohngruppen anvisiert wird, nicht entspricht.