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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2022

Umgestaltung August-Bebel-Platz in Bochum

Anerkennung

Preisgeld: 11.990 EUR

Schamp & Partner

Stadtplanung / Städtebau

Büro N - Städte / Gärten / Landschaften

Landschaftsarchitektur

ambrosius blanke verkehr.infrastruktur

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

STÄDTEBAULICHES-FREIRAUMPLANERISCHES KONZEPT
Die heutige, aus städtebaulicher Sicht nach Norden aufgelöst wirkende Fassung des August-Bebel-Platz wird durch eine Neubebauung im Bereich der heutigen Stellplatzanlage und eine Neuverortung des ÖPNV Knotenpunktes geordnet und nachhaltig gestärkt. Der in seinem zentralen Bereich nunmehr von Verkehrs-einbauten freigestellte Platzraum wird durch die Neubebauung zu einem erlebbaren, weil in seiner Maßstäblichkeit und Geometrie klassischen Platzraum geformt. Aufgrund der Verlegung des ÖPNV Knotenpunktes kann darüber hinaus die kuppenartige Erhebung der Platzmitte durch Aufgabe der Bahnsteige an dieser Stelle höhentechnisch platzverträglicher gestaltet werden, ohne in die Schienenanlage selbst ein-greifen zu müssen.
Der neue August-Bebel-Platz wird als eine zusammenhängende Platzfläche, die leicht zu den Rändern ab-fällt, gestaltet. Die Barrierewirkung der Haltestellen entfällt durch das Verschieben der Bus – und Straßen-bahnhaltestelle in den nördlichen Bereich.
Es entsteht eine Platzfläche, deren höchster Punkt die Oberkante der Schienen bilden.
Somit ist ein ANKOMMEN auf dem Platz möglich, barrierefrei und mit einer guten Orientierung und Übersicht.
GRÜNE INSELN mit Sitzbänken, die – je nach Höhenlage- als Sockel in die Platzfläche hineinragen, bilden zusammen mit neuen Mastleuchten und Bäumen Sitzgelegenheiten mit Schattenzonen ohne Konsumzwang.
Der Platz wird definiert durch die neue Raumkante nach Norden:
Der derzeitige, sich in drei Teilräume verlierende August-Bebel-Platz wird durch die Neubebauung des heute als Stellplatzanlage genutzten nördlichen Teilraumes vollständig neu gefasst. Ein neues Gebäude stellt sich als Riegel vor die GRÜNE GARAGE, beide bilden zusammen den Mobility-Hub. Für die Obergeschosse des schmalen Gebäudes schlagen wir flexible Wohn-/ Co-Working / Büronutzungen vor für eine weitere Belebung des Platzes.
Die GRÜNE GARAGE soll als rückbaufähige Konstruktion alle notwendigen Stellplätze beinhalten, zudem im EG Car- und Radsharing -Angebote, eine Fahrradwerkstatt, Fahrradboxen für Elektrofahrräder und Lastenfahrräder. Ebenfalls wird hier die Information der BOGESTRA angeordnet.
Die Fassaden der Grünen Garage sind begrünt, die Dachfläche mit kleinem Sportplatz kann als Regenrückhaltefläche genutzt werden.
Die Platzfläche wird später von allen Einbauten befreit, (das Café muss zunächst erhalten bleiben), so kann der Platz durch einen Wochenmarkt oder andere Veranstaltungen bespielt werden.
Das CAFÉ zieht in das Erdgeschoss des Gebäudes im Norden um, es bespielt so mit gastronomischem Angebot den August-Bebel Platz.
Bezüglich des Teilraums der Friedrich-Ebert-Straße übernimmt der neu verortete ÖPNV-Knotenpunkt aus städtebaulicher Sicht ebenfalls die Funktion der Platzfassung. Der heute aufgrund der Überbetonung der Verkehrsräume wie wegfließende Platzraum August-Bebel-Platz wird verstetigt und verklart und eindeutig auf die Randbebauung mit ihren platzrelevanten Nutzungsangeboten bezogen.

RAUMPRÄGENDES GRÜN / GRÜNKONZEPT
Die auf der heutigen zentralen Platzfläche befindlichen Bäume werden erhalten und durch weitere Bäume klimaresilienter Arten ergänzt. Die so entstehenden, vielgestaltigen Baumgruppen werden durch Baum-beete, die aufgrund des Höhenverlaufs des Platzes in Teilen Sitzhöhe erreichen, zu Inseln zusammengefasst, die den Platz rhythmisieren und künftig schattenspendende Treffpunkte innerhalb der gesamten Platzfläche anbieten.
Die den Platz querende Schienenanlage wird innerhalb zweier Bereiche als gegenüber der reinen Gleisanlage räumlich erweitertes Rasengleis geführt.
Die Entwässerung des Platzes wird mit unterirdischen Speicherrigolen kombiniert, die Regenwasser der Versickerung und insbesondere den Baumstandorten zuführen, bevor die Weiterleitung in den Kanal er-folgt. Die Bewirtschaftung der Platzfläche im Winterdienst ist darauf anzupassen.

BRUNNEN
Der historische Brunnen wird durch eine die Bauminseln spiegelnde Fläche aus wassergebundener Decke in die Neugestaltung integriert und saniert. Dieser bildet künftig einen Treff- und Spielpunkt im unmittelbaren Anschlussbereich an die Fußgängerzone der westlichen Hochstraße.

BELEUCHTUNG
Der zentrale Platzraum erhält eine Beleuchtung über frei gestellte, tendenziell skulpturale Lichtstelen, die durch ihre Ausstattung mit jeweils mehreren Lichtpunkten alle Beleuchtungsaufgaben einschließlich der (ggf. auch intermittierenden und in diesem Sinne nächtliche Ruhezeiten einhaltenden) Anstrahlung von Bäumen übernehmen können.
Der ÖPNV Knotenpunkt wird über Leuchten mit niedrigerer Lichtpunkthöhe ausgeleuchtet.

MATERIALKONZEPT
Der August-Bebel-Platz erhält eine vollständige Neubefestigung durch ein in Farbe und Format gestaffeltes Pflastersystem aus Beton-Großplatten und Betonsteinpflaster. Die Wahl der Formate und die Ausrichtung der Teilflächen reagiert auf die subtile Winkligkeit der Randbebauung, individualisiert ebenso subtil Teilflächen vor den Gebäuden und betont den zentralen Großraum durch ebensolche Formate. Die Farbgebung der Befestigung in einem warmen Cremeweiß, abgestuft in drei nah zueinanderstehenden Schattierungen unterstützt die Bildung von Maßstäblichkeit und Aufenthaltsqualität innerhalb des großen Stadtplatzes. Helle Bodenbeläge reflektieren Sonnenstrahlung und verhindern das Aufheizen des Platzes.

MÖBLIERUNG
Die als Sitzelemente dienenden Bauminseln bieten innerhalb des gesamten Platzraumes umfängliche Sitzmöglichkeiten an, die sowohl mit als auch ohne Lehnen ausgeführt werden. Eine weitere Möblierung ist nicht vorgesehen.

VERKEHRLICHE TRANSFORMATION
Das Gesamtkonzept der Umgestaltung des August-Bebel-Platzes ist geprägt durch die Herausnahme von Individualverkehren aus der Platzmitte. Diese soll in ihrer derzeitigen Funktion als rein verkehrlicher Umschlagspunkt hin zu einem Raum des Zusammenkommens - Ankommen und Platz nehmen - gewandelt werden. Für ein Gelingen dieser Transformation ist das prägende Bild des konzentrierten Verkehrspunktes in der Mitte zu verlagern, was durch zwei wesentliche verkehrliche Maßnahmen greifbar wird. Zum einen wird als Teil des Nutzungsmixes der motorisierte Individualverkehr auf den zulaufenden Achsen Nordwest und Südost umgeleitet und so eine Umgebung mit minimalen verkehrlichen Belastungen erzeugt, die eine hohe Aufenthaltsqualität für Passanten und nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmende (Umweltverbund) bedeutet.
Lediglich der öffentliche Personennahverkehr und Fahrzeuge der Anlieferverkehre dürfen den zentralen Bereich befahren. Zum anderen werden alternative Fortbewegungsmittel gestärkt und in neuer Lage konzentriert. Die Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehres erhalten eine neue Lage, die weniger einschneidend und dennoch zentral erreichbar ist. Kombiniert mit weitergehenden Angeboten wird so ein kompakter Mobilitätsbereich geschaffen. Hierbei sind die angrenzenden Knotenpunkte sowohl verkehrs-technisch als auch städtebaulich anzupassen, sodass insgesamt eine Symbiose aus verkehrssicherer Lenkung der Verkehrsteilnehmenden und einer architektonischen Gestaltungskonzeption entsteht.

ÖPNV
Zur Umsetzung der zentralen Idee des neuen August-Bebel-Platzes ist die Verlagerung des bisher sehr im Vordergrund stehenden Umstiegspunktes unumgänglich. Dieser erscheint sowohl baulich als auch bedingt durch seine Funktion als ein trennendes Objekt innerhalb der Fläche, welche die Sichtbeziehungen der Platzbereiche nicht zulässt. Aus diesem Grund wird der Haltestellenblock aus Straßenbahn- und Bushaltestellenbereich entlang des bestehenden Gleisverlaufes in Richtung Nordwest verschoben. Dies öffnet den Blick über den Platz und schafft im nördlichen Platzeingang eine neue gebündelte Situation verkehrlicher Anlagen.
Hinsichtlich der Funktionalität ist die neue Lage und Ausgestaltung der Haltestellen dem Bestand gleich-wertig, ohne Einschränkungen der Betriebsabläufe. Ergänzt wird dies durch Taxistellplätze, Radabstellanlagen und einem Mobilitätspunkt in direkter Nähe, sodass ein verkehrsmittelübergreifender Raum entsteht, der nachhaltig die alternative Mobilität fördert und stärkt. Dies wird ebenfalls durch eine attraktive Ausstattung der Wartebereiche unterstützt. Eine einladende Fläche mit Überdachung und die Möglichkeit einer Nutzung der Wartezeit durch Angebote des Platzes bieten eine Qualitätssteigerung für Fahrgäste des ÖPNV.
Sowohl die Straßenbahn- als auch die Buslinien verlaufen als niveaugleiche Elemente über den Platz. Eine Abgrenzung der Fahrwege wird dezent, aber prägnant in die Gestaltung der Oberfläche integriert, sodass die Verkehrssicherheit stets berücksichtigt und eine Gefährdung vermieden wird. So lassen sich Flächen der unterschiedlichen Nutzergruppen differenzieren und im Alltag harmonisch verbinden.
Ruhender Verkehr
Der ruhende Verkehr am August-Bebel-Platz wird, wie im Bestand ebenfalls auf den städtischen Parkplatz P3 sowie den anliegenden Straßen Voedestraße und Hochstraße begrenzt. In Verbindung des Neubaus auf der Voedestraße als Lückenschluss der Randbebauung wird der Parkplatz P3 in Form einer „Grünen Garage“ aufgegriffen und städtebaulich integriert.
Dem Gedanken einer Mobilitätswende und Förderung der alternativen Fortbewegungsmittel folgend, wird die Kapazität der Stellplätze auf dem Platz verringert und entspricht so der gewünschten Entwicklung und dem allgemeinen Tenor der aktuellen Zeit. Insgesamt befinden sich in der GRÜNEN GARAGE ca. 150 Stellplätze, von denen ca. 20 – 30 für den Neubau vorgesehen sind.
Im Erdgeschoss der GRÜNEN GARAGE können 30 -34 Stellplätze angeordnet werden.
Die Erschließung der Parkierungsanlagen geschieht vollständig autark vom August-Bebel-Platz über die Voedestraße, sodass hier kein konzeptioneller Konflikt des MIV freien Platzes entsteht.

MULTIFUNKTION DER PLATZFLÄCHE
Die beschriebenen Bauminseln und der erhaltene historische Brunnen bilden neben dem freistehenden Gastronomiegebäude die einzigen Einbauten innerhalb des Platzes; der Platz selbst spannt sich von Raumkante zu Raumkante und kann in diesem Sinne sowohl aus der Sicht der Randnutzungen als auch für einen erweiterten Wochenmarkt oder bezüglich künftiger (Groß-) Veranstaltungen, frei genutzt werden.

BARRIEREFREIHEIT
Aufgrund des vollständigen Verzichts auf Treppen, Mauern oder sonstige Einbauten ist der gesamte Platz barrierefrei. Dies gilt auch für die Bahnsteige, die aufgrund ihrer Lage im Platzgefälle mit geringen Steigungen erschlossen werden können. Taktile Leitsysteme werden in den weiteren Planungsstufen unter Einbeziehung der städtischen Fachämter und Betroffenenvereinigungen integriert.

FLANKIERENDE MASSNAHMEN
Die östliche Hochstraße und die Voedestraße erhalten im Rahmen der Neuanlage des August-Bebel-Platzes alleeartig die Gehwege und Stellplätze rhythmisierende Straßenbäume.

WIRTSCHAFTLICHKEIT UND NACHHALTIGKEIT
Die Konstruktion der Grünen Garage ist rückbaufähig. Wenn die Garage nicht mehr erforderlich ist, kann diese verkleinert werden oder es kann an derselben Stelle en anderes Gebäude errichtet werden. Bis da-hin soll die Garage als KLIMAPUFFER arbeiten, durch eine intensive Fassadenbegrünung Feinstaub bin-den, CO2 verarbeiten und im Sommer die Aufheizung des Platzes mildern. Die grünen Inseln sind eine wirtschaftliche Form von Stadtmobiliar und Umfassung der Baumstandorte, die zu größeren Gruppen zusammengefasst sind.
Die Verlegung des Haltestellenblocks kann mit modulgleichen geschwungenen Dachelementen, die auf das Strassengefälle reagieren, wirtschaftlich ausgeführt werden. Zu überprüfen und wünschenswert ist die Wiederwendung des Belagmaterials, sofern die Belastung und der Unterbau es zulassen, in Kombination mit einem hellen und großformatigen Betonstein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch eine klare Definition des Stadtraums aus, die den August-Bebel-Platz im vielschichtig geformten städtebaulichen Umfeld hervorhebt. Insbesondere wird die nördliche Platzkante durch einen neuen Baukörper definiert, welcher sich gut nachvollziehbar auf die Traufhöhe der Platzbebauung bezieht und die Flucht des aus der östlichen Seite herausrückenden achtgeschossigen Hochhauses aufnimmt. Eine fünf geschossige Parkgarage besetzt den nördlichen Raum der heutigen Stellplatzfläche in einem sehr massigen Volumen, was die Qualität der anliegenden Nutzungen einschränkt. Wenn gleich eine Umwegung der neuen Baukörper vorgesehen ist, bleibt die Qualität dieser Stadträume fragwürdig.

Die Platzfläche wird von den Rampen der Haltesteige sowie Schutzdächern freigehalten und bietet so Raum für eine Neuinterpretation des Platzes, auch wenn weiterhin die Straßenbahn und Busse den Platz queren und eine freie Nutz- und Bespielbarkeit einschränken. Die Freiraumgestaltung mit wenigen, gekurvten Elementen ist angenehm zurückhaltend und bildet für einen Pavillon, Pflanzbeete und Sitzbänke eine einheitliche Sprache. Angemessene Zonierungen auf beiden Seiten des Platzes und vor dem Neubau an der Nordseite, werden durch diese Elemente geschaffen. Hingegen bleibt die Platzmitte zwangsläufig frei. 

Erkauft wird die Schaffung eines von den Anlagen des öffentlichen Verkehrs freigehaltenen Platzes mit der Verlegung der Fahrsteige in den nördlichen Teil des August-Bebel-Platzes.

Hier zeigt sich die Schwäche des Konzeptes, da die frequentierten Bereiche des öffentlichen Nahverkehrs in die engen Randbereiche des Platzes geschoben werden und so Konflikte auf den Fahrspuren, auf denen sich auch die Radfahrer bewegen, erzeugen. Die Lage der östlichen Bushaltestelle zeigt eklatant dieses Dilemma. 

Sehr grundsätzlich wird die Verlegung der frequenzstraken Nutzung aus dem Platz in den Randbereich äußerst kritisch bewertet, da nach wie vor Gleise und Fahrspuren die Platzmitte belegen, ohne einen wesentlichen Mehrwert für den Platz zu erreichen.

Die Haltung des Verfassers zur Ausformung des Stadtraums wird ausdrücklich begrüßt, die Realitäten des Nahverkehrs können jedoch nicht ausgeblendet werden.

So weist die Arbeit, mit einem zu würdigenden stadträumlichen Ansatz, Schwächen in fehlenden Lösungen zur Gestaltung von Verkehrsanlagen im Platzraum auf, die die Neupositionierung des Haltepunkts aufgrund der Nachteile nicht aufwiegt.