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Einladungswettbewerb | 02/2023

Neubau der Trauerhalle Friedhof OT Seckenheim in Mannheim

2. Preis

Preisgeld: 7.000 EUR

Kaupp + Franck Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Der Anbau wird selbstbewusst parallel neben das Langhaus des Bestandbaus gestellt, verbindet räumlich den stimmungsvollen Eingangshof des Friedhofs mit dem Verbindungsbereich der historischen Friedhofsfläche und seiner Erweiterungsfläche. Im Anbau der Trauerhalle finden 48 Personen Platz, im historischen Bestandsteil der Trauerhalle weitere 42 Personen. Zusätzlich entstehen Außenflächen, die im Sommer zur Erweiterung der Trauerhalle genutzt werden können - Innen und Außen gehen nahtlos ineinander [...]
Der Massivbau der historischen Trauerhalle mit seiner steinernen Materialität wird ergänzt durch einen Anbau in Holz, der eine Außenhülle aus strukturierten und eingefärbten Solarmodulen sowie eine Wärmeschutzverglasung aus solarem, ornamental wirkenden Verbundsicherheitsglas erhält. [...] Historischer Materialität wird neuzeitliche Materialität gegenübergestellt - der geschützte
introvertierten Bestandsraum wird durch die Öffnung des Anbaus in Holz zum Außenraum ergänzt - beide Qualitäten werden in einem
Raum erfahrbar.

Die Verglasung der Giebelflächen gibt den Blick in die Kronen der ortsprägenden Bestandsbäume frei, die im Südosten durch Pflanzung von drei Bäumen ergänzt werden. Durch die zentrale Lage der Aufbahrungsfläche des Sargs und des Trauerrednerpults ist eine
Nutzung durch große und durch kleine Trauergemeinden möglich [...] eine flexible Nutzung. Überkonfessionell und multikulturell werden dadurch die unterschiedlichsten Arten von Trauerfeiern ermöglicht.

Die Beheizung des Anbaus erfolgt über eine Luftwärmepumpe, die im gut durchlüfteten, nicht gedämmten Dachraum des Eingangsgebäudes untergebracht werden kann. Die bauzeitliche Decke über den Nutzräumen im Erdgeschoss wird gedämmt und bildet die thermische Hülle. Neben dem Anbau können auch Teile des denkmalgeschützten Bestandbaus mit Niedertemperatur-Fußboden oder -Wandheizung beheizt werden.

Ressourcensparend und materialeffizient wird die Photovoltaik in das Gebäudekonzept integriert. Es werden ohnehin erforderliche Flächen synergetisch genutzt. Die Photovoltaik übernimmt als Außenhaut von Dach und Wand die Funktion der Fassade. Die Photovoltaik wandelt sich vom reinen Baustein der Energieerzeugung zu einem Element der Baukultur. Die gewonnene Energie wird ganz im Sinne der Photovoltaikinitiative der Stadt direkt im Eigenverbrauch zur Wärmeerzeugung, Kälteerzeugung, Licht und PA-Technik genutzt. Durch diesen Eigenverbrauch werden Unterhaltskosten eingespart.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf ergänzt den denkmalgeschützten Altbauteil durch den Ersatzneubau der Trauerhalle als eigenständigen, daneben gestellten archetypischen Baukörper mit steilem Satteldach. Mit diesem Ansatz stellt sich die Arbeit selbst zwei Aufgaben, an denen sie sich messen lassen muss. Die „Kunst der Fuge“ und den qualitativen Dialog „Alt/Denkmal-Neu/Erweiterungsbau“. Bereits hier führt der Beitrag zu unterschiedlichen Sichtweisen innerhalb der Jury. Die lichtdurchflutete Holzarchitektur des Innenraumes mit zwei vollverglasten Giebelseiten wirkt zunächst sympathisch, offen und zeitgemäß. Die Außenhülle der Traufseiten als komplette Photovoltaikhaut (bzw. eingefärbtes Glas in Schattenlagen) erscheint, wenn auch in rötlicher Farbgebung, primär als monochrom reflektierendes Glashaus, das trotz Einfärbung für den Dialog mit dem vorhandenen Sandstein keinen rechten Bezug zum Altbau aufzeigt und somit bauplastisch nicht wirklich zu überzeugen vermag. Die Kubatur des Neubaus erinnert bei den anwesenden Seckenheimer Jurymitgliedern zudem an die Typologie der lokalen Tabakscheunen und kann in der Transformation nicht wirklich eine referentielle Lösung für die Bauaufgabe herausarbeiten. Insgesamt isoliert sich der Neubau eher in seiner städtebaulichen Stellung und Kombination mit dem Altbau und wird nur begrenzt als spannende Ergänzung empfunden. Durch die massive Überschreitung der Firsthöhe des Altbaus steht zudem eine denkmalrechtliche Zustimmung in Frage, sie erscheint aber auch entwurflich nicht zwingend notwendig und rückt auch der Krone des imposanten Silberahorns im Innenbereich recht nahe.

Entsprechend der Konzeptidee, beide Giebelseiten komplett zu verglasen und auch öffenbar zu machen und somit den Bezug zwischen Innen- und Außenraum aufzubauen, werden die direkt angelagerten Freibereiche konsequenterweise in den Entwurf mit einbezogen, was explizit von der Jury als Anregung gewürdigt wird. Im Bereich des inneren Hofes wirkt dieser Bezug durchaus stimmig, im südöstlichen Bereich erzeugt er allerdings eher Konflikte. Vorhandener Zugang und Zufahrt in diesem Bereich werden beeinträchtigt und können zu Kollisionen führen. Da dort auch Friedhofsbesucher und der Friedhofsbauhof einen häufig genutzten Zugang haben, müsste die Frage nach einer hinreichenden Intimität einer Trauerfeier durch diese möglichen Störungen beantwortet werden. Wie dargestellt könnte die Trauergesellschaft eher hierdurch gestört werden. Die vorgeschlagenen neuen Baumpflanzungen in diesem Bereich greifen zudem in die noch vorhandenen Gräberfelder ein.
Sehr interessante Konstellationen eröffnet die Idee, den Neubauteil als kleine Programmfläche mit einem größeren Teilbereich im Altbau zu kombinieren, auch wenn dies im Umgang mit dem Altbau und Denkmalschutz auch für innere Raumabfolgen nicht unproblematisch erscheint. Die L-förmig mögliche Raumkonfiguration eröffnet viele unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten, allerdings mit sehr unterschiedlichen räumlichen Qualitäten insbesondere im Deckenbereich. Diese Nutzungsqualität wird aber auch mit mehreren Nachteilen erkauft. Es gibt für größere Veranstaltungen keine gleichwertigen Raumerlebnisse. An diesem Punkt ignoriert der Entwurf auch die „Kunst der Fuge“, er überspielt im Grundriss, dass diese L-förmige Konfiguration durch den niedrigen Verbindungsbau, der zudem auch als beidseitiger enger Zugang fungiert, räumlich nicht wirklich überzeugend ausformuliert ist. Bei großen Trauerfeiern kommt es somit zu höchst unterschiedlichen Raumerlebnissen, die auch in vielen Teilen ohne räumlichen Sichtbezug der Trauergemeinde auskommen muss, da die Fuge den Altbauteil räumlich und optisch stark abkoppelt. Auch der rekonstruierte Anbau im denkmalgeschützten Altbau, der als Orgelnische angeboten wird, ist funktional nicht überzeugend, da der Organist keinen angemessen visuellen Bezug zur Trauerfeier erhält.

Der Entwurf weist bei kleiner Programmfläche aufgrund seiner gewählten Bauform einen hohen Bruttorauminhalt BRI auf, zudem lassen die gewählte Raumkonstellation und die beiden harten verglasten Giebelwände auch aufwändige Raumakustikmaßnahmen und im Sommerfall auch Verschattungsnotwendigkeiten erwarten, die noch nicht dargestellt wurden.

Der Entwurf liefert für die Diskussion innerhalb der Jury einen wertvollen Beitrag zur gestellten Bauaufgabe, insbesondere auch zur Frage von Offenheit und Geschlossenheit eines FriedhofTrauersaals, einer möglichen Mehrfachnutzung über die Trauerfeiern hinaus, der Einbindung der umgebenden Außenanlagen, die allerdings nicht Wettbewerbsbestandteil der Auslobung waren und zuletzt auch zu einer offen und intensiv geführten Diskussion zu der angemessenen und notwendigen Frage einer nachhaltigen baulichen Antwort auch für diese kleine Bauaufgabe im Rahmen ihrer wirtschaftlich begrenzten Möglichkeiten.