modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 07/2022

Gesamterneuerung Gewerbliches Berufs- und Weiterbildungszentrum in St.Gallen (CH)

4. Rang / 3. Preis

Preisgeld: 20.000 CHF

Pablo Horváth

Architektur

bernath + widmer Architekten

Architektur

Zwischenraum – Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Takt Baumanagement AG

Projektsteuerung

Dr. Deuring + Oehninger AG

Tragwerksplanung

anex Ingenieure AG, Zürich

TGA-Fachplanung

Kopitsis Bauphysik AG

Bauphysik

AFC Air Flow Consulting AG

Brandschutzplanung

Indievisual AG

Visualisierung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt KONTINUUM basiert auf der sorgfältigen und wertschätzenden Analyse des Bestands und zielt auf einen bewussten Umgang mit dessen Strukturen ab. Dabei setzt das Projekt dort an, wo die plastische Architektur des Brutalismus ihr grösstes Potenzial, im Fall der GBS-Anlage aber auch ihr grösstes Defizit, hat: nämlich bei der Wechselwirkung von Rohbaustruktur und Raumqualität. Gemäss Verfassenden will das Projekt KONTINUUM die Erweiterung «plastisch mit dem Bestand verkneten».

Dafür wird der zweigeschossige Sockel der Anlage bis zur Sporthalle weitergebaut, wo im 1. Untergeschoss auf gelungene Weise ein neuer Hauptzugang zum Sportbereich geschaffen wird. Aus dem Sockel wächst zwischen Hauptbau und Sporthalle ein drittes Volumen hervor, das mit seinen vier Geschossen dieselbe Gebäudehöhe wie der westliche Kunstgewerbetrakt erreicht. Für die Erschliessung des neuen Volumens wird das Erdgeschoss nach Osten erweitert. Der Sockel und das Neubauvolumen übernehmen mit ihrer Tragstruktur exakt das Grundraster des Bestands, womit die Kontinuität der räumlichen Charakteristik aufgebaut wird. Der neue Strassenwärter-Stützpunkt dockt gegen Westen an den bestehenden Sockel an. Damit entsteht eine gelungene Balance zwischen den drei hohen Schulbaukörpern und den drei niederen Volumina für Aula, Sport und Infrastruktur.

Die überzeugende städtebauliche Grunddisposition widerspiegelt sich auch in der Organisation des Freiraums. Die Grundstrukturen und Typologien des Bestands – der Vorplatz als Adresse, die verlängerte Terrasse als Aufenthaltsort und der südliche Freiraum als Grünraum – bleiben mit der Erweiterung erhalten. Um die angestrebte Kontinuität zu erzielen, werden der Vorplatz mit dem Haupteingang und die Vorzone entlang der Demutstrasse weitestgehend belassen. Viel Wert legt der Entwurf auf die Reaktivierung und Aufwertung der Aufenthaltsbereiche im Süden: Die Umgestaltung der Terrasse schafft ein stark durchgrüntes Bild. Die zahlreichen, in Platzierung und Formenrepertoire aber noch zu beliebigen Grünflächen fragmentieren die Terrasse jedoch zu stark. In Stosszeiten können sie die Durchgänge beengen. Unklar bleibt auch, wie der Wurzelraum für die bodenebene Begrünung geschaffen wird. Drei Freitreppen binden die Terrassenebene an den Parkraum auf Erdgeschossniveau an. Die parkartige Grundgestaltung dieses Raums ist gut vorstellbar. In Frage zu stellen sind allerdings die grossen, wenn auch chaussierten Erschliessungs- und Platzflächen. Unverständlich sind die Baumcarrées am Gebäude. Zwar sind gebäudenahe Aufenthaltsflächen und Baumschatten sehr willkommen, die Formensprache der Karrées, die sich zudem sehr nah an die Gebäude drängen, ist im gestalterischen Kontext aber fremd.

Die Organisation der Schule folgt den im Raumprogramm formulierten Ansprüchen, wobei in den Unterrichtsbereichen der Sockelgeschosse und denjenigen der Hochbauten zwei unterschiedliche Raumqualitäten formuliert werden. Die hohen Werkstatträume des 2. Untergeschosses werden vorwiegend zu Ateliers für die gestalterischen Berufe umfunktioniert. Um die Belichtungssituation zu verbessern, werden im mittleren und neuen östlichen Sockelteil vier Höfe in die Struktur geschnitten. Beim Aufgang zum Haupteingang belichtet ein kleiner Hof die Treppe und den Essraum der Mensa. Diese Bereinigung ist räumlich sinnvoll, belichtungstechnisch aber nicht besonders bedeutsam.

Der grosse Hof südlich der Mensa ist nicht ideal positioniert, da er sehr nah an der Südfront der Mensa liegt und zudem von der Aula teilüberdeckt wird. Der neue Hof am Übergang zum Neubau überzeugt in Setzung und Grösse. Weniger überzeugt der Hof südlich des Neubaus: Was als Intervention im Bestand denkbar ist, wirkt in einer Neubau-Setzung zu engmaschig und deshalb auch zu wenig strategisch. Den drei kleinen Durchbrüchen, die aus den zu verglasenden Lichtschächten der Hochbauten in den Sockel stechen, wird keine nennenswerte Verbesserung der belichtungstechnischen und räumlichen Situation zugesprochen.

Zwischen der Eingangshalle und der Mensa im 1. Untergeschoss wird eine grosszügige Treppenanlage eingebaut. Diese ist über ein an delikater Stelle aus dem Dach geschnittenen Oblicht gut belichtet. Die Mensa ist um die neue grosse Treppe organisiert. Die volle Integration der Mensa in die Korridorlandschaft bringt die gewünschte informelle Kommunikations- und Lernstimmung in die Schule, führt aber auch zu betrieblichen Einschränkungen (Lärm, Geruch). Dieser Hallenbereich ist aus brandschutztechnischer Sicht aufwändig, da mit einer Sprinkleranlage gesichert.

Die drei praktisch flächengleichen Hauptbaukörper weisen alle ungefähr gleich grosse Etagenflächen aus. Die betriebliche Verbindung dieser horizontal nicht gekoppelten Einheiten ist jedoch nur vertikal möglich. Die Aktivierung der Korridore über die Atrien und über die neuen Servicekerne überzeugt nicht, da aus brandschutztechnischen Gründen zwischen Luftraum und offener Lernlandschaft eine brandsichere Verglasung eingebaut werden müsste. Die kleinteiligen Interventionen im Altbau werden im Neubau exakt wiederholt, was ebenfalls stark hinterfragt wird. Als ungenügend wird aus betrieblicher Sicht der Strassenwärter-Stützpunkt beurteilt. Die Organisation der Einstellhalle wird nicht gelöst. Insbesondere die Nutzungsüberschneidung mit der GBS-Anlieferung ist problematisch.
Die konstruktiven Konzepte sind beim Projekt KONTINUUM sehr bewusst und zeitgemäss gesetzt. Der Neubau wird als Holzbau, der die gleichen Spannweiten wie der historische Betonbau überspannt, umgesetzt. Dies ist mit leistungsfähigen Pfeilern aus Stabbuche und mit in der statischen Höhe optimierten Holz-Beton-Verbunddecken aus unverleimtem Holz sehr plausibel. Die gesamte Gebäudehülle wird neu mit einer aluminiumverkleideten Holzkonstruktion umhüllt. Damit können die bestehenden Betonpfeiler, die heute exponiert sind, vor weiterer Bewitterung geschützt werden. Die Stirnseiten werden wiederum mit den bestehenden Betonelementen oder allenfalls mit neuen, faserarmierten Leichtbetonelementen ausgebildet. An den Längsfassaden werden in Anlehnung an den Kämpfer der Bestandsfassade Gitterroste als Bris-Soleil vormontiert. Photovoltaikanlagen befinden sich nur auf dem Dach. Die Nachweise zu SIA 2040 sind nur auf rudimentäre Weise erbracht.

Insgesamt zeichnet sich das Projekt KONTINUUM durch eine angemessene Konzeption und deren sehr präzise Durchführung aus. Die Eingriffe in die bestehenden Strukturen sind nachvollziehbar und inspiriert. Gleichzeitig wirken sie aber auch zu engmaschig gestrickt und können die erhoffte räumliche Qualität nicht überall erzielen. Die betrieblichen, ökonomischen und konstruktiven Aspekte sind mit wenigen Ausnahmen auf gute Weise zusammengebracht. Die Kennwerte bezüglich Volumetrie und Flächeneffizienz liegen ebenfalls im guten Durchschnitt. Weniger zu überzeugen vermögen der architektonische Ausdruck im Innern wie auch an der neuen Fassade. Die Sprachlichkeit schwankt zwischen abstrakten technischen Elementen und motivischen Reminiszenzen aus der «Postmoderne», was in der Plastizität des Beton-Brutalismus jedoch aufgesetzt wirkt.