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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2014

Inszenierung Kapellbrücke und Wasserturm

Szenerie im Wandel

Teilnahme

Agence Ter

Landschaftsarchitektur

Wolf Gutjahr Bühnenbild

Szenographie

Erläuterungstext

Die Kapellbrücke als Teil der Stadthistorie wieder sichtbar machen
Das Ensemble der Kapellbrücke Luzern mit ihren wundervollen Bilderzyklen und dem imposanten Wasserturm soll in neuem und würdigem Licht erstrahlen. Ziel dabei ist nicht nur eine Inszenierung und das Einbeziehen dieser Gebäude in den größeren Zusammenhang des Plan Lumière, sondern auch das Sichtbarmachen der überformten historischen und städtebaulichen Bezüge dieses Ensembles. Die Kapellbrücke, die sich wie ein Band über die Reuss spannt, ist Teil einer im Stadtbild kaum noch wahrnehmbaren Begrenzung der Wehranlagen um den ältesten Teil der Stadt Luzern. Zu dieser Begrenzung gehören auch die nicht mehr existente Hofbrücke und die noch vorhandene Spreurerbrücke. Der im Plan Lumière bereits eingeschlagene Weg, städtebauliche und historische Strukturen hervorzuheben und zu charakterisieren - wie beispielsweise bei den Musegg-Türmen - wird durch dieses Projekt erweitert und fortgeschrieben. Das Ensemble von Kapellbrücke und Wasserturm wird so nicht nur zur magisch leuchtenden Spange im nächtlichen Stadtbild, sondern markanter Teil einer Lichtgestaltung, die sich um die gesamte innere Altstadt legt und einen stringenten Lückenschluss zu bereits bestehenden lichtgestalterischen Planungen bildet. Die Kapellbrücke hat zwei unterschiedliche Schauseiten, bedingt durch ihre historische Funktion in Bezug auf die historische Stadtanlage Luzerns. Die Seeseite mir ihrer höheren Wehrbrüstung vermittelt ein geschlosseneres Bild und legt sich fast wie ein horizontales Band vor die Altstadtansicht. Von der Altstadtseite her wird der Blick dagegen durch die Brücke hindurch auf das Panorama der grandiosen Landschaft an den Ufern des Vierwaldstätter Sees gelenkt. Die Idee des Innen und Außen des historischen Stadtgrundrisses wird durch das vorliegende Konzept auch in der Nachtwirkung herausgearbeitet und da besonders sichtbar gemacht. Im Sinne einer kohärenten Gesamtkonzeption empfiehlt es sich, diese Lichtgestaltung im Grundsatz auch auf die Spreurerbrücke zu übertragen.
Als Anregung schlagen wir vor, dass die sommerliche Geraniendekoration im Zuge der Neustrukturierung des Erscheinungsbildes des Gesamtensembles nur auf der Altstadtseite der Brücke verbleibt. Auf der Seeseite, der Wehrfassade, sollte auf eine Blumendekoration verzichtet werden. Die vorgeschlagene Neustrukturierung, resultierend aus den historisch unterschiedlichen architektonischen Funktionen, betont die jeweiligen Kapazitäten der Brückenfassaden des historischen Ensembles deutlicher und kann so zu einer größeren Klarheit der Lichtinszenierung führen. Die Altstadtseite setzt mit ihrer vorhandenen offeneren Struktur, der dahinter sichtbar werdenden Dynamik der vorbeilaufenden Passanten und der physischen Nähe zu den Altstadtgebäuden einen Kontrast zur Weite und Herrschaftlichkeit des Seepanoramas. Diese außergewöhnliche “Zweiseitigkeit“ der Brücke bildet die Grundlage des vorliegenden Beleuchtungskonzeptes.

Das innere und das äußere Erscheinungsbild gestalten
Das Äußere - die Fernwirkung
Vor dem heterogenen Beleuchtungsumfeld des nächtlichen Panoramas von Altstadt, Neustadt und See werden die Fassaden der Kapellbrücke durch eine klare und ruhige Ausleuchtung mit Projektoren bei Nacht sichtbar gemacht. Die architektonische und regelmäßige Struktur des horizontalen Brückenkörpers und damit der Brückenschlag zwischen den Altstadtufern werden optisch hervorgehoben. Das Äußere und das Innere der Kapellbrücke werden durch unterschiedliche Lichtfarben klar akzentuiert. Die Lichtreflektionen der bestehenden Brückenbeleuchtung im Flussraum der Reuss werden nach Vorbild des Wasserturms durch die flächige Ausleuchtung der Brückenfassaden beruhigt und reduziert und bilden als Ergänzung zur Vertikalen des Turms das architektonische Bild des horizontalen Baukörpers ab. Auf diese Weise nähert sich das Erscheinungsbild des Gebäudeensembles bei Tag und bei Nacht deutlich an.
Die Kapellbrücke präsentiert sich mit ihren verschieden hohen Brüstungen zur Stadt und zum See mit zwei unterschiedlichen Fassadenansichten, die im Jahresverlauf temporär in Szene gesetzt werden. Um das nächtlich ruhige Bild der Stadt weiter zu verstärken und der um sich greifenden Lichtverschmutzung und Energievergeudung zu begegnen, wird die Fassadenbeleuchtung der Kapellbrücke und des Wasserturms im Zusammenhang mit der Beleuchtung der anderen Sehenswürdigkeiten ebenfalls zu gegebener Uhrzeit reduziert oder abgeschaltet.
Die Vertikalität des Wasserturmes wird als Kontrast zum linearen Brückenelement gestalterisch herausgearbeitet, ohne das Bauwerk bis in die Turmspitze beleuchten zu müssen. Seine optische Gelenkfunktion wird betont. Dies erfolgt zum einen durch eine zusätzliche Akzentuierung der Bestandsbeleuchtung, indem die Kanten des achteckigen Bauwerkes präzise betont werden. Als zusätzliches Element kann der Wasserturm durch eine bewusste Integration der Innenraumbeleuchtung in Turmstube und Treppenhaus von innen heraus belebt werden. Der Lichtschein dringt dann durch die sechs Doppelfenster und die Treppenöffnungen in den Stadtraum und verstärkt die nächtliche Präsenz des Turmes.

Das Innere - die Nahwirkung
Um die optische Konkurrenz mit dem nächtlichen Stadtpanorama beim Überqueren der Brücke zu reduzieren, wird die Verkehrsbeleuchtung im Brückeninneren auf das nötige Mindestmaß reduziert. Die Beleuchtungskörper werden einseitig unterhalb des Abschlussquerbalkens der Brüstung zur Seeseite montiert und ermöglichen so die Verkehrssicherheit und die gleichmäßige blendfreie Ausleuchtung der Verkehrswege innerhalb der Brücke. Eine ausreichende Grundausleuchtung wird damit erreicht. Die heute vorherrschende zu hohe Leuchtdichte im Brückengebälk wird reduziert und durch eine bewusste Inszenierung des Bilderzyklus ersetzt. Diese im Giebelraum angebrachte Beleuchtung ergänzt die Verkehrsbeleuchtung: Es entsteht ein angenehm erleuchteter Raum, der einzelne Bildtafeln in Szene setzen kann.

Besondere Akzente - das Ensemble von Kapellbrücke und Wasserturm integriert sich selbstbewusst in den Stadtraum
Die Kapellbrücke verbindet als lineares Lichtband die beiden im Plan Lumière behandelten Uferseiten der Reuss. Dabei wird sie durch ihre Beleuchtung nicht nur im nächtlichen Stadtbild präsenter, sondern sie bietet Passanten entlang der Promenaden und der angrenzenden Brücken eine klare bespielbare Schaufläche.
Die Konstruktion der Brücke mit ihrer Vielzahl an Jochen und Richtungswechseln wird dabei als der wesentliche und herauszuarbeitende Aspekt verstanden. Die Verkehrsbeleuchtung der Brücke wird lediglich an den Binderpfosten ausgespart; dadurch erhält die innere Beleuchtung eine dezente Rhythmisierung. Die Abfolge der Bilderzyklen und deren Betonung durch kleine Strahler verstärken diese Wirkung, die sich vor allem von der Altstadtseite erkennen lässt. Das Augenmerk der Besucher auf der Brücke wird dabei bewusst auf die kunsthistorischen Besonderheiten der Brückenbilder im Dachgebälk gelenkt.
Die Kapellbrücke soll die festliche Weihnachtsbeleuchtung Luzerns ergänzen. Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass die angrenzenden Brücken eine bereits sehr markante und weithin sichtbare Weihnachtsbeleuchtung besitzen, die in ihrer Eigenständigkeit nicht in Frage gestellt werden sollte. Von einer zusätzlichen, dominanten Inszenierung der Kapellbrücke zur Weihnachtszeit wird abgeraten. Sie würde weder der Umgebung gerecht werden, noch dem historischen Bauwerk selbst. Für das Einbeziehen der Kapellbrücke in das vorweihnachtliche Gesamtbild Luzerns wird vielmehr der entgegengesetzte konzeptuelle Weg gewählt: die einzelnen Brückenabschnitte mit ihren Knicken definieren Sichtachsen auf das umliegende Stadtpanorama. Diese optischen Bezugspunkte werden im Stadtbild zur Weihnachtszeit durch Projektionen auf die Gebäude der Altstadt inszeniert: Eine zurückhaltende und doch prägnante Projektion eines Sterns oder eines anderen klar erkennbaren,
weihnachtlichen Motivs auf die historischen Fassaden der Blickachsen bietet den Besuchern einen besonderen Blick von der Brücke in den Stadtraum hinein. So könnte in der Vorweihnachtszeit der Glanz der Kapellbrücke auch auf das umliegende Stadtbild strahlen.
Als Ersatz für die sommerliche Blumendekoration auf der Altstadtfassade der Brücke sollte für die Adventszeit eine dezente Weihnachtsbeleuchtung angebracht werden. Die Brücke kann so in das Gesamtkonzept der Luzerner Weihnachtsbeleuchtung einbezogen werden. Diese Beleuchtung steht aber nicht in Konkurrenz zur den imposanten und opulenten Weihnachtsbeleuchtungen der Seebrücke oder des Rathausstegs, sondern bietet durch ihre zurückhaltende grafische Vertikalstruktur ein atmosphärisch winterliches Pendant zur sommerlich-farbenfrohen Geraniendekoration.
Das Bild von den an der Außenbrüstung hängenden Eiszapfen wird durch einfarbige Lichtleisten unterschiedlicher Länge evoziert. Gegenüber der Weihnachtsbeleuchtung der Seebrücke wirkt die Kapellbrücke als eigenständiger, aber reduziert inszenierter Stadtbaustein.

Die Bilderzyklen als kunsthistorisches Kleinod der Brückenarchitektur
Der Schwerpunkt der Lichtinszenierung innerhalb der Kapellbrücke wird auf die einzigartigen historischen Bildtafeln in der Giebelzone gelegt. Diese Tafeln werden dezent, konservatorisch verträglich und präzise ausgeleuchtet und stehen - im Gegensatz zur heutigen Bestandssituation - präsent und wertvoll vor dem dunkleren Hintergrund des Dachstuhls. Alle auf der Brücke befindlichen Bildtafeln werden mit Licht gezielt in Szene gesetzt, auch die durch die Brandkatastrophe von 1993 verursachten beschädigten Gemälde. Die Einmaligkeit und Kostbarkeit dieses Bilderschatzes
wird betont.
Zu besonderen Gelegenheiten werden einzelne Bildtafeln oder Bildzyklen durch Anheben der Lichtstärke heller und somit deutlicher hervorgehoben. Diese Anlässe können sich auf die Geschichte von Stadt und Kanton Luzern, die Eidgenossenschaft, die Namenstage der Stadtheiligen oder einzelne historische Ereignisse beziehen. So könnte beispielsweise am 22. September, dem Namenstag von St. Mauritius der gesamte Mauritius-Bilderzyklus oder am 2. Oktober, dem Namenstag von St. Leodegar, der gesamte Leodegar-Bilderzyklus als Gruppe heller erstrahlen als die restlichen Bilder. Am 1. August, dem Nationalfeiertag, wird der gesamte Bilderzyklus zur Geschichte der helvetischen Eidgenossenschaft illuminiert. Auch Bildtafeln zu historisch wichtigen Daten, wie die Schlacht von St. Jakob (26. August) oder das Sakramentswunder von Ettliswil (23. Mai), um nur ein paar zu nennen, werden hervorgehoben und die Daten so ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Am Jahrestag des Brückenbrandes von 1993, dem 18. August, sollten alle Giebelbilder hell erleuchtet werden, um die ungeheure gemeinsame Anstrengung und Leistung beim Wiedererstehen der Brücke zu feiern.
Diese Inszenierung der Bildtafeln schlägt den Bogen zur historischen Grundstruktur des originalen Bilderzyklus, die dem Besucher der Stadt Luzern bestimmte kulturelle und politische Grundmomente verdeutlichen und nahebringen wollte. Die genaue terminbezogene und dramaturgische Struktur der Bildausleuchtung wird in enger Abstimmung mit Historikern und Denkmalschützern erarbeitet. In einer weiterführenden Projektstufe könnte auch der Totentanz-Bilderzyklus der Spreurerbrücke in die Dramaturgie des Inszenierungskonzeptes aufgenommen werden. Die Vervollständigung des Beleuchtungskonzeptes mit der Spreurerbrücke ergänzt das bereits im Plan Lumière beabsichtigte Vorgehen, einen weiteren Anreiz zur Erkundung des nächtlich erleuchteten Luzern zu bilden. Bewohnern und Gästen erschließt sich die Stadt mit wunderbaren und historisch bedeutsamen Orten auch abseits bereits etablierter Routen.

Die Kapellbrücke zeigt ihre plakative Seite
An besonderen Terminen wie dem Nationalfeiertag, dem Seenachtsfest und kulturellen Highlights wie dem Lucerne-Festival wird als Ergänzung der neuen Außenbeleuchtung eine punktuelle und klar lesbare Bespielung der Brückenfassade zur Seeseite mit Projektionen geplant. Denkbar sind hier Piktogramme, Signets oder Symbole von klarem Wiederkennungswert, hohem Identifikationsgrad und deutlichem lokalem oder historischem Bezug, die der Würde des architektonischen Ensembles und der Prominenz des Ortes Rechnung tragen. Dabei ist es wichtig, dass die Kapellbrücke nicht als Werbetafel instrumentalisiert wird und wahllos zur Fassadenbespielung mit Projektionen zur Verfügung steht. Mögliche Termine und Projektionsmotive sollten ebenfalls in enger Abstimmung mit Historikern und den dafür zuständigen kommunalen Stellen erfolgen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Projektvorschlag bezieht sich auch auf die hist orische Bedeutung der Holzbrücken als Wehranlagen und schlägt darum (als zusätzliche Möglichkeit) vor, auch die Spreuerbrücke lichttechnisch besonders zu behandeln. Die besondere Lage und die Zweiseitigkeit der Brücken bildet eine wichtige Grundlage des Vorschlags der primär die Seeseite neu in Szene setzt. Konsequenterweise wird deshalb auch die Reduktion des Blumenschmucks auf der Seeseite der Kapellbrücke vorgeschlagen.

Kernelement ist eine subtile Licht-Inszenierung der Brücke und des Wasserturms auf der Seeseite, mit der Idee, das Tagbild dem beleuchteten Nachtbild anzunähern. Der Turm wird durch lineare Leuchtelemente an den vertikalen Kanten und eine optimierte Innenbeleuchtung in seiner Wirkung verstärkt. Die Innenbeleuchtung der Brücke wird zu Gunsten einer besseren Inszenierung der Bilder angepasst. Zudem werden diese zu ausgewählten Terminen besonders in Szene gesetzt. In den Fugen der vertikalen Holzverschalung werden lineare Leuchten angebracht, welche als abstraktes „Eiszapfenmotiv“ während der Weihnachtszeit dienen. An besonderen Tagen sollen zudem Signete, Piktogramme und Symbole im Zusammenhang mit den jeweiligen Ereignissen auf die Seeseite der Brücke projiziert werden. Zusätzlich können von der Brücke weihnächtlichen Motiven auf einzelne Gebäude projiziert werden.

Der Vorschlag ist im Alltag dezent und sehr sorgfältig ausgearbeitet. Brücke, Turm und Bilder in neues Licht gerückt, stehen im Zentrum. Zu verstehen ist er als präzise Akzentuierung des Plan Lumierè für das touristisch wichtigste Bauwerk der Stadt. Die Sonderinszenierung der Brücke ist allerdings sehr plakativ. Fraglich bleibt ob die von touristischer Seite gewünschte zusätzliche Attraktivierung dadurch erreicht werden kann.