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Award / Auszeichnung | 05/2019

Landesbaupreis Mecklenburg-Vorpommern 2019

Neubau und Sanierung Johann-Heinrich-Voß-Haus in Penzlin

DE-17217 Penzlin

Belobigung in der Kategorie „Bausumme ab 1.000.000 €“

Christian Peters Architekt

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Kultur-, Veranstaltungsgebäude

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2018

Projektbeschreibung

Johann-Heinrich-Voß-Haus in Penzlin
Räumlichkeiten für die Johann-Heinrich-Voß-Literaturausstellung, die Touristeninformation, die Stadtbücherei, das Stadtarchiv und eine öffentliche Besuchertoilette

Städtebau und Quartierentwicklung
Das Projekt liegt im Zentrum der historischen Innenstadt von Penzlin, an einer prägenden Raumkante des alten Marktplatzes, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Marienkirche.
Durch die neu geschaffenen Einrichtungen wird eine wichtige Belebung des alten Marktes bewirkt, der bislang von den Besucherströmen wenig profitiert hat, gleichwohl aber ein zentraler Ort der Stadt ist und der in räumlicher Abfolge für die Besucher der Stadt Penzlin als Orientierung dient.
Ausgehend von Überlegungen der Stadt Penzlin, seinem Dichter eine Gedenkstätte zu widmen, entstand nach langer Planung ein komplexes Nutzungskonzept mit vielen vorteilhaften „Überschneidungen“: Voß-Literaturmuseum, Stadtbücherei, Stadtarchiv, Touristen-Information mit Mehrzwecksaal und eine öffentliche Besuchertoilette; alle profitieren voneinander und können je nach Bedarf zusammen oder einzeln genutzt werden.
Gerade im Hinblick auf die Durchführung von Festspielen und Konzerten in der Marienkirche, ist die Herstellung eines externen Foyers mit Besuchertoilette, eine wichtige Ergänzung und Bündelung der öffentlichen Einrichtungen.
Gezielt ist auch für die Anwohner des Quartiers eine „Aneignung“ des Gebäudes in der stillen Nebensaison vorgesehen worden: Hier sind der Mehrzweckraum und die Toiletten separat nutzbar, die frei beweglichen Ausstellungssysteme der Touristeninformation können schnell verschoben und der Mehrzweckraum für individuelle Treffen der Anwohner verfügbar gemacht werden. Auch sind Tagungen der Voß-Gesellschaft und kleinere Konferenzen möglich.

Stadtdenkmal Rektorenhaus
Das ehemalige Rektorenhaus -in dem der junge Voß die Latein- und Griechischschule besuchte- ist ein wichtiges Baueinzeldenkmal, in dem bereits umfangreiche Maßnahmen in den 1990er Jahren zur Sicherung und Substanzerhaltung erfolgt waren.
Aus Respekt vor dessen historischer Fachwerkkonstruktion erfolgte eine separate Anordnung des ersten baulichen Rettungsweges und der rollstuhlgerechten Aufzugsanlage in Form eines Verbinders zwischen dem Baudenkmal und dem angefügten Neubau.
Da die Fassade ursprünglich als „höherwertiger Putzbau“, also eben nicht fachwerksichtig errichtet worden war, wurde nach den Maßgaben der Denkmalbehörden eine einheitliche Farbigkeit von Gefachen und Fachwerk gewählt, um dem damaligen Gestaltungswillen eines Massivbaus wieder Ausdruck zu verschaffen. Die alte Eingangstür wurde auch mit Rücksicht auf die denkmalrechtlichen und städtebaulichen Belangen rekonstruiert, erhält jedoch nur eine untergeordnete Funktion zugunsten der neuen Erschließung über den Vorplatz.
Die Grundsubstanz des Bestandsgebäudes wurde im Vorfeld gesichert und die Dachdeckung erneuert. Aufgrund der Fachwerksichtigkeit des Gebäudes kam ausschließlich eine Innendämmung in Frage, hier aufgrund der Feuchteregulierung ein diffusionsoffenes System mit Lehm. Die Innenwände erhielten weiter einen Lehmputz. Dies trägt zu einem angenehmen Raumklima bei, welches für die Nutzung als Ausstellung sowie als Bibliothek mit zeitweilig erhöhter / stoßweiser Besucherfrequenz notwendig ist.
Das ehemalige Rektorengebäude beherbergt neben der Stadtbibliothek im Erdgeschoss, die Johann-Heinrich-Voß-Ausstellung im Obergeschoss. Ein neu gestalteter Eingangsbereich mit eingestelltem Windfang und Empfangs-tresen verbindet die einzelnen Funktionen miteinander. Ihm angeschlossen sind Computerarbeitsplätze, ein Raum mit großzügigen Einbausitzbänken, Schließfächern und der geführte Zugang zur Ausstellung.

Verbinder
Gezielt erst an der Hofseite des Fachwerkhauses angefügt, ist der Verbinder mit der bedruckten Glasfassade ein ausdrucksvoller Bildträger (und Werbung) für das neue Gebäudeensemble. Durch die Aufnahme vom ersten Rettungsweg und Aufzug konnte einerseits das Fachwerkhaus vor drastischen Eingriffen bewahrt werden und auch der dreigeschossige Neubau mit erschlossen werden. Die Anordnung erfolgte an dieser Stelle, sowohl um externe Keller im Bestand des Denkmals anzubinden, aber auch um auf die komplexen Höhenlagen zu reagieren und die Zugänge zur Terrasse und Innenhof, als auch zum Stadtarchiv zu erzielen.

Neubau
Dieser wurde explizit in der Gebäudetypologie vorhandener Remisen der Speckstraße ausgebildet und stellt die klare Abfolge solcher Remisen wieder her. Typisch ist dort die Anordnung der Fachwerkremisen auf einem geschosshohen Mauerwerkssockel. Diese Typologie wurde architektonisch neu interpretiert, statt rotem Backstein wurde ein beiger Ziegelsockel ausgewählt, der ferner auch zur Böschungssicherung des gesamten Vorplatzes am Steinberg entlang weitergeführt wurde.


Die zweigeschossige Verglasung am Giebel ist zudem eine moderne Variation der klaren geometrischen Formen vorhandener Fachwerkgiebel und ergänzt, mit dem gewählten Mansarddach, den Genius Loci behutsam in Größe und Varianz.
Im Neubau sind neben der Touristeninformation im Mehrzweckraum, ein (mit Schiebewänden abtrennbarer zusätzlicher) Arbeitsplatz, das Stuhllager und die öffentlichen WC-Anlagen, sowie eine Teeküche für die Mit-arbeiter und technische Nebenräume untergebracht.
Beide Gebäudeteile werden über ein Zwischengebäude, welches das Treppenhaus sowie einen Fahrstuhl beherbergt, verbunden. Damit ist eine barrierefreie Erreichbarkeit aller Geschosse gewährleistet.
Durch die abgerückte Position des Neubaus zum Marktplatz wird einer möglichen Konkurrenz zwischen der historischen Bebauung und der modernen Glasfassade am Verbinder vorgebeugt und überhaupt erst Raum geschaffen, um diesen Ort für die Besucher und Einwohner zu prägen. Gleichzeitig entsteht so ein selbstverständlicher Abschluss des Vorplatzes.

Ausstattung
Die Touristinformation erhält ein flexibles Ausstellungssystem, welches gemeinsam mit einer temporären Bestuhlung die Nutzung als Mehrzweckraum ermöglicht. Die einzelnen mit dem Flyermaterial bestückten „Satelliten“ können flexibel in den Raum positioniert werden und mit zusätzlichen Modulen, Sitzmöbel, Tischen und Tresen je nach individuellem Bedarf ergänzt werden. Eine flexible Trennwand schafft eine Unterteilung in einen großen und einen kleinen (dienenden) Bereich.
Die Bibliothek, das Empfangsfoyer, die umfangreichen Einbauten der Bibliothek sowie die weiteren Funktionsbereiche wurden in einem zusammenhängenden Gestaltungskonzept durch den bauleitenden Architekten (individuelle Entwürfe in Birke-Multiplex) entwickelt.
Das Obergeschoss des Rektorengebäudes mit seinen 7 Räumen ist allein der Johann-Heinrich-Voß-Ausstellung vorbehalten und in 7 Themenbereichen zu dem Dichter und Übersetzer gefasst. Je nach Inhalt bzw. Dramatik der Ausstellungsbereiche, werden modellhaft Installationen mit Möbeln oder Objekten für die Besucher in Szene gesetzt.
Eine Ausgabe von individuellen Schließkarten ermöglicht den Besuchern – in Abhängigkeit des gebuchten Programms- das automatische Entriegeln der Türen vom Verbinder heraus zum Treppenaus und wieder zurück zu den jeweiligen Funktionsbereichen. So ist es möglich, allein mit einer Arbeitskraft, das gesamte Gebäude auch bei unterschiedlichen Besuchergruppen zu verwalten.

Außenraumgestaltung
Der neu geschaffene Vorplatz dient der Vermittlung der Bauaufgabe und seiner mal einzelnen, mal gebündelten Erschließungen. Der hochwertige Außenraum formuliert, zusammen mit dem großen Voß-Bildnis auf der Glasfassade und einer Homerbüste auf dem Vorplatz, eine wirkungsvolle und einladende Geste für die Besucher der Stadt, sich diese Einrichtungen doch einmal genauer anzusehen.
Weiter wurde der erhebliche Niveauunterschied im Gebäudeumgriff von über 4,5m genutzt, um einen beiläufigen, aber auch externen und separaten Zugang zu den Toilettenanlagen anzubieten.
Die barrierefreie Erreichbarkeit der Einrichtungen vom Außenraum wurde durch eine Geländeanfüllung zu beiden neuen Eingängen hin erreicht, diese erhält eine Platzgestaltung mit eingearbeiteter Rampenanlage. Die so geschaffene Auffüllung mit seitlicher Böschungsbefestigung wurde schließlich im weiteren Planungsprozess als Baugrube für das Stadtarchiv verstanden und entsprechend genutzt.
Der ehemalige Hofgarten des Rektorengebäudes wurde in unterschiedliche Höhenlagen terrassiert, um eine geschützte Terrasse direkt am Haus anzubieten. Innere und äußere Treppenanlagen dienen in unterschiedlichen Ebenen dem Zugang zum tieferen Innenhof bis hin zum Ausgang in die Speckstraße. Von hier erfolgt auch die Bewirtschaftung.

Energetisches Konzept
Grundlage für eine energetisch optimierte Bewirtschaftung ist die anliegende Fernwärme aus Biogas. Neben der klaren Einteilung von unterschiedlichen Temperaturzonen war die Minimierung der Wärmeverluste über die hochwertig gedämmte Gebäudehülle bei den Neubauten entscheidend; das Fachwerkhaus wurde mit einer bauphysikalisch kontrollierten und denkmalgerechten Innendämmung ertüchtigt.
Im Sommerhalbjahr ist eine natürliche Dauerlüftung der Toilettenräume über geöffnete Fenster möglich, da diese geschützt hinter perforierten Ziegelbereichen mit stark vergrößerten Stoßfugen angeordnet wurden.
Im Mehrzweckraum wurde die Lüftung und Kühlung mit einem komplexen System von (auch nächtlicher) Grundlüftung über Schieber und zuschaltbaren obersten Abluftöffnungen (Kaminwirkung) geschaffen. Zur Reduzierung des Wärmeeintrages der zweigeschossigen Glasfassade wurde diese weit in den Giebel zurückgesetzt und das Glas farbneutral mit einem hohen g-Wert ausgerüstet.