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Award / Auszeichnung (nur für Studenten) | 08/2021

Studienpreis Konrad Wachsmann 2021

Visualisierung

Visualisierung

ein 1. Preis

Preisgeld: 600 EUR

Josephine Galiläer

Student*in Architektur

Erläuterungstext

Aldo Rossi übte als richtungsweisender Architekt bedeutenden Einfluss auf mehrere Architektengenerationen aus. Mit den Thesen in seinem Manifest L‘architettura della città stellte er das komplexe und vielschichtige Wechselverhältnis von Architektur und Stadt dar. Rossi betrachtete die Stadt Mailand als Inbegriff des Kollektiven und des Transformationsprozesses von Geschichte in der Architektur. Die Bewahrung und Weiterentwicklung dieses Schaffens ist Ziel der Fondazione Aldo Rossi, die sein Werk in all seiner Komplexität zusammenzuführt und verbreitet. In diesem Sinne soll aus Mitteln der Stiftung ein Gebäudepaar auf den freistehenden Flächen beidseits der mittelalterlichen Porta Ticinese errichtet werden. Die beiden Gebäude positionieren sich im historischen Zentrum von Mailand in unmittelbarer Nähe zur Basilika San Lorenzo und der ihr vorgelagerten Colonne auf gegenüber gelegenen Grundstücken. Der Platz dazwischen ist ein zentraler Treffpunkt und Identifikationsort des Mailänder Lebens. Die antiken Fragmente, die historische Bebauung auf mittelalterlichem Stadtgrundriss und die nach den Bombardements des Zweiten Weltkriegs verbliebene Freiflächen geben dem Quartier ein für die ansonsten sehr dichte Metropole ungewöhnliches und collageartiges Gepräge. Die Neuplanung führt zu einer dem früheren Zustand angenäherten Verdichtung und geht mit einer Neuinterpretation des Bestands einher. An diesem prägnanten Ort schließen die Baukörper die offenen Platzkanten. Sie fügen sich in das Ensemble und beziehen reflektierend die vorhandenen historischen Zeugnisse ein. Trotzdem sprechen sie eine eigene Sprache, die sich differenziert vom Bestand entwickelt und dem Identifikationsbedürfnis der Stiftung als zeitgemäße Kulturinstitution nachkommt. Durch die programmatischen Anforderungen an beide Gebäude wird eine horizontale und an den Fassaden ablesbare Schichtung von öffentlich zu privat entwickelt. Als Haut zieht sich ein zweigeschossiger Sockel aus Travertin über die Konstruktion. In den oberen Geschossen hingegen tritt die Tektonik hervor.

Im östlich gelegenen Stiftungsgebäude wird der Beitrag Aldo Rossis zum architektonischen Diskurs des 20. Jh. bewahrt, katalogisiert und Fachpublikum sowie der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zugleich entstehen ein Diskussions- und Architekturforum, das aktuelle Fragestellungen zur Architektur, Stadt und Geschichte in die Gegenwart trägt. Dazu werden öffentlich zugängliche Räumlichkeiten für Veranstaltungen wie Symposien und Workshops zur Verfügung gestellt. Das Gebäude greift die Typologie des Palazzo della Ragione auf, der als öffentliches Gebäude und Monument in jeder größeren norditalienischen Stadt vorkommt. Das Erdgeschoss öffnet sich allseitig, ähnlich einer Markthalle, und beherbergt die Fachbücherei der Stiftung. Der offene Grundriss mit zwei mittigen Kreuzstützen greift die Struktur der nördlich angrenzenden Bebauung auf. Die Erschließungsspange führt in den darüberliegenden Ausstellungsaal. Hier präsentieren sich die Sammlungsgegenstände Rossis, wie Skizzen und Zeichnungen, Grafiken, Fotos, Modelle, Pläne und persönliche Dinge. Die Ausstellung setzt sich auch mit aktuellen architektonischen Themen auseinander. Darauf aufgesetzt beherbergt das Studienzentrum Räumlichkeiten für ein intensives Einzelstudium sowie gemeinsames Forschen und ist eng mit der Präsenzbibliothek verknüpft. In dieser sollen die von der Stiftung gesammelten Werke von Aldo Rossi und Sekundärliteratur einem Fachpublikum zugänglich gemacht werden.

Gegenüber referenziert das Atelier-Wohnhaus die Typlologie der Palazzina, eine im Rom der 1920er entstandene Wohnform. Charakteristisch für diesen Typus sind eine zentrale Erschließung über die Mitte sowie eine hohe Dichte trotz Privatheit und Flexibilität der Wohngrundrisse. Es bietet Stipendiaten verschiedene Formen des kreativen Arbeitens und Wohnens auf Zeit. Ziel ist es, einen lebendigen Austausch unter Architekten, Designern und Künstlern aus unterschiedlichen Kulturen und Regionen zu ermöglichen. Durch die ungewöhnliche Ecklage zwischen Brandwänden entsteht ein sich zu zwei gegenüberliegenden Seiten öffnender Baukörper. Der kühle, über den südlichen Vorplatz erschlossene Hof mit öffentlichem Charakter sorgt für einen klimatischen Ausgleich zum steinernen Straßenraum. Das Café und die Galerie, in der die Arbeiten der Stipendiaten ausgestellt sind, bespielen den Hof. Das nördliche Treppenhaus und der umlaufende Laubengang erschließen die oberen Geschosse, wie es für die „case di ringhiera“, typische Mailänder Wohnhäuser, üblich ist. Der Laubengang wird zum Ort der zufälligen Begegnung und des Austauschs. Im halböffentlichen ersten Obergeschoss befinden sich Arbeitsräume und Ateliers, in denen Workshops stattfinden. Die darüber gelegenen Wohnateliers überspannen drei Geschosse und öffnen sich großflächig nach außen
über schmale Loggien. Die oberste Ebene der Apartments sowie gemeinschaftlich genutzte Räume begrenzen die introvertierte Dachterrasse.

Beurteilung durch das Preisgericht

FONDAZIONE & ATELIER ALDO ROSSI, MAILAND

Eine besondere Bauaufgabe: die bauliche Fassung für den Fundus eines großen italienischen Architekten des 20. Jahrhunderts, Aldo Rossi. Der Entwurf baut auf einer hervorragenden Ortsanalyse auf und gibt eine passende Antwort in einer komplexen historischen Situation. Ein Atelier- und ein Stiftungsgebäude arrondieren über Eck wie selbstverständlich den Platz bei San Lorenzo. Die Entwicklung zeitgenössischer Gebäude aus regionalen Typologien überzeugt ebenso wie die geschichtete und miteinander verzahnte Funktionsmischung. In wohlgeordneten Grundrissen und vielfältigen Raumvolumina können sich vom öffentlichen Café über Ausstellungs- und Atelierräume, vom Depot bis zum Wohnen für Stipendiaten alle notwendigen Nutzungen der Fondazione abspielen. Die grafisch hervorragende Einbettung von Grundrissen und Schnitten in den historischen Kontext beweist das hohe Verständnis für Architektur, Typologie, Proportion und Konstruktion. Diese fast klassischen Schnitte erzählen bereits Geschichten, man kann durch sie mit den Augen und mit wachsendem Verstehen und Begeisterung wandern.
Eigenständig bis ins Detail auch die Fassaden der Neubauten, die sich mit überzeugender Tektonik, Proportion und Materialität maßstäblich in die bestehende Collage städtischer Gebäude einfügen. Im Inneren setzt sich das raffinierte und konstruktiv durchdachte Raumkonzept bis in die Möblierung fort. Ein ausgereifter, rundum gelungener Entwurf für Mailand - Aldo Rossi hätte seine helle Freude gehabt.
Visualisierung

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Modellfoto

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Abgabeplan

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