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Offener Wettbewerb | 12/2014

Rathaus

Anerkennung

Preisgeld: 8.000 EUR

Christian Eickelberg

Architektur

Erläuterungstext

Die Stadt Mainz und ihr Rathaus

Die Entwicklung der Stadt Mainz ist eng mit dem Flusslauf des Rheins verknüpft. Dies betrifft insbesondere die städtebauliche Entwicklung der Stadt.
Den ersten römischen Ansiedlungen auf den heute die Innenstadt umgebenden Anhöhen folgten sukzessive Erweiterungen in Richtung Rhein. Die römische wie die mittelalterliche Stadtmauer verliefen annähernd parallel zum Rhein, Stadterweiterungen und Trockenlegungen von Teilen des Flusses setzten jene Entwicklung fort.
Das Ergebnis war eine städtebauliche Schichtung parallel zum Flusslauf, welche punktuell durch direkte Verbindungen von der Stadt zum Rhein durchbrochen wurde.
Durch die Zerstörungen des 2. Weltkrieges und den Wiederaufbau in den folgenden Jahren wurde jene Struktur nachhaltig geschwächt. Spuren der alten den Rhein begleitenden Stadtstruktur sind heute dennoch, zum Beispiel im Bereich der Spitalgasse und Fischergasse, zu finden.

Der Rathauskomplex mit Rheingoldhalle und Hilton-Hotel nimmt das Thema der Parallelschichtung, jedoch sehr großmaßstäblich, auf. Statt einer Schichtung, welche durch gezielte Durchstoße ein Hindurch diffundieren erlaubt, wirkt insbesondere das Rathaus mit Rathausplateau als städtebauliche Barriere.
Von der Innenstadt aus gibt es nur einen, aus städtebaulicher Sicht sicherlich gut inszenierten, Fußweg zum Rathausplatz. Die Orientierung fällt nichtsdestotrotz schwer.
Die Auffindbarkeit eines Zugangs vom Rhein aus gestaltet sich ebenfalls wenig selbstverständlich: Es ist lediglich eine kleine Treppe angeordnet, welche das Rheinufer mit dem Rathausplatz verbindet.
Das Rathaus bietet aktuell keine Möglichkeit des Zugangs vom Rhein aus.
Der Haupteingang des Rathauses ist durch die vom Architekten Arne Jacobsen bewusst inszenierte niedrige Eingangstür und insbesondere durch die Tieferlegung des Vorplatzes als solcher zunächst nicht erkennbar.
Das mit dem Hauptzugang eingeführte Spiel von Enge und Weite setzt sich im Inneren des Rathauses fort und führt zu beachtens- und erhaltenswerten Raumkonstellationen, allerdings auch zu einer uneindeutigen Orientierung, teils schlecht belichteten Bereichen und beengten Raumsituationen. In diesem Zusammenhang sei der Hauptzugang zum Hörsaal über ein kleines Fluchttreppenhaus genannt.

Städtebauliche Einbindung und Qualität

Der vorliegende Entwurf versucht zunächst, das Rathaus und den Rathausplatz stärker mit der Stadt und dem Rhein zu vernetzen, indem er das historisch für die Stadt typische Thema der Schichtung parallel zum Rhein mit der Möglichkeit der vertikalen Durchwegung aufnimmt und interpretiert. Die Barrierewirkung des Rathauskomplexes soll zugunsten einer Stadtverknüpfung modifiziert werden. Das herausragende Rathausensemble von Arne Jacobsen soll in dem Zuge neu inszeniert werden.
Darauf aufbauend soll das unter Denkmalschutz stehende Gebäude im äußeren Erscheinungsbild, in der Gesamtstruktur sowie im Bereich der im Inneren hochwertig gestalteten Räume wie Ratssaal, Hörsaal und Sitzungszimmer möglichst wenig verändert werden. Gleichzeitig soll die Orientierung verbessert sowie eine stärkere Anbindung an die Umgebung und insbesondere die Rheinpromenade gesucht werden.
Der Entwurf sieht auf der Stadt- wie auf der Rheinseite die Anordnung von parallel zum Rhein geschichteten und großzügig gestalteten Treppen- und Rampenanlagen mit Sitz- und Grünbereichen vor, sodass die Barrierewirkung des Rathauskomplexes reduziert werden kann.
Durch die Herabsetzung des Plateaus um bis zu einem Meter wird jene Barrierewirkung weiter geschwächt, zudem ist der Haupteingang vom Rathausplatz aus besser einsehbar und direkt erreichbar. Die Platzhöhe im Bereich der Rheingoldhalle bleibt unverändert, sodass eine leicht geneigte Oberfläche in Richtung des Rathauses entsteht. Die obere Parkebene, welche aktuell eine lichte Raumhöhe von etwa 3,60 m aufweist, kann, auch bei Reduzierung der Raumhöhe, weiter genutzt werden.
Die Themen der Parallelschichtung und der Entwicklung des Stadtorganismus in Richtung des Flusslaufes werden über das Rheinufer hinweg auf dem Wasser in Form einer Steganlage fortgesetzt.
Die Anlage erweitert das Nutzungsangebot an der stadtnahen Rheinuferpromenade um zwei Restaurants, welche Flächen für großzügige Außengastronomie bieten.
Des weiteren wird ein Außenschwimmbecken mit Umkleiden vorgeschlagen, welches die in den 1950er Jahren aufgrund der seinerzeit zunehmend schlechteren Rheinwasserqualität zurückgehende Tradition der städtischen Badeanstalten am Rheinufer wiederaufnimmt.

In Richtung der Mainzer Innenstadt wird das Rathausplateau ebenfalls über ein Treppen- und Rampensystem abgesenkt, sodass Fußgänger und Radfahrer auch „beiläufig“ auf den Rathausplatz und zum Rheinufer gelenkt werden.
Die vormals geschlossen wirkende Baumasse des Rathauses mit -plateau öffnet sich nun selbstverständlich in Richtung Rheinstraße, Eisernem Turm und der Bebauung südlich der Rathausbrücke. Die so geschaffene städtebauliche Konstellation bietet, unter Voraussetzung einer sukzessiven Verkehrsberuhigung der Rheinstraße, die Möglichkeit einer für Fußgänger und Radfahrer selbstverständlich passierbaren öffentlichen Raumfolge zwischen Innenstadt und Rhein.
Als Vermittler zwischen den Ebenen von Rathausplateau und Rheinstraße sowie Stadt und Rheinpromenade fungiert ein würfelförmiger Baukörper, welcher diagonal von einer Rampe durchlaufen wird. Im zur Rheinstraße orientierten Gebäudeteil befindet sich eine Espresso-Bar, auf Höhe des Rathausplatzes ist in dem zweiten Gebäudeteil ein Café angeordnet, welches die Möglichkeit zum Verweilen auf dem Rathausplatz bietet.

Architektonische Qualität, Denkmalschutz, räumliche Organisation, Funktionalität

Das Prinzip der Schichtung, welches auf dem Rathausplatz auch im Pflasterbelag angedeutet wird, wird im Inneren des Rathauses weitergeführt. Es findet eine öffentliche Durchwegung mit unterschiedlichen Verbindungsoptionen statt.
Der Haupteingang am Rathausplatz bleibt bestehen und wird um die Wiederbelebung des Eingangs an der Straße „Am Rathaus“ sowie zwei weitere Zugänge vom Rhein aus erweitert.
Die Bewegungsachsen treffen sich im Zentrum des Rathauses, welches von zwei bis in das Rheinufergeschoss hinabreichende Innenhöfe geprägt wird. Jenes neue Rathausfoyer bietet zudem direkte Verbindungen zu den aus denkmalpflegerischer Sicht besonders hochwertigen Räumen des Ratssaales mit Zuschauerpodium und des Hörsaals über großzügig gestaltete Treppen und einen leicht auffindbaren Aufzug.
Die vormals an der Stelle des neuen Foyers angeordnete Ausstellungsfläche wird, in direkter Blickbeziehung zum alten Standort, in das Rheinufergeschoss mit Belichtung über einen Innenhof, verlegt. Der Innenhof erhält eine mit Holz belegte Terrassierung, welche für Besucher wie für Angestellte des Rathauses zum Verweilen einlädt.
Der zweite Innenhof bildet die visuelle Mitte eines neuen Medienzentrums mit offenem Stadtarchiv, in welchem sich Bürger über die Stadt Mainz informieren können. Der Innenhof bietet sich als ruhiger Leseplatz an, darüber hinaus wirken beide Innenhöfe als Klimaregulator für das Gebäude.
Die Belebung des Rheinufergeschosses und die Öffnung des Rathauses zum Rhein wird durch die Anordnung der auch für Besucher offenen Kantine mit Rheinblick und Außenraumbestuhlung verstärkt.
Die im 5. Obergeschoss durch die Verlegung der Kantine und der Küche freiwerdenden Flächen sowie die aktuell teils schlecht belichteten Arbeitsplätze führen zu einer Umplanung des Geschosses.
Zur besseren Belichtung werden begrünte Innenhöfe an den geschlossenen Außenwänden vorgeschlagen, welche zudem als erweiterte Bürofläche und Erholungsräume genutzt werden können. Ein Teil der denkmalprägenden Oberlichter werden in den Büros erhalten. Die Öffnungen zu den Balkonen an der Nordwestfassade werden vergrößert, sodass dort attraktive Arbeitsplätze angeordnet werden können.
So kann eine flexibel gestaltbare Bürolandschaft entstehen, welche sowohl Einzel- und Doppel- als auch Großraumbürostrukturen zulässt.
In direkter Verbindung zum Luftraum des Haupteingangs wird die Einrichtung des Standesamtes mit Trauzimmer sowie eines Sitzungssaales vorgeschlagen. Beide Räume bieten durch die zweiseitige Ausrichtung einen schönen Blick über Stadt und Rhein.
Als Treffpunkt wird eine Coffeecorner angeboten, welche die Möglichkeit der räumlichen Verbindung mit dem Trauzimmer und dem Sitzungssaal bietet.

Über die gezielte Setzung neuer Elemente sowie die Modifikation und Interpretation der historischen Substanz versucht der vorliegende Entwurf, unter den Prämissen von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit, einen qualitätsvollen, offenen und lebenswerten den Rhein und die Stadt verknüpfenden Stadtraum zu schaffen, welcher seine Logik in dem von Arne Jacobsen entworfenen Gebäude fortsetzt und entfaltet.
Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Städtebauliche Schichtung

Städtebauliche Schichtung

Wegeführung im Rathaus und Vernetzung mit dem Außenraum

Wegeführung im Rathaus und Vernetzung mit dem Außenraum

Ergänzung der den Stadtraum prägenden Solitär-Baukörper

Ergänzung der den Stadtraum prägenden Solitär-Baukörper