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Offener Wettbewerb (auch für Studenten) | 03/2021

AIV-Schinkel-Wettbewerb 2021 - grossWEST

terra fluida. die naturkulturen des west.marktes

terra fluida. die naturkulturen des west.marktes

terra.fluida

Gewinner / Schinkel-Preis Landschaftsarchitektur

Marcel Tröger

Landschaftsarchitektur

Magnus Hehlke

Student*in

Erläuterungstext

terra.fluida. _die naturkulturen des west.marktes an der schnittstelle von materiellen prozessen, infrastrukturen und hybriden ökologien

West.Markt 2035+. Verwoben. Dynamisch. Produktiv. Geerdet

Wir sind in der Terra Fluida angekommen.

Der West.Markt hat sich als Ort der Produktion, als Landschafts- und Flussraum, als Klima- und Habitatrefugium in die Stadt (re)integriert. Seine weitreichenden stofflichen Verknüpfungen und Strukturen werden erlebbar und fühlbar. Als hybrider Stadtraum öffnet sich das Areal für die Öffentlichkeit und zelebriert mit seinen hybriden Infrastrukturen und verwobenen Naturkulturen die metabolischen Prozesse Berlins.

Die Terra Fluida zeugt davon, wie sich logistische Anforderungen an Prozesse und Abläufe verändert haben, wie Funktionen und Prozesse gestapelt werden können. Der West.Markt wird aufgeladen und verknüpft über neuartige und raue Naturbilder, wiederentdeckte und aktivierte Uferlinien und fluide Verknüpfungen von Wasser, Land und Luft. Mit der neuen Agora, ihren Markt- und Experimentierräumen und dem Baulager und den Wasser.Laboren, den stofflichen Schnittstellen der Terra Fluida, übersetzt der West.Markt radikale Kreislaufwirtschaft und hybride ökologische Systeme in die Grundstrukturen und Prozesse eines produktiven und interaktiven Stadtraumes.
Geologie als Programmierung einer produktiven Zukunft _von linien, buchten und sequenzen

Aktuell befindet sich der Großmarkt in einer Insellage, gefangen zwischen Bahngleisen, Kanalbett und der Beusselstraße. Die bestehende Topografie und verkehrliche Trennung manifestiert diese räumliche Separation. Die Entwurfsstrategie setzt daher an der Frage nach der Verortung und Verankerung des Großmarktes und des Westhafens an. Kann man ihn neu denken in der Stadtstruktur? Als Landschaftsraum? Als öffentlicher Raum, wo stoffliche Prozesse erlebbar werden? Bis wohin wirkt er? Als verbindendes Element? Den Hafen und den Markt zusammen denken? Als interaktiver und verwobener West.Markt?

Entlang von drei identifiziertem Haupt.Linien, dem Kanal, der Bahn und dem Nordufer wird eine Taktik und Strategie für aufgeladene und verdichte Landschafts-Infrastrukturen-Sequenzen für einen verknüpften West.Markt herausgearbeitet.
Die tiefen geologischen Spuren des Ortes dienen hierbei als Leitlinien in der Aktivierung und Verknüpfung der Ufersysteme. Die verdeckten Torfsande werden als aktives Erbe verstanden. Entlang des Kanals wird aus diesen geologischen Einschreibungen die produktive Palimpsest.Linie entwickelt. Hier entsteht der raue und interaktive Uferpark (dichtes Baummotiv, schroffe Uferkanten) mit Macher.Höfen und Laboren und produktiven Plug-Ins herausgearbeitet. In Anlehnung an die geologischen Spuren werden die sogenannten Buchten entwickelt, wo sich Wasserfarmen (Floating Gardens) als Experimentierräume für fluide Landwirtschaft aufspannen. Neue urbane Praktiken und Akteure, wie der Wasserfarmer & der Protein.Wirt, finden hier ihren Raum. Zusammen mit der neuen Agora, die sich als hybride Hülle und mehrdimensionale Stegstruktur über der Agora.Bucht aufspannt, wird hier geforscht und über Nahrung verhandelt. Als demokratische Marktfläche bietet die Agora Platz für vielfältige Nutzungen, MacherFlächen, Experimentierräume und Nahrungslabore.

Die hybride Platzfigur im Übergang zur Beusselstraße entwickelt sich zum Schauplatz für das Handeln und Produzierens von Nahrung. Neben der Agora bespielen der neue Tower of Food (als vertikale Nahrungskathedrale) und die Agora-Bühne (Treppe/Rampen-Anlage, welche die bestehende Topografie inszeniert und einen nahtlosen Übergang der Niveaus schafft). An der Schnittstelle zur aufgewerteten und redimensionierten Beusselstraße im Übergang zur neuen Waldfuge, der zweiten Linie des neuen West.Marktes wird der Beussel-Hub ausgebildet, welcher den Anschluss zur S-Bahn Beusselstraße sucht und den Auftakt für die Maker-und Innovationsmeile entlang der Bahntrasse bildet. Die vorhandene Böschungssituation und Pappelreihe dient als Inspiration für die Waldfuge. An der Schnittstelle von hybriden Punkthochhäusern für Ateliers, Maker Labs und Wohnungen mit transparenten und teils aufgeständerten EG-Zonen und dichten Waldsetzungen wird eine urbane und produktive Waldachse herausgearbeitet. Diese Freiraum/Architektur-Kette zieht sich über die Beusselstraße auf die Anlieferstraße, zum Baulager und dem Containerhafen und mündet in die Hafen-Wälder, welche kompakte Klimahaine im stark versiegelten Hafenareal an den Kaiköpfen und auf Potentialflächen im Übergang zum Hub Westhafen schaffen.
Der Sediment.Hub, welcher sich zwischen der Macher-Linie und der Palimpsest Linie aufspannt, bildet das stoffliche Herz des neuen Groß.Marktes aus. Als Hülle und wachsende Struktur werden hier im Baulager und den Wasser-Laboren die verschiedenen Sedimenttypen, wie Wassersedimente und Bau-Stoffe gesammelt, verarbeitet und aufgewertet. Ziel ist es, dass alle anfallenden Bau- und Restmaterialien aus der Konstruktion und des Betriebes des neuen West.Marktes (Aushub, Abriss, Produktion) zirkulär aufgearbeitet und in neue Baustoffe übersetzt werden können. Steganlagen machen in den Wasserlaboren die verschiedenen Wasserprozesse des Flusssystems und die infrastrukturellen Ästhetiken erfahrbar und verwandeln zusammen mit Einrichtungen der Pädagogik und Verwaltung in der Hülle des Baulagers den Sediment.Hub in einen produktiven Hybriden aus Freiraum, Landschaftsprozessen und Infrastrukturen.

Das Nordufer bildet den Abschluss der West.Markt Sequenzen. Raue Wald-Reminszenzen, Patches aus Gehölzen der Weichholzaue bilden hier das neue Ufer im Übergang zur A100 aus. Die Tramlinie und der Radschnellweg wird durch den neuen wilden Nord-Uferpark geführt und verbindet das Nordufer mit dem Wedding bis hin zum Plötzensee und den angrenzenden Landschaftsräumen.

Die dichten Naturkulturen_ metabolische räume und neue ästhetiken
Die Terra Fluida lebt von ihren intensiven landschaftlichen und infrastrukturellen Ästhetiken. Die Naturkulturen an der Schnittstelle von Infrastrukturen und ökologischen Prozessen erzeugen atmosphärisch aufgeladenene Vegetationsmotive und Habitaträume, wie dichte Waldbilder, raue Ufertypologien der Weichholzaue, schwimmende Farmen und erlebbare metabolische Prozesse der Wasser- und Sedimentlandschaften. Der neue West.Markt als (klima-)resiliente und dynamische Stadtstruktur lebt von den neuartigen und hybriden Naturbilder einer Landschaftsarchitektur im Anthropozän.

Beurteilung durch das Preisgericht

Jury Text „Terra fluida“

Die Arbeit mit dem Titel „Terra fluida“ zeigt eine im Jahr 2035+ angesiedelte Vision, die, bei genauem erkunden der großen Vielfalt an dargebotenen Diagrammen, Analysen und Collagen, auch konkrete Qualitäten überzeugend entwickeln kann.

Sie nimmt die städtischen Umschlagsplätze des Westhafens und Großmarktes in ihrer Beteiligung an den urbanen Stoffströmen großmaßstäblich und tiefenzeitlich in den Blick. Besonders die Verbindung Berlins zum überregionalen Wassersystem und auch die Geologie des Ortes werden neben den aktuell bestimmenden Themen wie Nahrungsmitteln und Baustoffen herausgearbeitet. Aus der Überlagerung von materiellen, infrastrukturellen, ökologischen, geologischen und Beteiligungsfragen der Stadtgesellschaft wird ein Konzept entwickelt, dass entlang dreier sequenzieller, von West nach Ost verlaufender Linien programmatische Schwerpunkte ausbildet: Die Maker-Meile, die Palimpsest.Linie und das raue Wald.Ufer.

Dabei werden insbesondere das Areal des Großmarktes – bis auf die beiden denkmalgeschützten Hallen- und der Recyclinghof neu konzeptioniert. Den südlichen Rücken des Areals bildet die parallel zur Ringbahntrasse verlaufende Maker-Meile, die vom Charlottenburger Verbindungskanal bis ans Ostende des Westhafens reicht. Dichte Bahnwäldchen wechseln sich rhythmisch mit Punkthochhäusern ab, die viel Raum für die Ansiedlung Kreativer anbieten sollen, aber auch Wohnen ermöglichen. Am Südufer des Westhafenkanals verläuft die Palimpsest.Linie, die das geologische Erbe des Ortes aktiv behandelt und in produktiven Interventionen erfahrbar macht. Alte Sedimentablagerungen aus Torfsanden werden zum Anlass, die gegenwärtige Uferlinie aufzubrechen und zwei großzügige Buchten zu formulieren. Eine „produktive Bucht“, benachbart zum Charlottenburger Verbindungskanal, die mit Wasserfarmen aufwartet und eine „Agora- Bucht“ am Übergang zur Beussel- Brücke, die in Anspielung auf ihr antikes Vorbild in einer auf das Wasser auskragenden Architektur mit Marktplätzen, Experimentierflächen oder Bucht-Laboren als offener Verhandlungs- und Ideenraum auftritt.

Auf der anderen Seite der Beusselbrücke wurde das Recyclingzentrum am Übergang zum Westhafen in einen Sediment.Hub transformiert, welcher neben Baustoffen auch Fragen des Stoff-Recyclings von Phosphor oder Nitrat bearbeitet und erlebbar macht. Das Westhafengelände bleibt als industriell-funktionaler Ort weitgehend unangetastet, hier werden nur kleinere Interventionen vorgeschlagen. Den nördlichen Abschluss der Sequenzen bildet das raue Wald.Ufer, das sich über das nördliche Kanalufer erstreckt. Hier werden Vegetationsbilder in Ablehnung an Wilde Uferwälder entwickelt und leiten als Reminiszenzen zum Plötzensee und Wedding über. Die Verfasser*innen zeigen an vielen Stellen gelungenes entwurfliches Handwerk, dennoch bleibt die zentrale Frage der Höhensituation um die Beusselstraße ungelöst und wirft an dieser Schnittstelle viele Fragen auf, die die Jury kontrovers diskutiert. Die Arbeit überzeugt die Jury aber nicht zuletzt durch ihren visionären Charakter, der sich deutlich von den anderen Arbeiten abhebt und große Neugierde für die Details und innovativen Angebote weckend über die ein oder andere räumliche Schwäche hinwegtrösten kann.

Die poetischen Perspektiven vermitteln eine Idee von radikal neuer Öffentlichkeit und Beteiligung am städtischen Metabolismus, der gegenwärtig vor allem an seiner Unsichtbarkeit leidet. Es werden unkonventionelle Situationen geschaffen, die ein Gefühl des Ineinanderfließens einer Stadtgesellschaft mit ihren Stoffströmen vermittelt und Lust macht, Teil dieser Verflüssigung zu werden.
terra fluida. die naturkulturen des west.marktes

terra fluida. die naturkulturen des west.marktes

terra fluida. ein aktives palimpsest.

terra fluida. ein aktives palimpsest.

der neue west.markt

der neue west.markt

die terra fluida

die terra fluida

Die Agora.Bucht - produktive Geologie

Die Agora.Bucht - produktive Geologie

Der SedimentHub und die Agora.Bucht

Der SedimentHub und die Agora.Bucht

Das Wasser.Labor - mit Sedimenten wirtschaften!

Das Wasser.Labor - mit Sedimenten wirtschaften!

Die Agora als NahrungsKathedrale

Die Agora als NahrungsKathedrale

Die Naturkulturen des West.Marktes

Die Naturkulturen des West.Marktes

Die Naturkulturen des West.Marktes

Die Naturkulturen des West.Marktes