modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 12/2023

Städtebauliche Entwicklung Goers-Gelände in Friedrichsdorf

Perspektive vom Platz

Perspektive vom Platz

2. Preis

Preisgeld: 6.570 EUR

schott architekten

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Eine grüne Lunge für Friedrichsdorf

Entwurfsidee:

Das vorliegende städtebauliche Konzept für das Goers-Gelände in Friedrichsdorf zielt darauf ab, durch die Gestaltung eines neuen Grünraums im innerstädtischen Bereich einen attraktiven Verbindungspunkt zwischen dem Landgrafenplatz und dem Philipp-Reis-Platz zu schaffen. Dieser Grünraum dient als Bindeglied zwischen den beiden bedeutenden Einzelhandelsstandorten und stärkt sie gegenseitig.
Dieser Grünraum wird nicht nur als Naherholungsraum dienen, sondern auch als multifunktionaler ökologischer Raum. Er wird als "grüne Lunge" fungieren, um die Luft zu reinigen, als Schwamm, um Regenwasser aufzunehmen und zurückzuhalten, um Hitzeinseln zu reduzieren und als Lebensraum für die Artenvielfalt der Natur.
Für die Freiraumqualität ist die Ausbildung einer klaren Raumkante entlang der Wilhelmstraße bis zum Kreuzungspunkt Prof.-Wagner-Straße essenziell, um den Innenbereich von Belastungen aus dem Fahrverkehr abzuschirmen. Hierfür sind vier Baukörper vorgesehen, bei denen jeweils zwei erdgeschossig miteinander verbunden sind.

Einfügung in den Kontext, Maßstab, Dachformen:

Aus dem vorhandenen Straßenverlauf und der Geometrie des Planungsgebietes ergeben sich in Verbindung mit der sehr heterogenen Bestandsbebauung polygonale Baustrukturen, die durch ihre unterschiedlich geneigten Dachformen vorhandene Maßstabssprünge abfedern. So orientieren sich die Trauf- und Firsthöhen des Eckgebäudes im Osten am angrenzenden Bestandsgebäude Prof.-Wagner-Straße 5, während die Traufhöhen im Westen auf die deutlich kleinmaßstäblicheren Altbauten an der Bahnstraße eingehen. Ebenso verhält es sich mit der Raumkantenbildung entlang der Wilhelmstraße, wo sich die Straßenfassade selbstbewusst gegenüber den 4- bis 5-geschossigen Zeilenbauten und dem großkörnigen Einkaufszentrum positioniert, während mit rückseitig fallenden Trauflinien respektvoll auf die kleinteiligen Bestandsstrukturen eingegangen wird.
Diese gestalterischen Elemente tragen dazu bei, eine städtische Kante zu schaffen, die den Grünraum von der Wilhelmstraße abgrenzt und gleichzeitig eine visuelle Kontinuität in der Umgebung aufrechterhält.

Freiraumvernetzung:

Die geplante Freiraumgestaltung zielt darauf ab, eine grüne Verbindung zwischen den stark versiegelten Stadträumen Philipp-Reis-Platz und Landgrafenplatz zu schaffen, die als Gegenpol und grüne Mitte fungiert. Diese Verbindung erstreckt sich von Nord nach Süd über das "Gängelche" und die Querung der Wilhelmstraße, die durch einen breiten, verkehrsberuhigten und fußgängerfreundlichen Übergang aufgewertet wird. An diesem Punkt öffnen sich die Baukörper zum Philipp-Reis-Platz gerade so, dass Fußgänger zur Durchquerung des Grünraums eingeladen werden, ohne die abschirmende Wirkung der Gebäude aufzugeben. Diese Maßnahme fördert nicht nur die Verbindung zwischen den Plätzen, sondern wertet auch die Aufenthaltsqualität in diesem Bereich erheblich auf.
Ebenso berücksichtigt und über die Wegeführung gestärkt werden die Querverbindung zum Rathaus über die südwestlich gelegene Bahnstraße und die nordöstliche Verknüpfung zur Prof.-Wagner-Straße in Richtung Houiller Platz.
Der rückwärtige Bereich zwischen den neu geplanten Baukörpern und dem Grünraum ist weitestgehend autofrei gehalten, da die Tiefgarage direkt über eine Zufahrtsrampe im südwestlichen Bereich der Wernerstraße erschlossen wird. Der Verbindungsbau zwischen den beiden östlichen Baukörpern fungiert als Anwohnerdurchfahrt der rückwärtigen vorhandenen Garagen und Stellplätze auf direktem Wege und flankiert den neu geschaffenen Grünraum nur auf nicht störende Weise.

Tiefgarage und oberirdische Nutzungen:

Die vier Baukörper sind mit einer unterirdischen Tiefgarage ausgestattet, die den Stellplatzbedarf der geplanten Nutzungen deckt und auch teilweise als Ersatz für die weggefallenen oberirdischen Parkplätze dient. Diese Maßnahme trägt nicht nur zur Reduzierung der Versiegelung der Fläche bei, sondern gewährleistet auch eine geordnete und praktische Parkierung für die Bewohner und Besucher des Quartiers.
In den Erdgeschossen der Baukörper finden verschiedene Nutzungen Platz, darunter ein Generationentreff, eine Kindertagesstätte, ein Café mit Außenbewirtschaftung auf der geschützten Grünraumseite und etwas Raum für kleinere Laden- und Büroflächen. Die Obergeschosse beherbergen barrierefreie Wohnungen für Senioren und Familien, sowie kleinere Apartments. Diese sorgfältige Mischung aus Nutzungen fördert soziale Vielfalt und Interaktion, was essenziell für eine lebendige und nachhaltige Gemeinschaft ist.

Gebäudestruktur und Bauweise:

Die vier Baukörper sind jeweils über einen eigenen Erschließungskern mit Aufzug mit dem Erdgeschoss und der Tiefgarage verbunden. Die Wohngeschosse sind als Dreispänner konzipiert, wobei zwei größere 3- bis 4-Zimmer-Wohnungen und eine kleinere 1- bis 2-Zimmer-Wohnung in jedem Geschoss angeordnet sind. Die Wohnungen orientieren sich jeweils zum Park hin, während die Nebenräume meist zur Straßenseite ausgerichtet sind. Als Bauweise ist eine nachhaltige Holz-Beton-Hybrid-Bauweise geplant, die Holz-Beton-Verbunddecken mit Holzständer-Außenwänden kombiniert. Die Erschließungskerne mit Treppenhäusern und Aufzügen sind als aussteifende Stahlbetonkonstruktion vorgesehen, was sowohl die Stabilität als auch die Barrierefreiheit der Gebäude gewährleistet.

Ökologie und Nachhaltigkeit:

Der geplante Grünraum spielt eine Schlüsselrolle in der Förderung von ökologischen und nachhaltigen Praktiken. Neben seiner Funktion als Naherholungsraum bietet er vielfältige Vorteile für die Umweltbilanz des Projekts. Der Grünraum wird dazu verwendet, Niederschlagswasser von den Gebäudedächern aufzunehmen und als Retentionsfläche zu dienen. Dies reduziert die Überlastung des städtischen Entwässerungssystems und fördert die natürliche Versickerung von Regenwasser, was zu einem nachhaltigen Umgang mit Wasserressourcen führt.
Die Bepflanzung mit Bäumen und Grünflächen bietet eine abkühlende Wirkung, die zur Minderung von Hitzeinseln in der Stadt beiträgt und die Lebensqualität der Bewohner verbessert. Dies trägt zur Schaffung eines angenehmen und gesunden Stadtklimas bei.
Der Grünraum wird auch als Standort für Erdwärmesonden genutzt. Diese Erdwärmesonden dienen als Wärmequelle für ein Nahwärmenetz, das die neuen Gebäude mit nachhaltiger Wärme versorgt, eine Ausweitung auf die angrenzenden Bestandsgebäude ist denkbar.

Fazit:

Insgesamt repräsentiert dieses städtebauliche Konzept nicht nur eine architektonische Bereicherung für die Stadt Friedrichsdorf, sondern auch einen bedeutenden Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und ökologischer Verantwortung. Es schafft eine lebendige und grüne urbane Umgebung, die den Bedürfnissen der Bürger gerecht wird, die Umwelt schont und gleichzeitig eine vielfältige und lebendige Gemeinschaft fördert. Dieses Projekt soll als Beispiel dienen für eine integrierte und nachhaltige Stadtentwicklung und wird zweifellos einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität der Bewohner und die Zukunft der Stadt haben.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser:innen definieren den Ort als ‚grüne Lunge‘ von Friedrichsdorf. Sie nehmen eine städtebauliche Neuordnung vor, die den Blockrand mit einer neuen, dem Straßenverlauf folgenden Bebauung fasst und den Innenbereich als Grünraum ausbildet. Dieser soll der Stadt als Naherholungsraum zur Verfügung gestellt werden und übernimmt Aufgaben der Klimaanpassung und Retention.

Der Vorschlag wird vom Preisgericht grundsätzlich als interessanter städtebaulicher Beitrag gewürdigt.

Die neue Bebauung arrondiert den Stadtraum geschickt durch die polygonalen Baukörper, die sich gut an den Straßenverlauf anpassen lassen, und schafft dadurch ein zusammenhängendes und ablesbares Quartier im Gefüge der Stadt.

Mit der Blockschließung wird die vorhandene Grünfläche an der S/O-Ecke aufgegeben. Im Gegenzug wird ein neuer zusammenhängender Freiraum im Blockinneren geschaffen. Hier stellt sich die Frage, ob die neu gewonnene Qualität den erforderlichen Aufwand rechtfertigt und der Grünraum, der teilweise auch durch die Tiefgarage unterbaut ist, in seiner Größe angemessen ist.

Auch stellt die Geometrie der Baukörper in ihrer Gebäudetiefe und Dachform eine gewisse Bindung für die weitere architektonische Ausformulierung dar, die die Flexibilität der Nutzung und architektonischen Lösung etwas einschränken mag.

Der neue Grünraum wird Y-förmig von Fuß- und Radfahrwegen umschlossen, welche auch für Anlieger:innen befahrbar sind. Durch die offene Blockrandbebauung führen zwischen den Häusern Erschließungswege ins Blockinnere und stellen Anschlüsse an die angrenzenden Straßen und Plätze in alle relevanten Richtungen her. Die Zugänglichkeit und Erschließung wird hergestellt, ohne explizite Wege- und Sichtachsen zu formulieren. Diese Idee wird im Sinne einer Identitätsbildung für das „Goers-Gelände“ durchaus positiv gesehen. Sie knüpft an die traditionellen „Gängelche“ an, auf denen man entlang der hinter den Häusern angelegten Gartengrundstücke den Ort durchqueren konnte, ohne die Straße zu benutzen.

Die verkehrsberuhigte Lösung im Blockinnenbereich wird über eine Tiefgarage mit Zufahrt in der Wilhelmstraße sowie über eine Anwohnerzufahrt, ebenfalls an der Professor-Wagner-Straße, erreicht.

Die Wirtschaftlichkeit der Tiefgarage mit der relativ geringen Bebauungsdichte wäre hier zu prüfen.

Die Gebäude sind III + D vorgesehen. Im EG stellen sich die Verfasser:innen Nutzungen wie Generationentreff, Kita, Café mit Außengastronomie, kl. Büros und Einzelhandelsflächen vor. In den Obergeschossen wird Wohnen in verschiedenen Wohnformen von barrierefreien Seniorenwohnungen bis zu familiengerechten Wohnungen vorgeschlagen. Die Aufenthaltsräume sollen sich zum Park hin ausrichten. Durch die Polygonform wird eine reine Nordorientierung vermieden. Die Gebäudetiefen und Organisation der Erschließungskerne scheinen grundsätzlich machbar. Die Flächenausnutzung (GFZ, GRZ) liegt im Vergleich mit den anderen Wettbewerbsbeiträgen im mittleren Bereich. Es werden von den Verfasser:innen relativ wenig, eher große Wohneinheiten vorgeschlagen. Ob sich die Gebäudegeometrie für den geplanten öffentlich geförderten Wohnraum eignet, wäre zu prüfen.

Oberirdische Stellplätze sind nicht vorgesehen. Fahrrad- und Mobilitätsstationen sind nicht dargestellt.

Der neu geschaffene innerstädtische Grünraum bildet zweifelsohne einen attraktiven Anziehungspunkt und eine nachhaltige klimaaktive Lösung. Die Durchwegungssituation wird aufgewertet, bietet Aufenthalts- und Verweilqualität und eine gute Orientierung und Identität durch die „grüne Lunge“.

Für das Preisgericht bleibt allerdings etwas offen, wer genau die Zielgruppe für die Anlage ist, und wie eine Synergie zwischen Park und alter sowie neuer Umgebungsbebauung aussehen könnte.
Perspektive vom Park

Perspektive vom Park

Lageplan M 1:500

Lageplan M 1:500

Leitidee

Leitidee

Präsentationsplan

Präsentationsplan