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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2024

Neue Dorfmitte Neuhausen

Gesamtlageplan

Gesamtlageplan

Anerkennung

Preisgeld: 3.000 EUR

mks Architekten-Ingenieure

Stadtplanung / Städtebau

  • Verfasser:

    Matthias Bardas

Erläuterungstext

KONZEPTIDEE
Das vorgeschlagene Bebauungskonzept orientiert sich an den Grundstellungen der historischen Vierseithöfe, bestehend aus gemauerten und hölzernen Gebäuden. Die Hausgruppen umschließen geschützte Wohn- und Erschließungshöfe. Diese soll durch vorgeschaltete Quartiersanger verkehrsfrei entwickelt werden, um der Bewohnerschaft attraktive Freiräume anzubieten. Private Gartenflächen umschließen die Hofgruppen und prägen den „grünen“ Charakter des Quartiers. Größer dimensionierte „Lagerstadel“ werden als gemeinschaftlich genutzte Quartiersgaragen platziert. Die Quartiersanger dienen als verkehrsberuhigte Mischverkehrsfläche für Erschließung, nachbarschaftliches Treffen, Besucherparken und Spielen der gesamten Nachbarschaft.
Der öffentliche Veranstaltungsstadel wird im räumlichen Zusammenhang mit der historischen Dorfmitte an der Egger Straße platziert. Er bildet den östlichen Raumabschluss der neuen Festwiese, die als multifunktional nutzbare Grünfläche in das Quartier eingeschoben wird. Fuß- und Radwege führen konsequent als Zubringer in diese Mitte.

ERSCHLIEßUNG
Das bisher landwirtschaftlich genutzte Projektgebiet wird umlaufend von Straßen und Wegen tangiert. Eine Fortentwicklung dieser Korridore und Trassen bildet die logische Entwicklungsgrundlage zur Erschließung des zentralen Quartierts. Der motorisierte Individualverkehr wird im Südwesten durch einen gemeinschaftlich genutzten Wohnweg (Breite 4,5 m) und im Nordosten durch eine verkehrsberuhigte Marktstraße (Breite 6,0 m) in das Quartier geführt. Beide Verkehrsflächen münden in gemeinschaftlich genutzte und verkehrsberuhigte Quartiersanger, welche eine zentrale Erschließungsfunktion für die Hausgruppen bilden. Unmittelbar im Übergangsbereich der Erschließungswege in die Quartiersanger wurden modulare Funktionsgebäude für Parken und solare Energiegewinnung platziert. So kann ein Großteil der Pkws frühzeitig und mit positivem Effekt auf die Aufenthaltsqualität der darauf folgenden Flächen untergebracht werden. Im Hinblick auf ein realitätsbasiertes Angebot an Pkw-Stellplätzen wurde ein Grundkontingent wohnungsnah verortet. Die in Holzbauweise vorgeschlagenen Garagenriegel bieten Platz für Pkws, Fahrräder und Reststoffe. Die Dachflächen in Ost-West-Ausrichtung sind für die Gewinnung von solarer Energie gut nutzbar. In den Eckzonen der Garagenriegel finden Gemeinschaftsräume für Müll und Reststoffe Platz. Eine Sammel- und Abholfläche wird unmittelbar an den Anger angeschlossen. Dort erfolgt die Abholung durch den Entsorger. Müllfahrzeuge können in den gesamten Quartiersanger einfahren und auf den an den Endpunkten angeordneten Aufweitungen wenden. Darüber hinaus wird eine Verknüpfung der beiden Anger durch einen weiteren Wohnweg sichergestellt, wodurch eine Durchquerung des Gebiets von Ost nach West im Bedarfsfall möglich ist. Ein Durchgangsverkehr wird durch die verkehrsberuhigte Straßenführung vermieden. Im Hinblick auf eine mögliche Änderung des Mobilitätsverhaltens der Bewohnerschaft, wird am Endpunkt der Marktstraße ein Sharing-Point für Mobilität platziert. Es soll als zentraler Anlaufpunkt für gemeinschaftlich genutzte Fahrzeuge wie Lastenräder oder Leihfahrzeuge im Quartier dienen.
Zur Stärkung des unmotorisierten Verkehrs durch Fußgänger:innen und Radfahrer:innen sind ergänzend zu den Mischverkehrsflächen eigenständige Fuß- und Radwegetrassen angeboten, deren Ziel die zentrale Festwiese mit angrenzendem Nahversorger und Dorfstadel ist.
Die Positionierung des Nahversorgers im Nordosten ermöglicht eine direkte Anbindung an die Egger Straße. Die erschließende Zufahrt wird als Marktstraße mit beidseitigen Pkw-Stellplätzen vorgeschlagen. Die Stellplätze werden durch Baumstandorte gegliedert. Fuß- und Radwege bzw. Vorflächen am Gebäude ergänzen den belebten Funktionsbereich. Eine Einfahrt für den Lieferverkehr ist ebenso möglich. Die Anlieferzone wird zwischen dem Parkstadel und dem Nahversorger an dessen Westfassade vorgeschlagen, da sich an dieser Position wesentliche Vorteile hinsichtlich des Immissionsschutzes ergeben. Die private Entwicklungsfläche im Nordwesten wird durch den westlichen Quartiersanger erschlossen.
Die für den Nahversorger und die darüberliegenden Nutzungen notwendigen Stellplätze belaufen sich vorläufig auf ca. 89 Stück. Diese können knapp zur Hälfte (43 Stück + 4 Stück) straßenbegleitend im umliegenden Freiraum und im Mobilityhub nachgewiesen werden. Die restlichen Stellplätze werden als überdachte Parkplätze in der benachbarten Quartiersgarage angeboten.

FREIRAUMTYPOLOGIEN
Die Potenziale der ost- und westseitig vorhandenen und in Teilen noch verrohrten Bäche sollen durch eine Öffnung und Renaturierung bestmöglich eingebunden werden, um deren strukturgebende Qualität für den innerörtlichen Freiraum zu nutzen. So wird westlich in Fortführung des vorhandenen Biotops ein naturnaher Grünraum mit konfliktfreien Spielfunktionen, Obstbäumen und Flächen für Retention und Versickerung eingeplant.
Die östliche Grünfuge entlang der Egger Straße wird durch den renaturierten Bach als repräsentativer Freiraum inszeniert. Er soll zukünftig Vermittler zwischen der historischen und neuen Dorfmitte sein. Ausdruck dieser Verbindung sind die prominente Platzierung des Dorfstadels für Veranstaltung und Aufenthalt sowie der neue Standort des Maibaums in Sichtweite der vorhandenen und einer zukünftigen Mitte. Maibaum und Stadel bilden ein öffentliches Ensemble an besonderer Stelle. In Nord-Süd-Ausrichtung wird der Dorfstadel auf der bisherigen Position eines vorhandenen Holzstadels in die Freiraumfuge eingeschoben und bildet so nach Osten den Abschluss der neuen, zum Quartier hin orientierten Festwiese.
Funktional wird der MIV auf den verkehrsberuhigten Quartiersangern abgewickelt, wodurch die erschließenden Wohnhöfe der Hausgruppen vollkommen verkehrsfrei gestaltet werden können. Sie dienen der Bewohnerschaft des Hofes als halböffentlicher Freiraum für Begegnungen und nachbarschaftliches Treffen, haushaltsübergreifendes Spielen der Hofgemeinschaft und dezentrale Retention. Die privaten Gartenbereiche umschließen die Hausgruppen und bieten dadurch vielfältige Möglichkeiten von Individualität und Rückzug.

WASSER + VEGETATION
Das Niederschlagswassermanagement im Betrachtungsgebiet stützt sich auf drei Säulen. Dezentrale Retention, Verdunstung und Versickerung. Aufgrund der anstehenden Böden wird eine alleinige Versickerung nicht möglich sein. Geplant ist daher, das anfallende Niederschlagswasser dezentral, an Ort und Stelle, zurückzuhalten und sodann kaskadenförmig in Richtung der beiden Vorfluter abzuleiten. Im Planungsgebiet werden Flächen mit 2.450 m² Größe für das Niederschlagswassermanagement berücksichtigt. Diese befinden sich sowohl im Bereich der halböffentlichen Wohnhöfe als auch im öffentlichen Raum. Durch das große und auf das Betrachtungsgebiet verteilte Potenzial an unversiegelten Flächen wird die Verdunstung, die Versickerung sowie die Abflussverzögerung begünstigt. Alle Aspekte verbessern das lokale Mikroklima nachhaltig und tragen zu einem qualitätvollen Lebensumfeld bei.
Resultierend aus den bekannten Rahmenbedingungen sowie unter Annahme eines fünfjährigen Regenereignisses ist von einem Gesamtvolumen von rund 350 m³ notwendigem Retentionsvolumen auszugehen, welches über das Planungsgebiet verteilt in Retentionsflächen und -mulden bereitgestellt werden kann.
Wegebegleitende Mulden für Retention und Versickerung werden systematisch mit standortangepassten und klimaresilienten Laubbäumen bestückt. Deren südseitige Anordnung entlang der versiegelten Flächen trägt wesentlich zur Verschattung und Abkühlung der Belagsflächen bei Sonnenschein bei.

NUTZUNG + REALISIERUNG
Ausgehend von den vorhandenen Angeboten der Nahversorgung in der historischen Dorfmitte wird eine Weiterentwicklung von Dienstleistung, nichtstörendem Gewerbe, Gesund-heitsversorgung, Beherbergung und wohnortnahem Coworking im Spannungsfeld zwischen dem Bestandsangebot und dem neuen Nahversorger an der Egger Straße vorgeschlagen. Eine Ergänzung der vorhandenen Angebotsstruktur trägt zur Stärkung des Marktpotenzials in Neuhausen bei und schafft durch eine örtliche Konzentration Strahlkraft über den Ort hinaus.
Der neue Nahversorger wird als Endpunkt dieser Versorgungsachse entlang der Egger Straße platziert. Das Sockelgeschoss des Nahversorgers wird durch aufgesetzte Baukörper mit ca. 1.600 m² Grundfläche in den Obergeschossen überbaut. Erschließungsflächen können gemeinschaftlich genutzt werden. Ein begrünter Dachgarten bietet große Potenziale für eine Nutzung als halböffentlicher Raum in Verbindung mit Ateliers und Werkstätten der Kreativwirtschaft oder der akademischen Bildung in Kooperation mit Hochschulen oder Akademien im nahen Umkreis.
Zwischen dem Nahversorger und der südlich gelegenen wirtschaftlich genutzten Hausgruppe wird die Festwiese positioniert. Sie wird in dieser Lage durch keine lärmsensiblen Nutzungen tangiert und kann dennoch sinnvoll in die Bebauungs- und Freiraumstruktur integriert werden. In westlicher Richtung entwickeln sich die weiteren Höfe, lärmmäßig abgeschirmt durch Nebengebäude, mit einer durchmischten Wohnnutzung je Wohnhof. Die dadurch erreichte Mischung der Bewohnerstruktur trägt zu einem stabilen Quartier bei.
Ausgehend von der Egger Straße kann die Bebauung sukzessive realisiert und nach Westen entwickelt werden. Der erste Realisierungsteil [A] bildet sich aus den Versorgungsangeboten im Osten des Quartiers. Ergänzt wird dieser Baustein durch das Funktionsgebäude für Parken + Energie. Durch die bereits im ersten Umsetzungsschritt hergestellten Erschließungsflächen des Quartierangers können in einem zweiten Bauabschnitt [B] zwei weitere Wohnhöfe angeschlossen werden. Die Erweiterung des Quartiers nach Westen in Form des Wohnwegs und des westlichen Quartierangers ermöglicht in einem weiteren Bauabschnitt [C] die Fortführung des Bebauungskonzepts. Die private Rückbehaltsfläche von 3.000 m² kann im Zuge der Umsetzung von Abschnitt [C] erschlossen werden oder provisorisch bereits zusammen mit Abschnitt B.

NEUORDNUNG IDEENTEIL
Die Verknüpfung der historischen und der neuen Dorfmitte kann nur durch ein räumliches Zusammenwachsen beider Orte entstehen. Hierfür wird eine Neuordnung der vorhandenen Bestandsbebauung im Ideenteil vorgeschlagen, die vor allem westlich der Egger Straße einen wirkungsvollen und funktionalen Zusammenschluss von Alt und Neu resultieren lässt. Auf dem Standort der Hausnummer 9 wird ein zurückversetzter Neubau vorgeschlagen, der z.B. als zentrales Gesundheitszentrum mit Arzt-, Physio- und Reha-Praxen wesentliche Bedeutung für die örtliche medizinische Versorgung haben kann. Das gegenüberliegende, aktuell leerstehende Anwesen Pranger Straße Nr. 1 wird durch einen gemeinschaftlich genutzten Parkraum für das Hotel und das Gesundheitszentrum umgenutzt. Im Zuge der Neuordnung wird der Anschluss der Pranger Straße an die Egger Straße nach Norden neu strukturiert und verschoben. Auf dem Areal des Hotels verbleibt ein Kernkontingent an Pkw-Stellplätzen. Auf der derzeitig ungegliederten Schotterfläche wird ein ergänzender Erweiterungsbau für das Hotel vorgeschlagen. Durch diesen neuen Baukörper können der rückwärtige Hoteleingang und der neue Hof des Stadels als attraktiver Freiraum der Eventlocation etabliert werden. Gliederndes Grün steigert die Aufenthaltsqualität des Freiraums in angemessener Art und Weise.
Als Kontrapunkt zum Standort des Maibaums beim Dorfstadel wird für einen neuen Dorfbrunnen der Platzschwerpunkt in der historischen Dorfmitte gegenüber dem Zugang zum Kirchhof vorgeschlagen. Zusammen mit der Bestands-Platane bildet der Brunnen ein ortsbildprägendes und dörfliches Ensemble.
Eine zukünftige Erschließung der Anwesen Egger Straße 11 und 13 kann über den östlichen Quartiersanger aus nördlicher Richtung auf die Privatgrundstücke erfolgen. Die überlange Zufahrt über den aktuellen Privatweg kann aufgelöst werden. Die Anwesen Egger Straße 7 und 7a können über eine qualitätvoll ausgebildete Platzaufweitung vor dem zukünftigen Gesundheitszentrum angefahren werden. Die Platzfläche bildet den nördlichen Abschluss der historischen Dorfmitte.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit schlägt eine von der Wildenforster Straße zur Egger Straße durchgehende Haupterschließung vor, die durch zwei trapezförmig aufgeweitete, in der Arbeit als „Anger“ bezeichnete Flächen mit verändertem Platzbelag verschwenkt wird. Die mehrfachen Richtungswechsel verhindern ein schnelles Abkürzen durch den Pkw-Verkehr zuverlässig. Die vorgeschlagenen mehrgeschossigen Parkgebäude an den Zufahrten zum Quartier sind unmaßstäblich und beeinträchtigen die Qualität der angrenzenden privaten Freiflächen. Insgesamt scheint die Anzahl der angebotenen Stellplätze überdimensioniert. Fünf Wohnhöfe mit gemischten Wohnformen in zwei- und dreigeschossigen Gebäuden werden über ein Nebengebäude für Pkw und Fahrräder an diese Angerflächen angebunden. Es entstehen qualitätvolle, autofreie Innenhöfe, von denen aus die jeweiligen Gebäude fußläufig erschlossen werden. Auf der Seite der öffentlichen Erschließung lässt die Anreihung von Garagen und Nebengebäuden wenig qualitätvolle Begrenzungen der Straßenräume erwarten. Für das jeweils nördliche Gebäude am Hof bedeutet die Erschließung von Süden eine Zuwegung über die private Grünfläche. Das zwischen Wohn- und Nebengebäude platzierte Müllgebäude verunklärt die Baukörper der Wohngruppe unnötig. Die Retentionsflächen innerhalb der knappen halböffentlichen Flächen der Wohnhöfe werden kontrovers diskutiert. Der Nahversorger kommt der nördlich angrenzenden Wohnbebauung zu nahe, die Anlieferung überlagert sich mit der Haupterschließung des Quartiers und der Zufahrt zur Parkscheune und wird daher hinsichtlich Platzierung und Funktion kritisch beurteilt. Die Bauabschnitte sind nachvollziehbar, im ersten Bauabschnitt entsteht jedoch zwingend bereits die Erschließung für den zweiten Bauabschnitt. Die Verfasser schlagen vor, den Bachlauf am östlichen Quartiersrand entlang der Egger Straße zu öffnen und mit einer Grünfläche am östlichen Quartiersrand zu verknüpfen, die aber als zu schmal bewertet wird. Der Standort für den Maibaum wird aufgrund des knappen Umfeldes kritisch gesehen. Um die mit dem Servicegebäude an der Festwiese beabsichtigte Lärmschutzwirkung zu erreichen, müsste das Gebäude zumindest teilweise geschlossen werden. Mit Ausnahme der Festwiese weist die Arbeit keine größere zusammenhängende öffentliche Grünfläche innerhalb des Quartiers auf. Die Arbeit erreicht insgesamt eine relativ geringe Geschossfläche. Die Wohnhöfe zeigen jedoch jeweils eine Flächenreserve, die eine maßvolle Verdichtung ermöglichen würde. Die vorgeschlagenen Veränderungen im Ideenteil können nicht überzeugen, die fußläufige Anbindung aus dem neuen Quartier wird begrüßt.
Perspektive Dorfwiese

Perspektive Dorfwiese

Abgabeblatt 01

Abgabeblatt 01

Abgabeblatt 02

Abgabeblatt 02

Modell

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