modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Verkehrs- und freiraumplanerische Neuordnung der Unteren Nadorster Straße in Oldenburg

Zentraler Geschäftsbereich

Zentraler Geschäftsbereich

1. Preis

Preisgeld: 25.000 EUR

nsp landschaftsarchitekten stadtplaner PartGmbB schonhoff schadzek depenbrock

Landschaftsarchitektur

SHP Ingenieure GbR

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Prägend für das Stadtgebiet sind die räumliche Lage und die Gestalt der Nadorster Straße. In Nord-Süd Richtung verlaufend bildet sie eine wichtige Verbindung Richtung Innenstadt und stellt Verbindungen zu den angrenzenden Quartieren her.
Durch die vorgeschlagenen verkehrs- und freiraumplanerischen Maßnahmen entsteht, im Kontext der angrenzenden Bebauungs- und Nutzungsstruktur, eine neue Straßenraumgestaltung. Ziel ist die Stärkung und Entwicklung des zentralen Versorgungsbereichs sowie die Steigerung der räumlichen Aufenthaltsqualität. Neben der Aufwertung und Akzentuierung des Straßenraums werden auch die umliegenden Funktionen gestärkt und in Ihrer Bedeutung hervorgehoben. Ziel ist die Identitätsbildung und die Schaffung eines charakteristischen Ortes für den Stadtteil.
Das grundlegende Prinzip besteht in der Gliederung des Entwurfsareals in „Raumsequenzen“ die gestalterisch und funktional auf das Umfeld reagieren und neue, räumliche Qualitäten herstellen: Der zentrale Geschäftsbereich zwischen Lindenhofsgarten/Bürgereschstraße und Ehnernstraße, der nördliche Übergangsbereich bis zur Lehmkuhlenstraße und der südliche, durch den Gertrudenfriedhof und die einseitige Wohn- und Geschäftsbebauung geprägte Bereich. Funktion und Bild der Straße stehen dabei im Vordergrund; das Wechselspiel von Enge und Weite im Straßenquerschnitt erzeugt eine spannende Raumfolge und reguliert künftig die Geschwindigkeit des Verkehrs.
Entlang des gesamten Entwurfsgebiets erfolgt eine Neugliederung des Straßenprofils: Die Seitenränder aus Betonwerkstein in changierenden Grau- / Beigetönen bilden einen „Teppich“ und ziehen den Raum zu einer räumlich-gestalterischen Einheit zusammen. Das Mehrsteinsystem mit Breiten von 15cm - 25cm und Längen von 30cm - 50cm bildet einen vielseitig bespielbaren sowie gut begeh- und berollbaren Belag. Durch die Haptik und das Format des Steins wird der Straßenraum als eigenständiger Ort wahrnehmbar und bietet eine hohe Aufenthaltsqualität für Anwohner und Passanten. Die Fahrbahn wird im zentralen Geschäftsbereich in eingefärbtem Asphalt ausgeführt um ein homogenes Bild mit den Randbereichen zu erzeugen.
Die lockere Baumsetzung mit hoch aufgeasteten Bäumen erzeugt eine Rhythmisierung des Straßenraums, gleichzeitig kann mit dieser Strategie flexibel auf die künftige Nutzungsentwicklung reagiert werden: In den merkantil geprägten Bereichen können bewusst offene Situationen für Außengastronomie und Platz für Auslage entstehen, wodurch eine Aktivierung der Erdgeschosszonen ermöglicht wird.

Zentraler Geschäftsbereich
Der zentrale Geschäftsbereich wird als Stadtteilzentrum gestalterisch hervorgehoben: Durch eine einheitliche Materialisierung des Straßenraumes (Fahrbahn im Hinblick auf den hohen SV-Anteil mit eingefärbtem Asphalt) und niedrige Borde (Höhe 2 - 4 cm) wird die besondere Funktion dieses Bereiches verdeutlicht. Die Gestaltung orientiert sich am Prinzip des „Shared Space“; da die Einsatzgrenzen gemäß den Regelwerken hinsichtlich der Verkehrsstärken und des Anteils an Schwerverkehr leicht überschritten werden, soll eine klar abgetrennte Fahrbahn, ergänzt mit gesicherten Überquerungsstellen, beibehalten werden. Der Radverkehr wird in diesem Bereich auf der Fahrbahn geführt; regelkonform ausgebildete Übergangsbereiche sichern die Führung von den „Protected Bike Lanes“ auf die Fahrbahn; leichte Anrampungen (Berücksichtigung Busverkehr: Steigung ca. 1:10) verdeutlichen Kraftfahrern den Übergang in den Bereich mit veränderter Radverkehrsführung. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 20 km/h gewährleistet die Verkehrssicherheit insbesondere für Radfahrer, Überholvorgänge durch Kfz sind kaum zu erwarten. Das linienhafte, freie Überqueren der Fahrbahn wird erleichtert.
Zwei Mittelinseln dienen zusätzlich als gesicherte Überquerungsstellen; die Fußgänger-Lichtsignalanlage in Höhe Ehnernstraße/Kriegerstraße wird beibehalten. Durch die Anordnung von „Protected Bike Lanes“ in den Übergangsbereichen und die Fahrbahnführung im zentralen Geschäftsbereich (20 km/h) wird der Bedeutung der Nadorster Straße für Radfahrer als Durchgangsraum, aber auch Ziel, Rechnung getragen und ein hohes Komfort- und Sicherheitsniveau ermöglicht. Zahlreiche dezentral angeordnete Fahrradabstellmöglichkeiten, für Lastenräder in Längsaufstellung, und Lademöglichkeiten für E-Bikes ergänzen das Angebot.

Kfz-Verkehr
Ziel ist der Erhalt der verkehrlichen Leistungsfähigkeit bei gleichzeitiger Verbesserung der Situation für die nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer. Die Fahrbahnbreite von 6,50 m ermöglicht den Begegnungsfall Bus / Bus und trägt dem hohen Schwerverkehrsanteil Rechnung. Am signalisierten Knotenpunkt Lindenhofsgarten/Bürgereschstraße bleiben die Linksabbiegestreifen erhalten. Die vorgesehene Geschwindigkeitsbeschränkung verbessert die Verkehrssicherheit und verringert die Lärmemissionen.
Parken / Liefern, Laden
Da in den rückwärtigen Bereichen zahlreiche Kundenparkplätze zur Verfügung stehen, kann das Parken im Straßenraum deutlich reduziert werden. In aufgeweiteten Bereichen stehen beidseitig 2,50 m breite Liefer-/Ladestreifen (Freihalten der Flächen für Lieferverkehr durch zeitliche Regelung) bzw. Kurzparkstände zur Verfügung.
Busverkehr
Die Bushaltestelle „Kriegerstraße“ verbleibt am heutigen Standort. Die Ausbildung der Haltestellen als barrierefreie Buskaps ermöglicht breite Warteflächen und dient der ÖPNV-Beschleunigung, da das Wiedereinfädeln in den fließenden Verkehr entfällt. Eine Mittelinsel in Höhe der Wegeverbindung Heckengang dient als gesicherte Überquerungsstelle.
Fußverkehr, Barrierefreiheit
Für Fußgänger stehen ausreichend breite Seitenräume (> 2,80 m) zur Verfügung. Aufgeweitete Seitenraumbereiche werden mit entsprechendem Mobiliar als Aufenthaltsbereiche gestaltet. Die Einmündungen Ehnernstraße und Kriegerstraße werden als Gehwegüberfahrten ausgebildet. Barrierefreiheit für Seh- und Mobilitätseingeschränkte wird durch linienhafte taktile Leitstreifen (jeweils hinter der Mobiliarzone) sowie taktile Leiteinrichtungen an ausgewiesenen Überquerungsstellen und Nullabsenkungen sowie barrierefreie Bushaltestellen gewährleistet.

Die Übergangsbereiche
In den Übergangsbereichen werden beidseitige geschützte Radwege als „Protected Bike Lanes“ angelegt, die durch einen 1 m breiten Sicherheitstrennstreifen mit Hochbord zur Fahrbahn begrenzt sind. Die komfortable Breite von 2,25 m ermöglicht das gefahrlose Überholen der Radfahrenden untereinander. Durch einen leichten Höhenunterschied zwischen Radweg und Gehweg werden außerdem Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr minimiert.
Durch Einbauten im Sicherheitstrennstreifen (Leuchten, Poller) sowie die Begrenzung zur Fahrbahn durch Hochborde wird widerrechtliches Befahren durch Kfz wirksam verhindert.
Im südlichen Übergangsbereich wird als Chance für den Ideenteil die Friedhofsmauer an der nord-östlichen Kante perforiert und zu einem neuen Antritt in den künftigen „Friedhofspark“ entwickelt wodurch das Mausoleum eine Aufwertung erfährt. Sämtliche Gräber werden dabei erhalten und sensibel in das neue Erscheinungsbild integriert. Parallel zur Nadorster Straße entsteht hier durch eine behutsame Aufweitung der Bestandswege eine fußläufige Verbindung in Nord-Süd Richtung. Die Wegeverbindung mündet in den „Platz an der Getrudenkappelle“, hier werden die ortsbildprägende Linde und das Kappelengebäude neu Inszeniert. Die dichten Bestandsgehölze auf dem Friedhof bilden zusammen mit der neuen Erschließung einen grün geprägten Ort, ein landschaftlich- kontemplatives Pendant zur künftigen „Bürgerwiese“ im nördlichen Entwicklungsbereich.
Im nördlichen Entwicklungsbereich wird für den Ideenteil eine Aktivierung des Lindenhofsgartens zur neuen „Bürgerwiese“ vorgeschlagen. Durch eine eigenständige Formsprache und Erschließung entsteht, für eine künftige potentielle Quartiersmitte, ein attraktiver Freiraum für Spiel, freie Aneignung und Gastronomie. Ein Ort der Begegnung und Kommunikation.

Prinzip „Verweben mit dem Umfeld“
Der Heckengang im zentralen Geschäftsbereich wird mit in das Gestaltungskonzept einbezogen und zu einem qualitätsvollen Durchgangs- und Aufenthaltsraum aufgewertet. Zusammen mit den Interventionen aus den Ideenteilen entsteht ein System von Querverbindungen, so dass die angrenzenden Nachbarschaften ebenfalls von der Stärkung der Nadorster Straße profitieren. Künftig könnte ein Motiv von „mehreren Heckengängen“ im Quartier etabliert werden, um eine bessere Durchlässigkeit und Erreichbarkeit für die Anwohner zu schaffen.

Insgesamt entsteht durch die vorgeschlagenen Interventionen ein moderner Straßenraum, der die vielfältigen Ansprüche und Nutzungen in einem zentralen Ort zusammenfasst und durch seine hohe Qualität und verbindende Funktion zur Aufwertung aller angrenzenden Stadträume beiträgt.
Neben der Inszenierung des zentralen Geschäftsbereichs wird gleichzeitig eine Anbindung der Grünräume hergestellt. Es entsteht ein neuer Stadtbaustein, der sich mit eigenständiger Identität und neuen Qualitäten in das Stadtbild von Oldenburg einfügt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das grundlegende Entwurfsprinzip des Beitrages ist die Gliederung der unteren Nadorster Straße durch Raumsequenzen, die funktional und gestalterisch neue räumliche Qualitäten generieren. Im nördlichen und südlichen Abschnitt wird ein geschützter Radweg vorgeschlagen, während im mittleren Abschnitt mit dem zentralen Versorgungsbereich das Prinzip des „shared space“ verfolgt wird. Hier sollen Fußgänger, Fahrradfahrer, der motorisierte Individualverkehr und der Bus die Fahrbahn gemeinsam nutzen. Hierzu wird in diesem Abschnitt eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 20 km/h vorgeschlagen, was für die Akzeptanz der Zonierung als wichtig erscheint und den Sicherheitsansprüchen Rechnung tragen soll.
Die vorgenommene Dreiteilung berücksichtigt die vorhandenen Bau- und Nutzungsstrukturen und eröffnet im mittleren Abschnitt neue, sehr gute horizontale Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den Geschäftsbereichen für die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Für den zentralen Bereich können so adressbildende Raumqualitäten und eine Stärkung der Lagegunst erreicht werden. Dieses ist von unmittelbarem Vorteil für die Gewerbetreibenden vor Ort. Kontrovers diskutiert und kritisch gesehen wird der Verzicht auf Stellplätze, auch wenn multifunktionale Flächen angeboten werden, die auch für das Kurzzeitparken zur Verfügung stehen. Vermisst werden auch alltagstaugliche Fahrradabstellanlagen.
Eine ausreichende Leistungsfähigkeit für den Kfz-Verkehr scheint möglich, ist aber im weiteren Verfahren noch konkret nachzuweisen. Das gilt insbesondere für den mittleren Straßenabschnitt mit der Shared-Space-Lösung, die mit den (auch rechtlichen) Anforderungen einer Hauptverkehrsstraße in Übereinstimmung zu bringen ist. Positiv ist anzumerken, dass an den Knotenpunkten die Abbiegestreifen erhalten bleiben.
Der Entwurf sieht eine lückenlose Führung des Radverkehrs vor. Die Anforderungen einer Hauptverbindung für den Radverkehr sind damit gut erfüllt. Dieses Radverkehrskonzept stärkt die Nutzungs- und Aufenthaltsfunktionen im Quartier mit dem guten Nahversorgungsangebot und verbessert gleichzeitig die Möglichkeiten für Radfahrer, direkt und sicher in die Stadt gelangen zu können.
Das Begrünungskonzept aus dichten Baumreihen im südlichen, „tanzenden“ Bäumen im mittleren und lockeren Baumreihen im nördlichen Straßenabschnitt ist sehr flexibel ausgelegt, unterstützt die Rhytmisierung der Straße und berücksichtigt die Aufenthalts- und Nutzungsansprüche der Gewerbetreibenden auf den Platzaufweitungen.
Die Jury würdigt das visionäre Konzept, das mit großer Selbstverständlichkeit und selbstbewusst über konventionelle Aus- und Umbaulösungen von Innenstadtstraßen hinausgeht und als innovativ und modellhaft bezeichnet werden kann. Bei allen noch mit Anwohnern und Geschäftstreibenden zu klärenden offenen Fragen und Klärungserfordernissen in Sachen verkehrlicher Detaillösungen kann die Nadorster Straße bei Realisierung dieses Konzeptes an Attraktivität für alle „Verkehrsteilnehmer“ und an Nutzungs- und Aufenthaltsqualität für die Bewohner und Gäste im Quartier deutlich gewinnen.
Verkehrs- und Freiraumplanerisches Gesamtkonzept

Verkehrs- und Freiraumplanerisches Gesamtkonzept

Verkehrskonzept

Verkehrskonzept

Schnitt-Detail Friedhofspark

Schnitt-Detail Friedhofspark

Schnitt-Detail zentraler Geschäftsbereich

Schnitt-Detail zentraler Geschäftsbereich