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Award / Auszeichnung | 11/2020

Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen 2020

Swarovski Manufaktur

AT-6112 Wattens, Swarovskistraße 30

Auszeichnung

Snøhetta

Architektur

Baumann + Obholzer

Tragwerksplanung

SPEKTRUM Bauphysik & Bauökologie GmbH

Bauphysik

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Büro-, Verwaltungsbauten, Gewerbe-, Industriebauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2015
    Fertigstellung: 01/2018

Projektbeschreibung

Innsbruck / Wattens, Jänner 2018

Mit der Swarovski Manufaktur in Wattens entwickelte Snøhetta für den Tiroler Kristallhersteller das Kristallatelier des 21. Jahrhunderts. Snøhetta schuf einen Hybrid für Produktion und kreative Zusammenarbeit, für Präsentation und Repräsentation. Diese neue Typologie ermöglicht innovative Wege, kreativ-visionäre Prozesse mit technischen Vorgaben und Notwendigkeiten der Kristall-Produktion abzustimmen. Design und Produktion, Produktentwicklung und die Entwicklung neuer Kristall-Anwendungen finden an einem Ort statt. „Die Swarovski Manufaktur definiert neue Standards für inklusive Produktionsstandorte“, bringt Kjetil Trædal Thorsen, Gründungspartner von Snøhetta, das Konzept auf den Punkt. „Wenn Kunden, Designer, Künstler, Researcher, die Arbeiter an den Maschinen, Techniker und auch die Öffentlichkeit an einem Ort, unter einem Dach zusammenkommen, wird dies unser Denken über diese Beziehungen verändern.“
Die Manufaktur ist also in erster Linie ein Ort für innovative Kooperationen. Als Bühne für unterschiedliche Aktivitäten schafft sie Möglichkeitsräume für kreativen Austausch, für die rasche Umsetzung von Ideen und auch für unerwartete Begegnungen. Deswegen fokussiert der Entwurf nicht auf die Produktionsprozesse, die zentraler Bestandteil der Manufaktur sind, sondern auf die Atmosphäre und den Raum, denn es braucht vor allem eine ansprechende und anregende Umgebung, um Visionen zu fördern. Snøhetta verzichtete bewusst auf eine formale Interpretation kristalliner Formen. Vielmehr ging es um ein Spiel mit den ephemeren Qualitäten, die Kristall zum Funkeln bringen. Es ging also in erster Linie um die Inszenierung von Tageslicht. „Wir haben bewusst nicht versucht, die physischen Eigenschaften von Kristall bei der Geometrie des Baus zu interpretieren“, erklärt Patrick Lüth, Managing Director des Innsbrucker Snøhetta-Studios und Projektverantwortlicher. „Vielmehr haben wir versucht zu verstehen, was Kristall so speziell und attraktiv macht. Mit diesen ephemeren Qualitäten haben wir eine spezielle Atmosphäre geschaffen. E ist ein Raum mit unglaublich viel Tageslicht, wie in keiner anderen Produktionsstätte. Kristall beginnt mit Licht zu leben. Für uns ist diese gewaltige Präsenz des Tageslichts der wichtigste ästhetische Aspekt des Gebäudes.“
Das Tageslicht kommt über Öffnungen in der Decke, so genannte Kassetten, in den großzügigen Raum. In der speziellen Deckenkonstruktion befinden sich nicht nur 135 Tageslichtöffnungen, die mit spezieller Sonnenschutzbeschichtung versehen sind. Die stützenfrei konzipierte, weiß lackierte Stahl-Konstruktion, die aus einem 6 x 3 Meter und leicht verdrehtem Raster besteht, nimmt auch die komplette Haustechnik auf. Die in die Deckenkonstruktion integrierten perforierten Akustik-Paneele sorgen, trotz Maschinenlärm, für einen angenehmen Lärmpegel in der Halle, die Konversation in normaler Lautstärke zulässt.
Die helle, freundliche Atmosphäre der Halle wird außerdem durch die Materialwahl unterstützt. Neben weißen Wänden bedecken etwa helle Birkenholzplatten den Boden und verkleiden eine skulpturale Galerie, die einen Überblick auf die großzügige Halle gewährt. Weiters wird diese Atmosphäre speziell in Szene gesetzt, wenn Besucher die Manufaktur betreten. Erschlossen wird sie nämlich über eine Brücke vom Campus 311, einem neuen Bürostandort in einer alten Produktionshalle. Dort herrschen dunkle Materialien vor, wodurch beim Betreten das helle Erscheinungsbild der Manufaktur zusätzlich zur Geltung kommt. Über die von der Decke abgehängte Holzplattform gelangt man dann über eine große Freitreppe, die auch als Treffpunkt und Arena dient, in die Halle. In diesem skulpturalen, tribünenartigen Einbau sind auch Büros sowie Schau- und Präsentationsräume integriert. In diesen Räumen, die von Glaswänden begrenzt werden, dominieren Materialien wie Eichenholz, Messing, buntes Glas und verschiedene Textilien. Neben der Treppe dient auch ein Café als Treffpunkt und vermittelt zwischen dem skulpturalen Einbau und der Halle. Von außen ist das neue Gebäude kaum sichtbar, da es sich nahtlos in den Bestand auf dem Werksgelände fügt.
In der Halle befinden sich alle Maschinen, die für den Produktionsprozess der Kristallerzeugung notwendig sind, um Prototypen oder Kleinserien in kürzester Zeit anfertigen zu können. Der gesamte Prozess wird also in kleinem Maßstab nachgebildet. Ändern sich die technischen Standards oder Vorgaben, bietet die flexible Halle genügend Platz, die Produktionsprozesse nach dem neusten Stand der Technik zu arrangieren. Ein Doppelboden bietet genügend Flexibilität für die notwendigen Anschlüsse und Leitungen. Für den Aufbau von besonders großen Prototypen steht das so genannte „Luster-Loch“ zur Verfügung. Dort öffnet sich die Halle ins Untergeschoss und ermöglicht, bis zu 14 Meter hohe Werkstücke vor Ort aufzubauen und zu testen.
Die neue Manufaktur setzt aber nicht nur Standards für die kreative Arbeit der Zukunft, sondern auch punkto Nachhaltigkeit: Das Gebäude erfüllt die Kriterien für den LEED Gold Standard (Leadership in Energy and Environmental Design).

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Frage danach, wie Lebens- und Arbeitswelten in Zukunft aussehen werden, beschäftigt aktuell viele ArchitektInnen und UnternehmerInnen weltweit. Vielerorts reagieren Firmen auf die automatisierte und „entfremdete“ Arbeitswelt mit Transparenz und Produktnähe und begeistern KundInnen mit einer offenen Produktionsstätte für ihre Erzeugnisse.

Die Swarovski Manufaktur in Wattens beauftragte das Architekturbüro Snøhetta, ein „Kristall-Atelier“ des 21. Jahrhunderts zu entwerfen. Eine Aufgabe, die wie geschaffen dafür ist, prototypische Arbeits- und Kreativräume für die Zukunft zu gestalten. Entstanden ist ein Raum, in dem gemeinsam und auf Augenhöhe innovative Wege beschritten werden und Visionen entstehen können. Die Manufaktur ermöglicht Begegnungen zwischen KundInnen mit MitarbeiterInnen des Unternehmens und für die rasche Umsetzung der daraus resultierenden Ideen: Repräsentationsräume, Büros, Begegnungszonen, Nischen für Werkbänke und Roboter, die im rapid-prototyping-Verfahren 1 : 1-Modelle produzieren, sind nebeneinander in einer großen Halle situiert.

Weiße Wände und modular versetzbare, große Birkensperrholzplatten am Boden sowie als Verkleidung in der Halle schaffen einen hellen wie übersichtlichen Raum. Eine eingestellte, zentrale Tribünentreppe fungiert als Pausenfläche bzw. als erweiterter Bereich des Cafés und wird auch für Vorträge genutzt. Die ca. 100 Meter lange und knapp 50 Meter breite stützenfreie Halle mit einer Metallkassettendecke und 135 Tageslichtöffnungen bietet alles, was die Arbeits- und Lebenswelt von morgen braucht.

Das Architekturbüro Snøhetta hat es geschafft, eine neue Architektursprache für inhaltlich offene und kooperative Räume zu entwickeln. Durch seine Leichtigkeit und Helligkeit sowie die geschickt gewählten Materialien versprüht der Raum eine Atmosphäre, die zwischen angenehmer Wohnlichkeit und konzentrierter Arbeits-welt changiert. Snøhetta hat damit einen konzeptionellen Ausblick gestaltet, der in Zukunft wohl nicht nur für Werkhallen repräsentativ sein könnte. (
Jurytext: Peter Haimerl, Auszeichnungen des Landes Tirol für Neues Bauen 2020)