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Award / Auszeichnung | 10/2020

Architekturpreis der Stadt Nürnberg 2020

FLORIAN NAGLER ARCHITEKTEN
Wiederaufbau St. Martha

FLORIAN NAGLER ARCHITEKTEN Wiederaufbau St. Martha

Wiederaufbau St. Martha Kirche

DE-90402 Nürnberg, Königstraße 79

1. Preis

Florian Nagler Architekten GmbH

Architektur

candela gmbh lighting design

Lichtplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Sakralbauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2018

Projektbeschreibung

Im Jahr 2014 ist die 1385 eingeweihte St. Marthakirche in Nürnberg aus ungeklärten Gründen abgebrannt. Dabei ging auch der bauzeitliche historische Dachstuhl über dem Hauptkirchenraum verloren. Im Rahmen eines Wettbewerbs haben wir vorgeschlagen, die Kirche in der alten Außenkontur wiederaufzubauen. Im Inneren entsteht dagegen im Zusammenspiel mit der historischen Natursteinkonstruktion ein neuer Raum, der durch eine zeitgenössische Holzkonstruktion geformt und geprägt wird, die über die reine Tragfunktion hinaus auch akustische Funktionen übernimmt, um den Anforderungen an die besondere Akustik des ursprünglichen Kirchenraums gerecht zu werden. Für die neue Dachkonstruktion wurden ausschließlich unverleimte Vollhözer verwendet.
An der Westgiebelwand, wo die Orgel gebrannt und die größte Hitzeentwicklung verursacht hatte, war das große, mittlere Maßwerkfenster irreparabel beschädigt und wurde durch ein Neuteil ersetzt.
Der Einbau der neuen Orgel erfolgt zeitversetzt, sobald sich nach der erst kürzlich beendeten Baustelle ein stabiles Raumklima eingestellt hat.
Der Boden besteht aus diffusionsoffenem Stampflehm, der auf dem vorgefundenen historischen Bodenbelag aufgebracht wurde. Im Bodenaufbau ist eine Fußbodenheizung und eine induktive Höranlage integriert.
Die historischen Buntglasfenster im Chor waren zum Zeitpunkt des Brandes zur Aufarbeitung geborgen und konnten folglich an ihrem ursprünglichen Ort wieder eingebaut werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Kirche St. Martha liegt zurückgesetzt im Innern eines Altstadtblocks. Als Kapelle eines Pilgerspitals war sie 1385 geweiht worden, Patrizierfamilien stifteten bedeutende Glasfenster hinzu. Nachdem Kirche und Spital mit der Reformation 1526 geschlossen wurden, diente der Raum eine Weile als Theater, u.a. für die Proben der Meistersinger. Ab 1627 wurde St. Martha wieder als Kirche genutzt, seit 1800 durch die evangelisch-reformierte Gemeinde. Im frühen 20. Jahrhundert angefügte Seitenschiffe gaben dem Raum eine eigenartige Querausrichtung. Den 2. Weltkrieg überstand die Kirche als einzige in der Nürnberger Innenstadt fast unbeschadet, doch am 5. Juni 2014 fiel sie fast vollständig einem Brand zum Opfer. Außer den Grundmauern blieben lediglich die Chorfenster erhalten, die zur Restaurierung ausgelagert waren. Was sollte aus der Brandruine werden? Ein Wettbewerb brachte hochwertige, teils sehr expressive Vorschläge. Gewonnen haben ihn Florian Nagler und sein Team mit einem vergleichsweise schlicht anmutenden Entwurf, der sich mit seiner Umsetzung von 2015-2018 als ausgesprochen glückliche Lösung erwies. Die Architekten ließen nach Außen die alte Gebäudeform wieder herstellen und schufen unter dem großen Satteldach einen Raum, der die ungewöhnlichen Proportionen zu einer neuartigen, räumlich wie konstruktiv logischen Einheit führt. Um und über das alte Steinmauerwerk errichteten sie eine Holzkonstruktion, 8 die mit schlichten, in der Höhe gestaffelten Flachdecken den ursprünglich gewölbten Raum des Mittelschiffs in eindrucksvoller Höhe neu bestimmt. Zugleich dienen die Holzdecken der Aussteifung des Dachs und der Steinwände. Der Dachstuhl trägt die Lasten ähnlich in die Mauern ein, wie sich das bisher bewährt hatte, und erlaubte es, mit windschiefen Dachflächen an die Giebelflächen anzuschließen und so die alte Silhouette wieder herzustellen. Die Deckenuntersichten aus mehrschichtigem Brettsperrholz verleihen dem Raum eine diskrete, aber detailreiche Struktur und Textur, die zugleich für eine gute Akustik sorgt. Auch die Orgelempore und die Wandverkleidungen der Seitenschiffe wurden in Holz (lasierte Weißtanne) ausgeführt. Eingriffe in den Bestand sind auf das Notwendige reduziert: Die Wände wurden gereinigt und wo nötig ausgebessert, Spuren des Brandes und früherer Bauphasen blieben spürbar. Der über den Resten des alten Belags eingebrachte Stampflehmboden erlaubte es, das Niveau zum Altar hin leicht abzusenken, um gute Sichtverhältnisse und Barrierefreiheit zu gewährleisten. Und er harmoniert hervorragend mit den Holz- und Steinoberflächen. Die Wirkung ist stark und unmittelbar: Aus den Resten der Brandruine ist ein einzigartig bergender Raum entstanden, der gleichermaßen konzentrierte Stille und einladende Lebendigkeit ausstrahlt.
FLORIAN NAGLER ARCHITEKTEN
Wiederaufbau St. Martha

FLORIAN NAGLER ARCHITEKTEN Wiederaufbau St. Martha

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Wiederaufbau St. Martha

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