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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2021

Entwicklung „Urbaner Ort“ am Servatiiplatz in Münster

2. Preis

Preisgeld: 23.000 EUR

dreibund architekten

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Situation und Chance
Die exponierte Lage des zentral gelegenen Grundstückes am Servatiiplatz in Münster, flankiert von geschäftigen Hauptverkehrsstraßen, bietet die einmalige Chance mit der Idee des "Urbanes Ortes" einen programmatisch hoch aufgeladenen Stadtraum zu erzeugen.

Leitidee
Ein zeichenhafter Kopfbau besetzt die Spitze des Grundstückes. Aus der Perspektive der vorbeifahrenden Autos scheinen sich die umgebenden Solitärgebäude tanzend im Kreis zu bewegen. Die Lagegunst des Ortes ausnutzend, versteht sich das Gebäude dabei als Vermittler zwischen Signal- Iduna-Hochhaus, der Blockrand bildenden ehemaligen Bahndirektion und dem Nachkriegsbau der Erlöserkirche mit dem Landeshaus im Hintergrund. Nicht im Widersprach zu seiner städtebaulichen Präsenz, wird der Neubau als Ort interpretiert, der den Besucher der unmittelbaren Realität entrückt und in die Welt der Information, der Kommunikation und Konzentration eintauchen lässt. Weniger "ein Haus", mehr als ein in viele Ebenen geschichteter Stadtraum tritt der Baukörper auf. Der Besucher durchstreift im besten Falle flanierend oder bestimmend einen eng vernetzten vertikalen Stadtraum, "bepflanzt" mit flexiblen offenen städtischen Raum- und Nutzungsangeboten. Einem flüchtigen Gedanken gleich, versucht eine netzartige Hülle die Dynamik des Augenblickes dieses Treffpunktes der Münsteraner Bürgerschaft festzuhalten. Die ständig wechselnden Inhalte werden so sichtbar im Stadtraum verortet. Synergetisch verbunden krönt das neue Landesstudio Münster des WDR als Symbol für Kommunikation, Austausch und Information, weithin sichtbar, das Haus.

Städtebau
Dem Servatiiplatz zugewandt ragt der kompakte Baukörper an der Einmündung der großen Verkehrsachsen bis auf eine Höhe von +22,50m auf, um dann, den Traufhöhen der anschließenden Bebauung abfallend folgend, maßlich der Erlöserkirche gegenüber zu stehen. Das höher aufragende Gebäudeteil betont die so entstehende südwestliche Raumkante des nun klar gegliederten Servatiiplatzes und tritt in einen unmittelbaren Dialog mit dem mächtigen Gebäudenachbarn ein. Der Neubau rückt von der Straßenkante durch einen Unterschnitt angemessen zurück und formuliert im Stadtraum eine klare Adresse aus: Hier spannt sich ein neuer Eingangsplatz als gebauter städtischer Raum auf. Von hieraus erfolgt die Erschließung des großen Bürgerforums, mit separater Erschließung des WDR. Der Baukörper soll als gebauter Stadtraum auf selbstverständliche Weise in den öffentlichen Raum der Stadt eingebunden werden.

Organisation
Die großen öffentlich zugänglichen Funktionen werden erdgeschossig konzentriert. Foyers, gastronomische Angebote und Informationsmöglichkeiten säumen die zentrale Townhall mit ihren flexibel nutzbaren, vielfältigen Angeboten und Veranstaltungen. Von hier aus erfolgt über große Freiund Sitztreppen die Verteilung der Nutzungen Digitallabor, VHS, Smart City über die Geschossflächen. Die großzügigen offenen Flächen gliedert sich in kommunikative und konzentrierte Informations- und Beratungszonen. Die programmatische Verdichtung, sprich Mehrfach nutzung der Bereiche, konzentriert dabei die Nutzung auf ein kompaktes Gebäudevolumen. Durch die vorgeschlagene Gebäude- und Organisationsstruktur können auf kurzem Wege alle Bereiche miteinander vernetzt werden. Unterschiedliche Raumhöhen, Ein- und Ausblicke, insbesondere in den Obergeschossen, schaffen eine qualitätsvolle Welt als Ort des Austausches und der Kommunikation.

Fassade und Fassadenbegrünung
Die Fassade des Gebäudes wird als Vorhangfassade in weißen Streckmetallpaneelen vorgeschlagen. Dem vielfältigen Teppich der Nutzung folgend, filtert diese Haut die unterschiedlich ausgeprägten Fassadenflächen, großzügig verglast, Einzelfenster, geschlossen, deren Nutzung im Wechsel der Tageszeiten zu einem immerwährend wechselnden Bild des Hauses und stellt seine innere Nutzung in den Dialog mit dem Stadtraum. Trotz der fast vollständigen Überbauung des "Inselgrundstückes", werden die (verloren gegangenen) Freiflächen als wichtiger und integrativer Bestandteil des Konzeptes verstanden. Neben intensiv bepflanzten Dachgärten wird die Grundstücksfläche zu einer vertikalen Fassadenbegrünung "aufgeklappt". Das zu Wartungszwecken begehbare "Green Grit" stellt ein in die Fassadenstruktur integriertes geometrisch gefasstes Modul von Pflanzbalkonen dar. Ein vollautomatisches Bewässerungs- und Düngesystem passt, dem Liebigschen Minimierungsgesetz folgend, die fehlenden Ressourcen der begünstigten Sonnenlichtausrichtung an. Zur Verbesserung des Mikroklimas in der Stadt werden auch alle Flachdächer als extensive bzw. intensive Gründächer vorgeschlagen und als Skygarten einer öffentlich zugänglichen Skybar nutzbar gemacht.

Gebäudetechnik
Für das Gebäude wird ein wirtschaftliches Konzept für die Gebäudetechnik, in Anlehnung an einen zeitgemäßen Energiestandard, erstellt, in dem auch der zukünftige Betrieb berücksichtigt wird. Die effizienteste Energieeinsparung wird weniger durch aufwendige Technik realisiert, vielmehr gilt es durch geeignete Maßnahmen den Bedarf des Gebäudes an Wärme und Kälte weitestgehend zu reduzieren. Dies wird durch die Auswahl geeigneter Baumaterialien und den Einsatz äußerer Verschattungs- und innerer Blendschutzeinrichtungen in Kombination mit entsprechend qualifizierter Verglasung realisiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das monolithische und skulpturale Gebäude fügt sich mit seinen schrägen Gebäudefluchten, Dachflächen und dem zurückgesetzten Sockel städtebaulich gekonnt in den Stadtraum ein und nutzt dabei das Grundstück geschickt aus. Durch den Materialwechsel von Streckmetall und Begrünung entstehen wohl proportionierte Fassadenansichten. Gleichwohl wird aus denkmalpflegerischer Sicht die sehr monolithische Baukörperwirkung kritisiert. Die Streckmetallfassade gegenüber der Erlöserkirche und dem Signal Iduna Hochhaus wird ohne Bezug in Maßstäblichkeit und Materialität zu den beiden benachbarten Denkmälern gesehen. Die öffentlichen Nutzungen im offenen Erdgeschoss sind überzeugend angeordnet. Die Erschließungen sind gut gelöst. Das Gebäude lädt zum Eintreten ein. Der WDR ist über die Innenfläche und von außen gut erreichbar. Die Grundrisse haben eine hohe Qualität, gleichwohl engen sie den WDR in seiner Nutzungsflexibilität ein. Eine perspektivisch gewünschte Verkleinerung der Fläche für den WDR ist voraussichtlich nur schwierig realisierbar. Eine exklusive WDR-Dachterrasse ist nicht gewünscht. Aus dem Raum- und Funktionsprogramm fehlen die Fahrradabstellplätze im Untergeschoss. Die Küche und die Personalräume für die Gastronomie sind unattraktiv ohne Außenbezug im Untergeschoss angeordnet – die Roof-Top-Bar vermag zu überzeugen. Zur Harmonisierung und Verstärkung der monolithischen Wirkung des Baukörpers wird eine zweite Haut über die Fassade gelegt. Dies ist aus Sicht des Preisgerichts noch nicht überzeugend gelöst und kann nur als konzeptioneller Ansatz verstanden werden, der einer Detaillierung und konkreten Ausformulierung bedürfte. Die Vorhangfassade und insbesondere die vertikale Fassadenbegrünung schränken die Lichtdurchlässigkeit sowie den Ein- und Ausblick ein. Es bestehen Zweifel, ob der Open Space Bereich des WDR hinter der begrünten Fassade genügend Tageslicht erhält. Der Entwurf sieht extensiv begrünte Dachflächen vor. Die Vorhangfassade in weißen Streckmetallpaneelen nimmt Tageslicht insbesondere in der dunklen Jahreszeit. Die vertikale Fassadenbegrünung mit einem Ranksystem direkt vor der verglasten Fläche wird negativ bewertet wegen der fehlenden Lichtdurchlässigkeit, dem eingeschränkten Ausblick und einer eventuellen Insektenproblematik. Die Materialauswahl und die Konstruktion sind aus bauökologischer Sicht negativ. Die Kennwerte zur Wirtschaftlichkeit liegen weitgehend im durchschnittlichen Bereich. Positiv fällt das Verhältnis des Bruttorauminhalts zur Bruttogrundfläche auf.