modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Mehrfachbeauftragung | 02/2021

Städtebauliche Entwicklung des „Maute-Areals“ in Bisingen

Lageplan

Lageplan

2. Rang

becker + haindl architekten.stadtplaner PartGmbB

Architektur

TRANSPLAN Technik-Bauplanung GmbH

Energieplanung

Homolka Modellbau GmbH

Modellbau

Erläuterungstext

Die Gemeinde Bisingen ist aufgrund seiner Lage und seiner Wirtschaftsstruktur als ein Wohnstandort hoher Qualität einzustufen. Bisingen ist gut über den ÖPNV an die Mittelzentren Hechingen und Balingen angebunden. Auch die Oberzentren Tübingen und Reutlingen sind innerhalb von 30 min mit der Bahn erreichbar. Selbst Stuttgart, als Kooperationsraum, ist im Stundentakt direkt mit der Bahn erreichbar.
Das ehemalige "Maute - Areal" liegt zentral zwischen Ortszentrum und Bahnhof. In dem Konversionsgebiet soll ein durchmischtes Wohn- und Gewerbequartier entstehen, welches über ein innovatives und zukunftweisendes Konzept verfügt und das sich in die gebaute Umgebung gut einfügt. Die guten Anbindungen an die benachbarten größeren Städte, aber auch die engen Bezüge zu den nahen Erholungsgebieten mit vielfältigen Freizeit- und Sportangeboten wie Wandern, Biken und Langlaufen machen das "Maute-Areal" zu einem sehr guten Standort für ein neues innovatives Quartier.

Städtebauliche Konzeption - generelle Leitlinien
Abgeleitet von den örtlichen Gegebenheiten und den Forderungen der Auslobung bilden folgende Leitlinien die Grundlagen für die städtebauliche Konzeption:
- Entwicklung einer städtebaulich robusten Grundstruktur, welche die Gegebenheiten des Ortes aufnimmt und die Gebäude in das ehemalige Industrieareal einbettet.
- Schaffung von überschaubaren Nachbarschaften, die in einen übergeordneten städtebaulichen Rahmen eingebunden sind.
- Ausbildung eines ruhigen, weitgehend autofreien Innenbereichs mit Aufenthaltsqualitäten für "Jung und Alt", mit Anbindungen an die Ortsmitte, den Bahnhof und die Nachbarquartiere.
- Anlage eines Rathausvorplatzes, der als Eingang in das Quartier fungiert.
- Erhalt des Kesselhauses als Referenz und Zeitzeuge im Herzen des Quartiers - mit angelagertem Mehrgenerationenplatz.
- Anbieten von unterschiedlichen Entwicklungsträgerformen: Private Bauherren, Baugruppen, Genossenschaftliches Bauen, konventionelle Bauträger/Investoren.
- Entwicklung von flexiblen Gebäudetypen, die für Familien und alleinstehenden Menschen mit unterschiedlichen Lebens- und Einkommenssituationen geeignet sind.
- Durchmischung der einzelnen Quartiersbereiche mit unterschiedlichen Wohnformen.

Entwurfskonzeption
Das "Neue soll im Alten nisten", so lautet die Zukunftsdevise.
Die ehemals wertvolle Industriearchitektur ist durch langen Leerstand nicht sinnvoll einer weiteren Nutzung zuzuführen. Als Reminiszenz soll jedoch das Kesselhaus - als Herz - des Quartiers erhalten bleiben. Unterschiedliche Nutzungen und Entwicklungsformen finden in unterschiedlichen Bereichen ihren Niederschlag. "Wohnen am Anger", für private Bauherren und Baugruppen, "Integratives Wohnen" im zentralen Bereich um das Kesselhaus, ergänzt durch gastronomische und gewerbliche Nutzungen, genossenschaftlich organisiert, "Wohnen im Grünen" für Investoren/Bauträger und Baugruppen und öffentliche Nutzungen "Öffentliche Nutzungen" an der Bahnhofstraße - Rathaus und Polizei.

Verkehrserschließung und Parkierung
Das neue "Maute - Areal" wird in seinem inneren Bereich als weitgehend autofreies Quartier konzipiert. Die Fahrerschließung erfolgt über die begrenzenden Straßen Bahnhof-, Raichberg- und Zollerstraße, von denen aus die Zufahrten zu den Tiefgaragen erfolgen. Die Einzel- und Doppelhäuser sind über Wohnstraßenstiche "Wohnen am Anger" und Schillerstraße direkt anfahrbar.
Die PKW - Stellplätze der Einfamilien- und Doppelhäuser sind direkt auf den Grundstücken angeordnet. Alle anderen notwendigen Stellplätze sind in Tiefgaragen angeordnet, die je nach Bauabschnitt erweiterbar sind. Notwendige Besucherstellplätze, e-Bike Station und Carsharing für Elektromobilität werden an der Ecke Bahnhof- / Raichbergstrasse angeordnet. Der Zugang von Süden mündet im Rathausvorplatz. Durchzogen wird das Quartier durch vielfältige Fußgänger- und Radwegebeziehungen. Für Ver- und Entsorgungsfahrzeuge sowie Notfahrzeuge ist die Zufahrtsmöglichkeit gegeben.

Begrünungskonzept
Je nach Lage und Funktion erfahren die Wege und Plätze des Maute - Areals ein abgestimmtes Begrünungskonzept:
- In Hochbeeten gepflanzte Amberbäume kennzeichnen den Quartiersplatz als zentralen öffentlichen Bereich.
- Ein Magnolienbaumkarree fasst den Mehrgenerationenplatz räumlich ein.
- Rathausvorplatz und die Innenhofbereiche werden mit Sommer-Linden besetzt.
- Die an der Raichbergstraße angeordnete Parkierungsfläche wird mit einem Baumdach aus gefülltblühenden Vogelkirschen überstellt.
- Während Stadtbirnen die innere West-Ost Durchwegung markieren, erfahren die Raichbergstraße und Zollerstraße eine Bepflanzung mit Reihen von Feldahorn - Acer campestre ,Elsrijk´ als räumliche Begrenzung und als Übergang ins Quartier.
- Die Fassaden erhalten zu den Sonnenseiten eine zweite Schicht aus Gold Geißblatt "Lonicera tellmanniana" und Blauregen "Wisteria sinensis".
Aktivieren, Sammeln, Nutzen der Ressource Wasser
- Dachflächenwasser wird auf extensiv begrünten Klima-Retentionsdächern zurückgehalten und gedrosselt in Hauszisternen abgeleitet. Die Zisterne stellt Brauchwasser zu WC-Spülung und Gartenbewässerung den einzelnen Bewohnergärten zu Verfügung.
- teilweise wird das Wasser in wechselfeuchte Gartenbereiche zur Verdunstung eingeleitet
- Überschüssiges Niederschlagswasser wird den hydrogeologischen Verhältnissen, entsprechend über einen Überlauf in den Regenwasserkanal eingeleitet.

Wohnraumangebot
Die Durchmischung der beiden Quartiere mit unterschiedlichen Wohnformen, entsprechend dem geforderten Nutzungsmix, lassen ein vielfältiges Wohnangebot für eine heterogene Bewohnerschaft entstehen.
Miete, Eigentum und Wohnen für Jung und Alt sind gleichmäßig in ca. 80 Wohneinheiten über die einzelnen Gebäude verteilt und ermöglichen ein ausgewogenes Zusammenleben. So entstehen vielfältige Wohnkonstellationen für unterschiedliche Lebens- und Einkommenssituationen. Die Erdgeschosswohnungen der Mehrfamilienhäuser verfügen über kleine Gärten bzw. Außenbereiche, die je nach Bedarf zum Gärtnern, Spielen und Verweilen genutzt werden können.
Große Teile der privaten Außenbereiche werden jedoch gemeinschaftlich als Wohn- und Spielhof, genutzt, bzw. zum gemeinsamen Gärtnern als Treffpunkt für die Bewohner angeboten. In unmittelbarer Nähe zu den Eingängen, und den Gemeinschaftsgärten werden die Wasch- und Trockenräume angeordnet, die als Ort der Kommunikation, zum Basteln, Nähen oder Bügeln einladen und auch unliebsame Tätigkeiten erleichtern. Ein hoher Anteil an barrierefreien Wohnungen schafft zukunftsorientierte Grundrisse. In allen Gebäuden können rollstuhlgerechte Wohnungen angeboten werden. Unterschiedliche Balkonformen und - Größen, die Verwendung von unterschiedlichen Materialien (Putz- und Holzelemente, Fassadenbegrünung), schaffen ein lebendiges architektonisches Bild und unterstützen das Leitbild "Grünes Wohnen" zusätzlich. Sowohl der Wohnungsmix, als auch die flexible Aufteilung der Gebäude bieten eine gute Durchmischung des Quartiers und bieten vielfältige Möglichkeiten für generationen- und soziale Schichten- übergreifendes Wohnen im Quartier.
Das Neue soll im Alten niste - "Genius Loci" Identifikation -
Beim Nachhaltigen Planen und Bauen gilt es nicht nur Neubauten, sondern auch den Bestand näher zu betrachten.
Nach eingehender Überprüfung des Gutachtens zum Gebäudezustand, schlagen wir vor, das ehemalige Kesselhaus weiter als zentralen "Energiestandort" zu nutzen, energetisch zu sanieren und einer neuen Nutzung zuzuführen.
Die Erdgeschossnutzung soll, unter Beibehalt des Industriecharakters, innovativen Ideen zum Leben und Arbeiten Raum bieten. So soll das neue urbane Geflecht aus Arbeit und Wohnen, Freizeit und Konsum möglichst dicht verwoben werden. Mögliche Nutzungen sind für den Anbau: Cafe, Biergarten , Restaurant zum neuen Quartiers- und Rathausplatz ausgerichtet - für den Bestand: flexible Aufteilung der verbleibenden Fläche für, "Start ups", Baugruppe, Werkstätten und alternative Fertigungsformen, Co-working space, Loft Wohnungen.

Klima- und Umweltkonzept
Ziel ist es ein weitgehend energieautarkes und emissionsfreies Quartier zu entwickeln.
Energieeffizente Gebäude (KfW 40 bis Passivhausstandard) als Basis CO2 neutraler Versorgung reduzieren den notwendigen Wärmebedarf. Semizentrales Versorgungskonzept mit zentralem Wasser- und Energiehaus: im Untergeschoss des zentral gelegenen, ehemaligen Kesselhauses wird eine zentrale Heizungsanlage als Grundwasser-Wärmepumpe installiert. Der bestehende Brunnen wird durch einen zusätzlichen Brunnen im Bereich des Mehrgenerationenplatzes ergänzt. Das Niedertemperatur-Nahwärmenetz versorgt das gesamte Areal mit Heizwärme. Über dezentrale Wärmeversorgung wird jedes Haus individuell auf das Hochtemperaturniveau angehoben: Solarthermie Wärmepumpen in Verbindung mit Photovoltaik sorgen für optimale Nutzung lokaler regenerativer Energieträger.

Konstruktion / Bauweise
vorgeschlagen wird eine weitgehend innovative, monolithische Bauweise:
- Holz-Massivbauweise zur Bahnlinie orientiert mit Doppelfassade aus Glas (keine zusätzliche Dämmung erforderlich): Wärmespeicher (Winter), Kühlung (Sommer), Schallschutz
- konventionelle, monolithische Massivbauweise: wärmegedämmte Ziegel I Lehm I Dämmbeton - sämtliche Oberflächen verbleiben in ihrer Materialität
- Bewegliche Verschattung Gewerbe Jalousie + Lichtlenklamellen
- Fassadenbegrünung und Dachauskragungen an den Sonnenseiten der Mehrfamilienhäuser:
Wärmeschutz in den Sommermonaten, größtmöglicher Lichteinfall in den Wintermonaten
Materialität Außenanlagen
Gebiet weitgehend autofrei, vorwiegend versickerungsfähige Oberflächen
- Dächer: intensive Begrünung (+Photovoltaik/Solarthermie) - Spiel- und Bewegungsflächen auf strapazierfähigem Rasen
- "Grüne Zimmer": Gemeinschaftsgärten + vertikale Grünelemente - (Dach-) Terrassen: Holzroste / Holzpflaster
- Fuß-/Gartenwege: wassergebundene Wegedecken / Rindenmulch - Parkplätze: Rasenfugenpflaster

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser definieren mit dem Erhalt des Kesselhauses das “Herz“ des Quartiers und in der Achse nach Westen den neuen Rathausstandort an der Bahnhofstraße. Der sich dazwischen aufspannende Quartiersplatz ist nach Norden durch ein Hotel- und Gewerbebaustein gefasst. Entlang der Zollerstraße und Raichbergstraße sind Baufelder mit differenzierten Wohnungsbautypologien besetzt.
Die identitätsstiftende Wirkung durch den Erhalt des Kesselhauses wird als Reminiszenz an die frühere Baustruktur und Nutzung sowie die damit verbundene Auseinandersetzung mit dem baulichen Erbe anerkannt, die Entscheidung zum Abbruch aller Gebäude ist jedoch entschieden und Grundlage der Aufgabenstellung gewesen.
Auch erscheint die Nachnutzung mit Café, Co-Working und Energiezentrale innerhalb und in direkter Nachbarschaft zum Wohnen konfliktbehaftet. Hierzu wird eine konsequente öffentliche Freiraumzone zur funktionalen Wahrnehmung und strukturellen Einbettung vermisst. In diesem Kontext erscheint auch die Lage des Quartiersplatzes zu introvertiert. Die Freiraumstrukturen werden insgesamt kontrovers diskutiert.
Der Rathausstandort an der Bahnhofstraße ist richtig, die Orientierung und Zugänglichkeit des Rathauses über den Rathausvorplatz, der erst in einem letzten Bauabschnitt von Süden über die Eichgasse an die Ortsmitte angebunden werden kann, dagegen nicht. Der Bezug zur Bahnhofstraße und eine Verknüpfung zum Bahnhof fehlt. Die Ansicht der Bahnhofstraße in der Abfolge Wohnturm, Rathaus und Hotel überzeugt das Gremium in ihrer architektonischen Ausprägung nicht und bildet nicht die dort erwartete Quartiersansicht, weder als Auftakt des neuen Quartiers noch als Ortsansicht von der Bahn.
Die differenziert ausgebildeten Wohnbauten an der Raichbergstraße, mit den mäandrierenden kleinen Nachbarschaftshöfen fügen sich in ihrer Körnung städtebaulich ein und lassen mit dem vielfältigen wohntypologischen Angebot abwechslungsreiche Wohnsituationen erwarten. Ob der dadurch durchbrochene und wenig gefasste Straßenraum einer ortstypischen Straßentypologie entspricht, wird kontrovers diskutiert. Das Wohnungsangebot am Anger zur Goethestraße wird als gute Lösung benannt.
Die Anforderungen an eine sinnvolle abschnittsweise Realisierung können an der Raichbergstraße, insbesondere durch die vorgeschlagene Tiefgarage, nicht nachgewiesen werden.
Die städtebaulichen Kennwerte sind im mittleren Bereich.
Insgesamt gelingt den Verfassern mit teilweise sehr kleinteiligen Lösungen differenzierte Antworten auf städtebauliche (Einzel-)Fragestellungen. Die introvertierte Lage der öffentlichen Plätze und die Vernetzung mit dem Umfeld zur stadtfunktionalen Einbindung wird jedoch einem Quartier als Trittstein bzw. an der Nahtstelle zwischen Ortsmitte und Bahnhof sowie im Selbstverständnis als neuem Standort des Rathauses nicht gerecht.
Atmosphärische Skizze Rathaus

Atmosphärische Skizze Rathaus

Atmosphärische Skizze Mehrgenerationenplatz

Atmosphärische Skizze Mehrgenerationenplatz

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto