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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2021

Ersatzneubau SAW Alterssiedlung "Espenhof West" in Zürich (CH)

1. Preis

Preisgeld: 20.000 CHF

Weyell Zipse Architekten

Architektur

PIRMIN JUNG

Tragwerksplanung

Gruner AG, Gebäudetechnik

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Ab welchem Alter ist man das eigentlich: „Alt“? Medizinischer Fortschritt und steigender Wohlstand bedingen, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung in westlichen Industrienationen kontinuierlich ansteigt. Damit verschiebt sich auch die Wahrnehmung was Alter bedeutet. Das Renteneintrittsalter von 65 Jahren hatte bei der Einführung der AHV 1948 sicher noch eine ganz andere Bedeutung. So kann man heute davon ausgehen, dass bei durchschnittlicher Gesundheit mit 65 Jahren noch bis zu einem Drittel eines Lebens vor einem liegen kann. Wie man diese Zeit verbringen möchte, bzw. es sich leisten kann sie zu verbringen, hängt natürlich auch von den finanziellen Möglichkeiten eines jeden ab. Die Wohnungen im Espenhof West richten sich an eine Bewohnergruppe die vital genug ist um nicht betreut werden zu müssen, aber deren finanzielle Mittel so begrenzt sind, dass sie auf einen günstigen Mietzins angewiesen sind. Dass man sich kein Einfamilienhaus auf dem Land oder gar am Meer leisten kann um seinen Lebensabend zu verbringen, sondern in einer kollektiveren Wohnform auf begrenztem Raum in der Stadt lebt, muss dabei nicht weniger glücklich machen. Im Gegenteil: Der Ökonom Bruno Frey, einer der Pioniere der Glücksforschung von der Universität Zürich, sieht als Quintessenz von Glück nicht etwa finanzielle Unabhängigkeit, sondern vor allem die Relevanz von persönlichen Beziehungen - Freunde, Familie, Bekannte: „Es macht zufrieden, gute Beziehungen zu anderen Menschen zu haben, und seien es auch nur eher lose Bekanntschaften, die man hin und wieder pflegt“ (*aus „Dieser Mann weiß, was uns glücklich macht“, Die Zeit, 2o.06.2019). Die geringe Grösse der Bebauung Espenhof West besitzt das Potential, eine nachbarschaftliche Gemeinschaft mit lebendigen Beziehungen entstehen zu lassen. Dabei kommt den Begegnungszonen innerhalb des Gebäudes eine besondere Rolle zu. Wir glauben an das Entstehen eines gemeinschaftlichen Geistes, wenn die Architektur es schafft Räume in unterschiedlichen Abstufungen von Privatheit zu definieren, wenn persönlicher Rückzug ebenso möglich ist wie informelle Begegnung oder öffentlichere Versammlungen. 

Was wäre, wenn sich Erschliessungsbereiche nicht wie anonyme Korridore anfühlen, sondern wie ein geteiltes Wohnzimmer? Das räumliche Gerüst besteht aus einer „rue intérieur“, die vertikal sowie horizontal alle Wohnungen erschliesst. Strukturell ist dieser Erschliessungsraum als Betonkonstruktion ausgeführt, im Gegensatz zum umliegenden Holzrahmenbau. Der Korridor erstreckt sich über die gesamte Gebäudelänge, wird durch Nischen und Aufweitungen gegliedert, und an beiden Enden, sowie über ein Oberlicht in der Mitte, mit Tageslicht versorgt. Parkett als Bodenbelag erzeugt eine warme und wohnliche Grundstimmung, und gibt der Erschliessung die Atmosphäre eines erweiterten Wohnbereiches. Jede Wohnung besitzt ein Fenster zur „rue intérieur“, das - über Vorhänge regulierbare - Einblicke in die Küche und vice versa ermöglicht. Geflieste Sitzbänke laden zum spontanen Verweilen und nachbarschaftlichen Plaudern ein, und erinnern an wohlig beheizte Kachelöfen in den Wintermonaten. Elemente wie eine eigene kleine Eingangslampe oder ein privates Postfach für hausinterne Mitteilungen bilden die Schwellenräume der Eingangsbereiche aus. In einer kleinen Wohnung zu wohnen kann sich so auch anfühlen als würde man ein eigenes Haus besitzen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt «Hans im Glück» strebt städtebaulich eine möglichst einfache, kompakte Gebäudeform an, welche durch die längliche Ausdehnung als Teil der benachbarten Zeilen gelesen werden kann. Das Volumen wird an die Parzellengrenze des Espenhof Süd gestellt. Dies führt einerseits den Rhythmus der Freiräume zwischen den westlichen Nachbarn weiter, andererseits wird so die geforderte Dichte erreicht. Das Gebäude besteht baurechtlich aus zwei Gebäudeteilen auf unterschiedlichen Höhenniveaus aber einer gemeinsamen Erschliessung. Die Adressierung des Gebäudes erfolgt über die Langgrütstrasse. Ein gedeckter Eingangsbereich leitet die Bewohner in die «rue intérieure», welche das prägende Element des Projektes ist und die zukünftigen Bewohner*innen durch das Haus führt. Entsprechend wird dieser Raum, der sich von Stirnfassade zu Stirnfassade entwickelt auch behandelt. Es gibt Nischen und Aufweitungen und der Raum wird an den beiden Stirnseiten sowie durch ein zentrales Oblicht mit Tageslicht versorgt. Balkone und doppelgeschossige Räume verleihen der Erschliessung räumliche Grosszügigkeit. Eine für alle Bewohner zugängliche Dachterrasse und der Gartensitzplatz im 1.Obergeschoss verstärken den gemeinschaftlichen Geist, welchen sich die Verfasser für den Espenhof West wünschen. Die vier grösseren Wohnungen an den Gebäudeecken werden über ein kleines Entree mit Zugang zur Nasszelle, dem Schlafzimmer und dem Wohn-Essraum mit offener Küche erschlossen. Die beiden kleineren einseitig ausgerichteten Wohnungen werden direkt über den Wohnraum erschlossen, vor allem in der westlichen Kleinwohnung kann die Anordnung der Nasszelle noch nicht überzeugen. Die Erschliessungsfläche in den Wohnungen wird maximal reduziert. Sämtliche Wohnungen haben ein Fenster zum Erschliessungsraum, welches den privat – öffentlichen Bezug steuern lässt. Die Struktur der Wohnungen ist im Gegensatz zur liebevoll und vielschichtig gestalteten «rue intérieure» bewusst einfach gehalten. Dadurch wird die Bedeutung der gemeinschaftlichen Räume und Begegnungsorte gestärkt. Die Putzfassade auf hinterlüfteten Trägerplatten fügt sich in das Quartier ein. Die beiden Längsfassaden bestehen aus einfachen repetitiven Elementen, die beiden Stirnfassaden bekommen jeweils durch die unterschiedliche Ausgestaltung der «rue intérieure» und den doppelgeschossigen Räumen ein Gesicht. Das klare Gebäudevolumen, wirkt im Attikageschoss nicht ganz harmonisch. Auch ist die Einhaltung des Baurechts im Attikageschoss noch im Detail zu klären. Insgesamt ist das Projekt sehr sorgfältig ausgearbeitet. Die städtebauliche Setzung ist überzeugend, die Adressierung zur Langgrütstrasse selbstverständlich, der Bezug zur Umgebung mit dem südlichen Gartensitzplatz präzise definiert. Gleichzeitig ermöglicht die einfache Struktur eine kostengünstige und effiziente Bebauung. Die «rue intérieure» ist ein räumliches Versprechen, welches in seiner Ausformulierung noch optimiert werden kann. Der Charakter und die Möblierbarkeit der verschiedenen Orte sollen geschärft werden. Der Frage nach dem Wohnen und dem Glück im Alter wird mit sehr einfachen Wohnungen begegnet, die jedoch über einen reichhaltigen Erschliessungsraum zu einer Gemeinschaft finden. Auf diese Weise wird eine präzise Lebensvorstellung vermittelt, die einen hohen Wohnwert verspricht. Die gemeinsamen Räumlichkeiten wirken nicht wie ein anonymer Korridor, sondern wie ein geteiltes Wohnzimmer für die Hausgemeinschaft.