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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2021

Städtebauliche Entwicklung Bell-Areal in Kriens (CH)

Sieger

GWJ Architektur AG

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Güller Güller architecture urbanism

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

ORT AG für Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

mrs partner ag

Verkehrsplanung

Architekt Martin Beutler

sonstige Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Dem Team «Bell-époque» gelingt ein kohärenter und massstäblich gelungener städtebaulicher Konzeptvorschlag. Die Körnigkeit und die Rücksichtnahme auf die Höhen der Umgebung sowie die grösstenteils erfolgreiche Anbindung an die angrenzenden Quartiere tragen dem Leitsatz «Ein Stück Stadt» in stimmiger Weise Rechnung.

Die im Konzept vorgesehene Dreiteilung des Areals schafft eine interessante und abwechslungsreiche Abfolge von Freiräumen mit eigenständigen Identitäten und -Nutzungen. Der südliche Bereich «am Stadtplatz», angrenzend an die Obernauerstrasse und gegenüber der Busschleife, markiert den Auftakt in das Areal. Dieser Bereich ist der am stärksten der Öffentlichkeit zugewandte Teil des Areals und wird primär durch die zwei Plätze «Stadtplatz mit Wasserwerk» und «Turbinenplatz mit Bellpärkli» geprägt. Hier finden sich im Erdgeschoss mehrheitlich dem Publikum zugewandte gewerbliche Nutzungen sowie passende Nebennutzflächen. Die gewerblichen Nutzungen und Nebennutzungen sind über das gesamte Areal in der Anzahl jedoch noch deutlich zu hoch und müssen in der weiteren Bearbeitung reduziert werden. Der «Stadtplatz mit Wasserwerk» geht in der Diagonalen fliessend in den «Turbinenplatz mit Bellpärkli» über und gewährt schöne Einblicke in den «industriellen» Teil des Areals mit den historischen Bestands-Hallen C, 7 und 8. Der «Stadtplatz mit Wasserwerk» ist als vorwiegend befestigte Fläche mit einer Baumbepflanzung vorgesehen. Der «Turbinenpark» hat einen deutlich grösseren Grünflächenanteil und einen parkartigen Charakter. Beide Plätze sind sehr grosszügig bemessen und müssen in der weiteren Bearbeitung hinsichtlich Ihrer Dimensionierung überprüft werden.

Der Übergang zum zentralen Bereich «im Industriequartier» wird durch die geöffnete Bestands-Halle C markiert. Sie ist überdeckter Aussenbereich und Filter für den dahinter liegenden Bereich zugleich. Dort entsteht in Nachbarschaft zum «Werk-Cluster», in dem vor allem Gewerbenutzungen Platz finden sollen, ein Wohnquartier, das eine «urban-industrielle» Qualität aufweist, die im «Luzernischen» selten anzutreffen ist. Der Raum ist geprägt von einer Abfolge von breiteren und engeren Gassen und Plätzen sowie Schwellenräumen vor den Hochparterre- und Atelierwohnungen. Die Ausgestaltung dieser Schwellenräume, den Übergängen zwischen Wohn- und angrenzendem Freiraum, ist durchdacht und vielfältig. Die Höhenentwicklung der mehrheitlich 5-7-geschossigen bis max. 10-geschossigen Gebäude wird als stimmig für die Umgebung erachtet. Ebenso die städtebauliche Struktur mit Punktbauten, sowie ihre Massstäblichkeit und Dimensionierung. Die vorgeschlagene Verteilung der Gebäude führt jedoch zu einer hohen Dichte im zentralen Bereich «im Industriequartier» und eher geringen Dichte im südlichen Bereich «am Stadtplatz». Für die Weiterbearbeitung gilt es zu prüfen, wie die insgesamt als angemessen beurteilte Dichte über das gesamte Areal hinweg besser austariert werden kann.

Die zwei Bereiche «am Stadtplatz» und «im Industriequartier» werden über eine «grüne Sichel», einen begrünten Bereich entlang der «Sonnenbergesplanade», mit dem nördlichen Bereich «am Sonnenberg» gekonnt verbunden und zusammengehalten. Hier befinden sich Wohnbauten mit Wohnnutzungen im EG und mit Gartenzugang. Dieser Bereich «am Sonneberg» ist weniger dicht als das Zentrum und versucht durch Unterbrüche in der Bebauung entlang des Eschenwegs das Areal in Richtung Norden zu öffnen und mit geringeren Geschossigkeiten auf das Umfeld zu reagieren. Der Übergang zur Meisterhaussiedlung vermag in seiner Geschlossenheit dennoch noch nicht vollständig zu überzeugen und soll in der Weiterbearbeitung überprüft werden.

Die Herleitung des Freiraumkonzeptes ist klar und gut nachvollziehbar. Der Erhalt der historischen Spuren ist geschickt in die Gesamtsituation integriert. Es entstehen vielfältige und abwechslungsreiche Freiräume. Die Auseinandersetzung mit den Schwellenräumen, den Übergängen zwischen Innenund Aussenraum ist durchdacht, vielfältig und in einigen Bereichen gekonnt umgesetzt. Die Schwellenräume sind wahlweise als Grünflächen mit je nach EG-Nutzung mehr oder weniger Bepflanzung oder als erhöhte Podeste als aneigenbare Aufenthaltsbereiche ausgestaltet. Das Projekt bietet keinen grossen, ausschliesslich dem Quartier zugeordneten Grünraum, sondern eine Vielfalt an Zwischenräumen und Plätzen mit unterschiedlichem Ausmass an Öffentlichkeit und unterschiedlicher architektonischer Prägung. Die Stimmung im Areal, die durch das relativ dichte Netz an Gassen und Wegen, sowie durch den starken Bezug zur industriellen Geschichte des Ortes geprägt ist, schafft Identität und verspricht eine hohe Aufenthaltsqualität. Weitere Freiräume finden sich als Dachgärten auf einzelnen Gebäuden. Die Vorschläge zur Belüftung des Areals, zur Regulierung des Mikroklimas und zur Wasserretention überzeugen. Das Freiraumkonzept ist insgesamt ein sehr attraktiver und konsequenter Vorschlag mit grossem Potential.

Bestehende Bauten wie die schützenswerte Turbinenversuchsanlage, die erhaltenswerte Halle 7, die Halle C, das erhaltenswerte Verwaltungsgebäude BG1 sowie die ehemalige Elektro-Werkstatt und die Halle C werden umgenutzt und bleiben damit als Bewahrer der historischen Identität des Areals bestehen. Noch nicht gelungen scheint die Einbettung der Turbinenversuchsanlage. Diese könnte besser freigespielt werden. Noch zu klären bleibt, ob der Erhalt des Verwaltungsgebäudes tatsächlich einen städtebaulichen Mehrwert bietet. Unangetastet bleibt das schützenswerte Meisterhaus im Norden erhalten. Der Erhalt der geschützten Weide im heutigen Turbinenpark ist mit dem vorgeschlagenen Konzept nicht gegeben. Der Umgang mit dem Baum ist in der weiteren Bearbeitung zu klären.

Das Team geht über die Präsentation eines gelungenen städtebaulichen Konzeptvorschlags hinaus und formuliert gleichfalls «Prinzipien» für eine «lernende Stadt». Neben prinzipiellen Vorschlägen, wie die Gestaltung und Aneignung der Freiräume und Schwellenbereiche vor den Erdgeschossen während und nach der Entwicklung bespielt und belebt werden können, zeigt das Konzept ein mögliches Vorgehen zur etappenweisen Realisierung und Transformation des Areals auf. So soll nach dem Start mit der Entwicklung der Kernstruktur, namentlich der Erstellung des «Stadtplatzes mit Wasserwerk», der Bestands-Halle C als gedeckter Freiraum, der Halle 7 als «WerkCluster» sowie der neuen «Sonnenbergesplanade», mit den weiteren Entwicklungsetappen auf die sich verändernden Bedürfnisse reagiert werden können. Der Gedanke der «lernenden Stadt» als These zur Stadtentwicklung ist interessant, muss aber auch in einem kontinuierlichen und kürzeren Entwicklungsprozess, allenfalls auch als gesamthafte Realisierung des Areals ohne Etappierung funktionieren.

Das Wohnangebot gestaltet sich äusserst vielfältig. Entlang der Obernauerstrasse im Bereich «am Stadtplatz» entstehen städtische Wohnungen, die dank den gut durchdachten Grundrissen eine adäquate und qualitätsvolle Antwort auf die hohen Lärmschutzanforderungen geben. Nur in wenigen Ausnahmen weisen Wohnungen Abweichungen von den Lärmschutzanforderungen auf und sind im Rahmen der Weiterbearbeitung zu überprüfen. Im Bereich «im Industriequartier» lässt es sich urban-industriell in abwechslungsreichen Wohnangeboten für kleine und grosse Haushalte, in Clusterund Atelierwohnungen, in sanierten Bestandsgebäuden, sowie in architektonisch hochwertigen Neubauten wohnen. Kritisch erscheint noch der hohe Anteil an einseitig oder lediglich nach Nord-Ost orientierten Wohnungen sowie die ungenügende Versorgung einiger Wohnungen mit Tageslicht aufgrund der hohen Dichte im Zentrum des Areals. Hier muss aufgezeigt werden, dass die natürliche Belichtung auch für die unteren Geschosse ausreichend ist und eine Wohnhygiene von hoher Qualität durchgehend gewährleistet werden kann. Insgesamt werden die Anforderungen an die Wohnräume zum grössten Teil eingehalten und die vorgeschlagenen Grundrisstypen zeigen gute Qualitäten auf. Jedoch überzeugt noch nicht jeder Wohnungstyp mit einer nutzerfreundlichen Anordnung von Räumen. Dem, sowie dem Aspekt des kostengünstigen Bauens soll in der weiteren Bearbeitung Rechnung getragen werden.

Mit dem städtebaulichen Konzeptvorschlag ist dem Team eine überzeugende Kombination aus städtebaulicher Einbettung ins Umfeld und in die Geschichte des Areals, der Schaffung einer starken Identität und einer grossen baulichen und freiräumlichen Vielfalt gelungen. Die städtebauliche Struktur zusammen mit dem durchdachten Freiraumkonzept bilden eine stabile Basis, auf der in der weiteren Bearbeitung aufgebaut werden kann. Das Beurteilungsgremium ist von den Qualitäten des vorgeschlagenen Konzeptes überzeugt und schlägt «Bell-époque» einstimmig zur Weiterbearbeitung vor.