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Selektiver, einstufiger Projektwettbewerb | 03/2021

Neubau Bibliothek St.Gallen

3. Rang / 3. Preis

Preisgeld: 70.000 CHF

Itten+Brechbühl AG

Architektur

Aires Mateus

Architektur

Appert Zwahlen Partner AG

Landschaftsarchitektur

INGENI

Tragwerksplanung

eicher+pauli

TGA-Fachplanung

Bartenbach GmbH - Bereich Lighting Design

Lichtplanung

Erläuterungstext

Sankt Gallen ist eine historisch geprägte Stadt, welche durch verschiedene Konditionen wie Urbanität und Menschlichkeit sich im Laufe der Jahrhunderte geformt hat. Der städtische Ballungsraum hat sich aus dem Wunsch nach Interaktion herausgebildet. Die Gebäudestrukturen bildeten Zugehörigkeiten und schufen Identität. Die Bündnisse bildeten einen Defensivgürtel. Entwickelte Zonen neben unbebauten Bereichen und potentiellen Entwicklungsgebieten. Das neue Bibliotheksgelände ist einer dieser Orte «jenseits der Grenze». Ein leerer Raum.

Der Akt des Entwerfens in der Stadt gibt die Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit ihrer Struktur. Die Herausforderung in der heutigen Zeit ist die Vereinfachung der Stadt. In einem Gebiet, in dem die Dichte geringer, dafür aber hochwertiger ist, ist die sorgfältige Auswahl der wichtigen Werte zentral. Anstatt Verdichtung und Kompaktheit wünschen sich die Menschen mehr Freiraum und Grün in der Stadt.

Die neue Bibliothek vereinfacht und befreit und bringt kein zusätzliches kakophonisches Element in das Stadtbild ein. Der Neubau stellt die ursprünglichen Eigenschaften des Raumes wieder her. Der Projektbeitrag vergrößert den Stadtraum, erweitert den Marktplatz. Es ist ein Bekenntnis, ein Manifest, welcher den Platz an die Menschen zurückgibt und eine Urbanität schafft, nach der sich alle sehnen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Äusserst prominent, gleichsam als Hauptakteur, thront im Projekt PLATZ die Längsseite des, seines Seitenflügels beraubten Union-Gebäudes, über dem Marktplatz. Der vom Baubestand schön gefasste, vergrösserte Platz ist Titel und Programm zugleich: Der gesamte Neubauteil verschwindet im Boden. Die gewonnene Fläche wird für die Inszenierung einer grandiosen Eingangsrampe verwendet, die in Kombination mit einem zwei Geschosse in die Tiefe greifenden, rundum verglasten Atrium Licht in die Publikums-
räume trägt. Die Geste überrascht in ihrer Grandezza, auch wenn die Tieflegung einer Eingangssituation unter einen Bestandesbau stets eine seltsame Spannung erzeugt. Die als Absturzsicherung dienenden langen Glasbrüstungen sind zudem der innerstädtischen Umgebung wenig angemessen.

Es mag auf den ersten Blick denkmalpflegerisch und städtebaulich verlockend sein, das gesamte Zusatzvolumen der Bibliothek unterirdisch anzuordnen. Dieses Verhalten ist indessen problematisch, da es Wirklichkeiten verdrängt, sie gleichsam versteckt, was nicht zur städtebaulichen Entwicklung der Stadt als Gesamtwerk beiträgt. Im Projekt wird versucht, die Existenz der neuen Bibliothek durch die im Gegengefälle zur schiefen Platzebene angelegte Zugangsrampe anzudeuten. Die schiefe Ebene erlaubt einen attraktiven Überblick über den Marktplatz, wirkt aber in ihrer Ausdehnung leer und rückt das "Union" in eine prominente Stellung, die dem schlichten Bau nicht zukommt. Ohne den Flügelbau kann es zudem die räumliche Fassung des Marktplatzes gegen Westen nicht übernehmen.

Das grossflächige unterirdische Bauvolumen bedingt umfangreiche archäologische Untersuchungen. Der Hauptbau des "Union" wird mit Funktionen der Bibliothek belegt, die teilweise hohe Bodenbelastungen mit sich bringen. Das Treppenhaus wird nur im Bereich des Erdgeschosses vollständig erhalten. Beidseits werden je zwei Erschliessungskerne angeordnet, die bloss einen unattraktiven Durchgang offen und zu den Fassaden hin schlecht nutzbare Räume übrig lassen, was vor allem im Erdgeschoss zu unterwünschten Blindzonen führt. Dieser Erschliessungskern wird bis in das fünfte Untergeschoss geführt. Damit wird ein Teil des "Union" unterhöhlt und in der Arkade entsteht ein grosser Anteil blinder Fassaden. Die Geschossdecken werden durch ein neues Fluchttreppenhaus, die Aufzugsschächte und eine Hilfstreppe im Gebäudekopf durchdrungen. Das Verhalten im Uniongebäude bringt grosse Eingriffe mit sich, die denkmalpflegerisch problematisch sind.

Unterschiedlich geglückt ist die neue Welt im Untergrund. Die Eingangssituation ist lichterfüllt und grosszügig. Die nach aktuellen Bibliothekskonzepten gut und flexibel möblierbaren Publikumsbereiche nutzen das ins Atrium einfallende Tageslicht optimal, auch wenn nicht alle Arbeitsorte befriedigend belichtet werden können und die Besucher im 2. UG sich wohl ziemlich eingegraben fühlen müssen. Unzulänglich ist vor allem die Vertikalerschliessung. Die Treppenanlage ist knapp und wenig einladend, die Lifte liegen versteckt an einem engen Korridor, und für den Bibliotheksbetrieb sowie das Café fehlen eigene interne Verbindungen. Davon abgesehen scheinen die Bibliotheksbereiche im umgebauten "Union" gut zu funktionieren.

Die Tragstruktur des Neubauteils ist konventionell in Beton, mit einem auffällig dichten Stützenraster mit Abständen von weniger als 6 Metern. Anspruchsvoll und teuer ist der neue Erschliessungskern unter dem "Union". Die Baugrubenerstellung im Grundwasserbereich ist ein Kraftakt, und der Irabach wird verlegt. Die Nachhaltigkeitsbeurteilung fällt unterdurchschnittlich aus. Konzeptuell gut gelöst ist die Fluchtwegthematik.

Für die Diskussion stellt das Projekt PLATZ einen wertvollen Beitrag dar: Wie präsentiert sich die öffentliche Institution Bibliothek in Zukunft? Ist die St.Galler Innenstadt bereits so "voll", dass ihre repräsentativsten kulturellen Funktionen in den Untergrund gehen müssen? Von den Erstellungskosten her liegt das Projekt knapp über dem Mittel.