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Award / Auszeichnung | 07/2021

Bayerischer Landschaftsarchitektur-Preis 2020

Gedenkorte im Mühldorfer Hart

DE-84478 Waldkraiburg

Gewinner des Bayerischen Landschaftsarchitektur-Preises 2020

LATZ+PARTNER LandschaftsArchitektur Stadtplanung

Landschaftsarchitektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Sakralbauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2018

Projektbeschreibung

Die ehemalige Bunkerbaustelle war das zweitgrößte Außenlager des KZ Dachau und forderte gegen Ende des II. Weltkrieges mehr als 5000 Menschenleben. Drei Gedenkorte, „Waldlager“, Massengrab“ und „Rüstungsbunker“ sollen stellvertretend für ein komplexes System aus Luft- und Schienenverkehr, Produktions- und Lagerstätten, Baubaracken, Häftlingslagern und Gräbern an Zwangsarbeit, Überleben und Tod der Häftlinge erinnern.

Von den Alliierten gesprengt und vom Wald zurückerobert, sind die Reste dieser Vergangenheit ohne zusätzliche Information unverständlich. Durch die Überlagerung des Vorhandenen mit einer neuen abstrakten Ebene wird an das Vergangene erinnert und Unerklärliches verständlich gemacht.
Folgerichtig sind die neuen Elemente keine Rekonstruktionen. Es sind Medien mit höchstem Anspruch an Ausprägung und Material. Sie verwenden bewusst die charakteristischen Materialien der Bunkerbaustelle: Beton und, eher reduziert für textliche Darstellungen, Stahl. Alle drei Gedenkorte erzählen dieselbe Geschichte auf unterschiedliche Weise. „Erinnerungssteine“ mit einer symbolischen Darstellung des Netzwerks Mühldorfer Hart stehen an historisch und räumlich relevanten Stellen. Die Begegnung wirkt zufällig und bewirkt doch eine zunehmende Sensibilisierung für die leidvolle Geschichte des Ortes und seiner Zusammenhänge.

Räumliche Interventionen wie Wege, Lichtungen und Schneisen helfen, die früheren Strukturen und Dimensionen zu erkennen. Jedem der drei Gedenkorte ist ein introvertierter „Informationsraum“ vorgeschaltet. Erst nach dieser Vorbereitung wird der Besucher auf die neue Ebene, den eigentlichen Gedenkort entlassen.

Die gebauten Wege sind Teil des Verständnisprozesses. Sie nehmen Rücksicht auf Vorhandenes, variieren in der Breite, passen sich an, erschließen verstreute Relikte, um Erinnern zu ermöglichen. Sie beginnen, noch mit weicher Oberfläche, an der Forststraße und führen nach der „Schleuse“ als leicht über dem Waldboden erhabene „Narrative Wege“ aus maßgefertigten Betonteilen zum Gedenkort. Seitlich montierte „Erinnerungsbänder“ aus Stahl erinnern mit Zitaten von Zeitzeugen.

DER „GEDENKORT WALDLAGER VI“ steht exemplarisch für mehrere Lager, in denen Häftlinge unter den unmenschlichsten Bedingungen leben mussten. Durch Entnahme von Bewuchs werden Hauptachsen und Grenzen wie auch die Erdhütten des Winterlagers sichtbar und vermitteln eine Ahnung von der Ausdehnung des Lagers. Der Weg beginnt auf Höhe des alten Lagertors, verläuft zunächst auf der früheren Wegeachse, dann zu den Erdhütten mit Latrine und nach Norden abknickend zum ehemaligen Appellplatz. Weiße Markierungen auf den Stämmen lassen den heute überwachsenen Appellplatz sichtbar werden.

DER „GEDENKORT MASSENGRAB“ umfasst zwei der wenigen noch ablesbaren Massengräber. Er liegt heute friedlich im Wald und steht doch für zahllose wahllos verscharrte Tote – eine Dimension, die kaum zu vermitteln ist. Eine Lichtung aus gekappten Bäumen entzaubert den Ort, konfrontiert den Besucher mit einem unerwarteten schockierenden Bild: Die 1,70 hohen Baumstümpfe stehen stellvertretend für die Opfer und den Wahnsinn eines verbrecherischen Systems.

DER „GEDENKORT RÜSTUNGSBUNKER“ ist noch nicht ausgeführt, er ist das markanteste Relikt im Mühldorfer Hart. Ein Stahlsteg soll nach Fertigstellung auch dieses Gedenkortes einen Überblick über die Dimensionen des Trümmerfeldes geben: ehemals zentraler Ort des geplanten Rüstungswerks und Anlass für Zwangsarbeit und Massensterben.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit den Gedenkorten im Mühldorfer Hart wird ein Projekt ausgezeichnet, das in seiner Wirkkraft weit über Bayern hinaus strahlt und die Landschaftsgestaltung zur bewussten Zeitzeugenschaft nutzt.

Nahe Waldkraiburg liegt ein 1100 Hektar großes Waldstück, in dem ab 1944 ein Außenlager für Tausende Zwangsarbeiter des Konzentrationslagers Dachau errichtet wurde. Dessen bauliche Reste verschwanden in der Nachkriegszeit aus der Erinnerung.
Nach vielen Jahren der Vorbereitung durch Historiker und engagierte Bürger galt es, diese Orte wieder sichtbar zu machen.

Diese Aufgabe haben Latz + Partner LandschaftsArchitektur Stadtplanung mit konsistenter Theorie- und Entwurfsarbeit großartig gelöst. Bereits sehr früh hat das Büro die Phänomene und Auswirkungen diverser, schädlicher Tendenzen auf die Gesellschaft erkannt und immer wieder landschaftsarchitektonische Lösungen für komplexe Konflikte geschaffen. Die bürointerne Definition “böser Orte“ verweist konkret und pointiert auf Verletzungen der Welt durch Industrialisierung, Fortschrittsglauben, der auf Ausbeutung basiert sowie andere negative Einwirkungen. Peter Latz meint dazu: „Wir können es uns gar nicht mehr leisten, die verwüsteten, belasteten, verschmutzten und hässlichen Orte nicht zu neuen Paradiesen oder zu neuer Wildnis zu machen. Das Modell einer Gegenwelt bleibt nicht theoretisch oder symbolisch, sondern wird praktischer Auftrag.“

Durch eine gründliche Erforschung der Gesamtsituation, eine klare Ordnung der räumlichen Strukturen und eine symbolkräftige Konzeption mit minimalem Materialeinsatz konnte ein außerordentlicher Ort der Gedenkkultur entstehen, an dem auch künftige Generationen aus der Geschichte lernen werden.

Die enorme Herausforderung in der Planung und der Entwurfsbearbeitung von Gedenkorten liegt ja jeweils darin, mit Würde den schrecklichen historischen Ereignissen zu begegnen und zugleich Aufklärung zu leisten und Wahrnehmung zu schärfen. Wir danken Latz + Partner für diese kraftvolle Erinnerungsarbeit!


Kategorie Bauen im Bestand / Denkmal

Zwischen Waldkraiburg und Mühldorf am Inn liegt ein stilles Waldstück. Hier im Mühldorfer Hart befanden sich im Zweiten Weltkrieg mehrere Außenstellen des Konzentrationslagers Dachau, deren komplexes System aus Produktions-und Lagerstätten, Baubaracken, Häftlingslagern und Massengräbern mit Luft- und Schienenverkehr an die Außenwelt angeknüpft war. Geplant war auch ein achtstöckiger Bunkerbau, der für die Produktion von Kampfflugzeugen dienen sollte. Dessen Trümmer verschwanden nach der Sprengung durch die Alliierten langsam im Wald.

Künftig werden drei Gedenkorte dieselbe Geschichte auf unterschiedliche Weise erzählen. Die Gedenkorte „Massengrab“ und „Waldlager“ sind bereits fertiggestellt, der „Rüstungsbunker“ wird weiterhin auf Kampfmittel untersucht, ehe dieser Bereich zugänglich gemacht werden kann.
„Narrative Wege“ führen durch die Gesamtanlage. Kniehohe Steinquader am Wegesrand geben Auskunft. In introvertierten Kuben vor den Gedenkorten selbst werden Zusammenhänge detailliert erläutert. Den Besucher*innen wird so nach und nach das Vergessene erfahrbar gemacht, sie werden auf die eigentlichen Gedenkorte vorbereitet.
Der „Gedenkort Waldlager VI“ zeigt beispielhaft sowohl die unmenschlichen Lebensbedingungen als auch die Ausdehnung des Lagers. Durch Entfernung des Bewuchses sind heute wieder die Erdhütten des Winterlagers erfahrbar. Die Ausdehnung des ehemaligen Appellplatzes wird durch weiße Markierungen an Baumstämmen ersichtlich. Der Gedenkort “Massengrab“ wird durch eine Lichtung aus gekappten Bäumen in seiner ganzen, schrecklichen Dimension begreifbar: 1,70 Meter hohe Baumstümpfe stehen hier wortlos wie bildgewaltig für die Opfer eines verbrecherischen Systems. Der Gedenkort „Rüstungsbunker“ soll mit einem Stahlsteg erschlossen werden, der künftig einen Überblick über das Trümmerfeld des gesprengten Bunkers bieten wird.
Jedem der drei Gedenkorte ist der gleiche introvertierte „Informationsraum“ vorgeschaltet, der mit Bildern und Texten über den gesamten Mühldorfer Hart und den Ort selbst informiert.

Jedem der drei Gedenkorte ist der gleiche introvertierte „Informationsraum“ vorgeschaltet, der mit Bildern und Texten über den gesamten Mühldorfer Hart und den Ort selbst informiert.

Erst nach dieser Vorbereitung entlässt die aus zwei u-förmigen Betonelementen bestehende „Schleuse“ den Besucher auf die neue Ebene, den eigentlichen Gedenkort.

Erst nach dieser Vorbereitung entlässt die aus zwei u-förmigen Betonelementen bestehende „Schleuse“ den Besucher auf die neue Ebene, den eigentlichen Gedenkort.

Besucher vor dem „Informationsraum“

Besucher vor dem „Informationsraum“

Leicht erhabene „Narrative Wege“ aus maßgefertigten Betonteilen sind Teil des Verständnisprozesses. Seitlich montierte „Erinnerungsbänder“ aus Stahl erinnern mit Zitaten von Zeitzeugen an historisch wichtige Punkte und Ereignisse.

Leicht erhabene „Narrative Wege“ aus maßgefertigten Betonteilen sind Teil des Verständnisprozesses. Seitlich montierte „Erinnerungsbänder“ aus Stahl erinnern mit Zitaten von Zeitzeugen an historisch wichtige Punkte und Ereignisse.

Der „Gedenkort Massengrab“ liegt heute friedlich im Wald und steht doch für zahllose wahllos verscharrte Tote - eine Dimension, die kaum zu vermitteln ist.

Der „Gedenkort Massengrab“ liegt heute friedlich im Wald und steht doch für zahllose wahllos verscharrte Tote - eine Dimension, die kaum zu vermitteln ist.

Eine Lichtung aus gekappten Bäumen entzaubert den Ort, konfrontiert den Besucher mit einem unerwarteten schockierenden Bild: Die 1,70 hohen Baumstümpfe stehen stellvertretend für die Opfer und den Wahnsinn eines verbrecherischen Systems.

Eine Lichtung aus gekappten Bäumen entzaubert den Ort, konfrontiert den Besucher mit einem unerwarteten schockierenden Bild: Die 1,70 hohen Baumstümpfe stehen stellvertretend für die Opfer und den Wahnsinn eines verbrecherischen Systems.

Der „Gedenkort Waldlager VI“ steht exemplarisch für mehrere Lager, in denen Häftlinge unter den unmenschlichsten Bedingungen leben mussten. Weiße Markierungen auf den Stämmen lassen den heute überwachsenen Appellplatz sichtbar werden.

Der „Gedenkort Waldlager VI“ steht exemplarisch für mehrere Lager, in denen Häftlinge unter den unmenschlichsten Bedingungen leben mussten. Weiße Markierungen auf den Stämmen lassen den heute überwachsenen Appellplatz sichtbar werden.

Alle drei Gedenkorte erzählen dieselbe Geschichte auf unterschiedliche Weise und sind Teil eines übergeordneten Netzes. „Erinnerungssteine“ mit einer symbolischen Darstellung des Netzwerks stehen an historisch und räumlich relevanten Stellen.

Alle drei Gedenkorte erzählen dieselbe Geschichte auf unterschiedliche Weise und sind Teil eines übergeordneten Netzes. „Erinnerungssteine“ mit einer symbolischen Darstellung des Netzwerks stehen an historisch und räumlich relevanten Stellen.

Der „Gedenkort Rüstungsbunker“ ist noch nicht ausgeführt. Ein Stahlsteg soll später Überblick über die Dimensionen des Trümmerfeldes geben: ehemals zentraler Ort des geplanten Rüstungswerks und Anlass für Zwangsarbeit und Massensterben.

Der „Gedenkort Rüstungsbunker“ ist noch nicht ausgeführt. Ein Stahlsteg soll später Überblick über die Dimensionen des Trümmerfeldes geben: ehemals zentraler Ort des geplanten Rüstungswerks und Anlass für Zwangsarbeit und Massensterben.