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Award / Auszeichnung | 07/2021

Bayerischer Landschaftsarchitektur-Preis 2020

Wohnanlage Hinterangerstraße

DE Ingolstadt

Gewinner in der Kategorie Pflanzenverwendung / Bauwerksbegrünung

grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb

Landschaftsarchitektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2017

Projektbeschreibung

Das Quartier liegt rund zwei Kilometer südlich der Innenstadt und bietet 100 Wohn- und mehrere Gewerbeeinheiten. Dabei fungieren die neuen Häuser als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Bauformen der Umgebung: Ein geschlossener Gebäuderiegel schützt das Viertel zur B13 vor Straßenlärm, nach Westen schließen sich kleinteilige, winkelförmige Baukörper an. Seiner Bedeutung entsprechend liegt der neue „Hinteranger“ wie ein Dorfplatz im Zentrum.

WEGE DURCH DEN FREIRAUM
Damit das unmittelbare Wohnumfeld autofrei bleibt, sind die Stellplätze für Besucher und die Müllstandorte dezentral am Rand des Quartiers angeordnet. Die Bewohner selbst parken ihre Autos in der neuen Tiefgarage. Zur Vermittlung zwischen den umliegenden Niveaus und zur Schaffung von gemeinschaftlicher Atmosphäre wurde das Geländeniveau der Baufelder angehoben. So schält sich ein inneres Gartenplateau aus den Straßenräumen mit ihren unterschiedlichen Anschlusshöhen heraus. Hier verbindet ein informelles, barrierefreies und von Pflanzenbändern begleitetes Wegesystem die Gebäude und erschließt den neuen „Hinteranger“.

BEGEGNUNG UND GEBORGENHEIT
Die sieben winkelförmigen Häuser prägen das Gartenplateau und lassen durch ihre unterschiedliche Höhenabstufung eine vielfältige Raumabfolge im Quartier entstehen. Der „Hinteranger“ wird als Gemeinschaftsfläche durch eine Silber-Linde betont und bietet als größter Platz Kinderspielgeräte und eine multifunktionale Aufenthaltsfläche, die bei Bedarf für Nachbarschaftsfeste oder zum Boulespiel genutzt werden kann. Jedem Winkelhaus ist ein halböffentlicher Vorplatz, ein Haushof, als Treffpunkt im Eingangsbereich zugeordnet.

DIE LANGE BANK
Verbindendes und für die Gemeinschaft stehendes Element des Angers ist die „Lange Bank“. Von jedem Gebäude aus kann man das lang gezogene und zum Treffen einladende Betonfertigteil sehen. Hier befindet man sich im positiven Sinne auf oder an der „Langen Bank“. Darunter befindet sich die natürliche Be- und Entlüftung der Tiefgarage.

AUFBLÜHENDE TREFFPUNKTE
Jeder der Haushöfe wird durch einen kleinkronigen Hausbaum mit Baumbank charakterisiert. Dabei wurden Arten wie die Kobushi-Magnolie oder der Rispige Blasenbaum eingesetzt, die im Hinblick auf den Klimawandel als zukunftsfähig gelten. Die Farben der Baumbänke und farbgleichen Stauden geben jedem Haushof ein eigenes Gesicht und sorgen innerhalb der Siedlung für Orientierung. Dabei greift das Pflanzkonzept auch die jeweilige Farbigkeit des Treppenhauses auf und verzahnt Innen- und Außenraum miteinander.

ALLES AUF ANFANG
Den von Ost nach West führenden Weg zum Hinteranger begleiten Mischpflanzungen aus Gehölzen, Stauden und Gräsern. Die Pflege dieser Flächen folgt dem Prinzip des regelmäßigen radikalen Rückschnitts, dem „Coppicing“. Hier bilden schnittverträgliche Gehölze wie Essigbaum, Hartriegel oder Tulpenbaum das Gerüst. Das nach dem Stutzen einsetzende erneute Wachstum der Gehölze macht diese Flächen interessant und ganzjährig attraktiv.

NATÜRLICHE DYNAMIK
Einen ganz anderen Charakter strahlen die nördlich und östlich davon gelegenen Pflanzenbänder aus. Hier säumen Blüten- und Fruchtgehölze wie Kornelkirsche, Zier-Apfel und Flieder die Wege. Die dazu angesäte Wildblumenmischung wirkt wie ein natürliches Wiesenband. Durch den hohen Anteil an Doldenblütlern ist es für Insekten besonders wertvoll. Die einmal jährliche Mahd ermöglicht das Aussamen der Pflanzen und lässt eine allmähliche, natürliche Veränderung der Artenzusammensetzung zu.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Aufgabe war schwierig und ist für aktuelle Planungen charakteristisch: Wie schafft man ausdrucksvolle Pflanzungen in schmalen, städtebaulichen Fugen?

In der eng verdichteten Wohnanlage Hinterangerstraße wurde die Herausforderung interessant gelöst: Fugenschluchtbänder aus Vegetation bilden ein wegebegleitendes Grundraster, in das sich Wohnhöfe mit Charakterbäumen einbinden lassen. Die Atmosphäre bietet eine ländliche Üppigkeit zwischen dekonstruierter Streuobstwiese und Staudenfarbigkeit.

Das Büro grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner ging hier experimentelle Wege und arbeitete bewusst auch mit Dynamik und Risiko. In Nord-Süd-Richtung wählte man die Sicherheit von doldenblütenreichen Wiesenbändern mit dörflichen Klassikern wie Kornelkirsche, Zierapfel und Flieder. In Ost-West-Richtung kreuzte man diese mit dem Wagnis einer Niederwaldbewirtschaftung. Beim jährlichen bodennahen Coppicing-Schnitt von Essigbaum, Hartriegel und Tulpenbaum samt Staudenunterpflanzung wechseln immer wieder die räumlichen Beziehungen und Sichtfelder. Blütenreiche Farbbänder und blattreiche Fugenfülle - das Wohnumfeld wird trotz räumlich beengter Verhältnisse durch die Pflanzung deutlich aufgewertet. Die dynamisch wechselnden Pflanzbilder die hier entstehen, begeistern Anwohner*innen und Gäste.

Für das innovative und mutige Pflanzkonzept in der Wohnanlage Hinterangerstraße in Ingolstadt vergibt der bdla Bayern vergibt die Auszeichnung in der Kategorie „Pflanzenverwendung / Bauwerksbegrünung“!