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Offener Wettbewerb | 05/2021

Neubau Sozialversicherungsgericht in Winterthur (CH)

4. Preis

Preisgeld: 35.000 CHF

Thomas K. Keller Architekten

Architektur

Dr. Deuring + Oehninger AG

Bauingenieurwesen

Kollektiv Nordost

Landschaftsarchitektur

Calorex AG

TGA-Fachplanung

Christian Meier

sonstige Fachplanung

Indievisual AG

Visualisierung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das neue Sozialversicherungsgericht wird als viergeschossiger Baukörper konzipiert, der sich mit seiner moderaten Höhe am Bestandsgebäude der Bezirksanlage und dem geplanten Erneuerungsbau orientiert und sich unaufgeregt und zurückhaltend in den Kontext einfügt. Durch die niedrige Kubatur entsteht allerdings ein relativ grosser Fussabdruck, der dem dreigeschossigen Erweiterungsbau nicht mehr allzu viel Spielraum einräumt, zumal eine Gebäudeecke direkt auf der Parzellengrenze zu liegen scheint, was den Spielraum noch weiter einengen wird. Im Grossen und Ganzen entsteht durch die zurückhaltenden Gebäudehöhen jedoch ein stimmiges Gesamtensemble mit angemessen dimensionierten Aussenräumen und einer selbstverständlichen Adressbildung. Die Unterscheidung in einen öffentlichen Bereich im Süden und einen die Gebäude umgebenden Grüngürtel könnte jedoch noch etwas konsequenter artikuliert werden. Der begrünte Saum wird an diversen Ecken zu stark reduziert und verliert dadurch seine umgreifende Wirkung. Auch der publikumsorientierte Bereich im Süden ist in seinem Wesen nicht eindeutig. Der durch die Anlieferung, Velos und IV-Parkplatz entstehende Verkehr schmälert seine Aufenthaltsqualität als Platz, als reine Wegverbindung ist er hingegen zu breit. Hinsichtlich des vorgeschlagenen Natursteinplattenbelags sucht man den Bezug zum Kontext des des bestehenden Campus. Das räumliche und atmosphärische Zentrum des Sozialversicherungsgerichts wird durch einen frei geformten, polygonalen Klimahof gebildet, der sich gemäss Verfasser – in einer vielleicht etwas forcierten Analogie – auf den historischen Innenraum des Bezirksgerichts bezieht. Mit seiner freien Form baut er bewusst ein räumliches Spannungsfeld zur rationalen Gebäudestruktur auf und bietet mit seiner üppigen Vegetation einen attraktiven visuellen Ankerpunkt im Haus. Besonders erfolgreich funktioniert dieses Raumerlebnis im Erdgeschoss im Bereich des Foyers der beiden Gerichtsäle. Hier erlebt man diesen Garten als vollständig freigespieltes Objekt, das in einen interessanten Dialog mit dem engen Stützenraster des hölzernen Tragwerks tritt. Diese Klarheit geht in den oberen Geschossen durch die innen liegende südliche Büroschicht leider verloren und das klare strukturelle Prinzip des Raumkonzepts wird ziemlich strapaziert, was sich auch auf die Attraktivität der innen liegende Raumbereiche wie etwa den eher introvertierten Aufenthaltsbereich auswirkt. Die funktionalen sowie sicherheitstechnischen Anforderungen mit den beiden gleichwertigen Eingangsbereichen aus dem vorgelagerten Aussenraum im Erdgeschoss sind gut gelöst, auch wenn der lange Sicherheitskorridor im Norden nicht als optimal betrachtet wird. Sympathisch ist hingegen der nicht unterkellerte Patio und der prominent an der Gebäudeecke platzierte, ebenerdige Veloraum. Diese beiden Detaillösungen stehen im Kleinen für die grösseren Ambitionen der Verfasser, ein auf allen Ebenen nachhaltiges und zukunftsfähiges Haus zu denken. Die intelligente Integration von Low-Tech-Ansätzen, wie der Klimahof und die natürliche Nachtauskühlung über die Treppenhäuser (Konflikt mit dem Brandschutz), der durchdachte Holzbau inklusive konsequenter Minimierung von Beton (graue Energie) bis zur Integration von Solarpaneelen in die Fassadengestaltung werden vom Beurteilungsgremium begrüsst, auch wenn die Gesamtbilanz durch den grossen Fussabdruck und die lange Fassadenabwicklung etwas getrübt wird. Gerade die Fragestellung, wie die Integration von Solartechnik den architektonischen Ausdruck prägen und verändern wird, weist weit über diese Wettbewerbsaufgabe hinaus und stellt eine grundsätzliche entwerferische Herausforderung dar. Wie unterscheidet sich die Erscheinung eines Gerichtsgebäudes etwa von der eines Forschungsoder Laborgebäudes und wie kann aus diesen energetisch sinnvollen technischen Elementen jeweils ein spezifischer und differenzierter architektonischer Ausdruck gewonnen werden? Bei aller Sympathie für den gewählten Ansatz vermisst man letztlich doch einen etwas expliziteren institutionellen Charakter für das Sozialversicherungsgericht im Kontext des zukünftigen «Justiz Campus».