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Kooperativer Realisierungswettbewerb | 01/2022

Tobias-Mayer-Quartier in Esslingen am Neckar

Perspektive Straße

Perspektive Straße

Anerkennung / 1. Phase

Preisgeld: 2.000 EUR

FRA Fischer Rüdenauer Architekten PartmbB

Architektur

Kist Waldmann & Partner

Architektur

rheinflügel severin

Stadtplanung / Städtebau

~ GRÜNE WELLE, lebendige Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Leitidee
Mit dem Tobias-Mayer-Quartier schlagen wir eine offene, grüne und zugleich urbane Struktur vor. Es entsteht eine auf den Ortsteil Hohenkreuz zugeschnittene Lösung, welche sich in die bestehende Umgebung einfügt und im Rahmen des Zielbildes der IBA einen Akzent zu setzen vermag. Die Verkopplung einer hohen baulichen Dichte mit qualitätsvollen Freiräumen versteht sich vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung, dessen Anspruch der Entwurf auf vielfältigen Ebenen umsetzt. So verschwindet die Palmstraße auf dem südlichen Abschnitt zugunsten eines räumlichen, identitätsstiftenden Kontinuums, in dem das Auto keine große Rolle spielt. Zwischen der Kantinestraße und Am Schönen Rain entwickelt sich räumlich abwechslungsreich ein Wegesystem, welches bei Bedarf mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden kann.

Identität und Einbindung
Das Quartier gewinnt seine Identität durch unverwechselbare Stadträume. Im Zentrum befindet sich eine platzartige Aufweitung in der Verlängerung der Pfaffenackerstraße, wodurch eine der wenigen Wegebeziehung aus dem Bestand aufgegriffen wird. Hier bietet ein Begegnungshain eine besondere Form der Quartiersmitte, welcher zu jeder Tageszeit - belebt oder unbelebt - über eine eigene Qualität verfügt. Der informelle Charakter verlangt nicht viel von den Menschen, die diesen Ort nutzen, aber er bietet ein großes Potential. Kleiner, übersichtlicher und multifunktional nutzbar sind dagegen die Generationenspielräume nördlich und südlich davon. Es handelt sich um kleine nachbarschaftliche, kommunikative Plätze mit unterschiedlichen Ausblicken. Im Süden bietet die Kirche einen wichtigen Orientierungspunkt. Darüber hinaus gewähren die offenen Höfe Einblicke in ihren halböffentlichen Raum. Nach Osten geht der Blick in die benachbarte Grünfläche mit dem beeindruckenden Baumbestand jenseits der Grundstücksgrenze. Beim nördlichen Platzraum kommt dem Bezug zum erhaltenen Teilstück der Palmstraße eine große Bedeutung zu, da hierüber die Blick- und Wegebeziehung zur Wäldenbronner Straße hergestellt wird. Im nördlichen Bereich haben die bestehenden Höfe einen geeigneten Maßstab, sodass die entfallenden Gebäude lediglich durch neue Gebäude mit einer größeren Tiefe und einer höheren Geschossigkeit ersetzt werden und die städtebauliche Struktur erhalten bleibt.

Typologien
Die Typologien des neuen Quartiers greifen den Bestand auf und schreiben ihn über eine leichte Transformation in der Höhenentwicklung fort. Es handelt sich um Winkel - wie die zu erhaltenden Gebäude an der Tobias-Mayer-Straße, Riegel - vergleichbar mit den Gebäuden östlich des Plangebiets und Punkthäuser - in Anlehnung an die Bebauung östlich und westlich des zu erhaltenden Abschnitts der Palmstraße. Die Winkel bilden oder ergänzen Wohnhöfe und prägen darüber eine eigene räumliche Qualität des Halböffentlichen mit Gemeinschaftsgärten. Eine differenzierte Geschossigkeit erleichtert die Erschließung und Nutzung von Dachgärten. Riegel und Punkthäuser verlangen ein geringeres städtebauliches Bekenntnis und bilden Übergänge nach Norden, Osten und Süden aus. Insgesamt entsteht eine große typologische Bandbreite, auch hinsichtlich der Höhen- und Grundrissentwicklung. Als besonderes Gebäude tritt das IBA-Experimentierfeld in Erscheinung.

IBA Experimentierfeld
Das IBA-Gebäude bildet in Zusammenhang mit dem großzügigen Freiraum das Zentrum des städtebaulichen Entwurfs. Der siebengeschossige Neubau mit einer geschichteten, konstruktiv filigran strukturierten Holzkonstruktion mit integrierter Fassadenbegrünung charakterisiert die IBA-Prinzipien. Das Fassadengerüst kann je nach Anforderung für Balkone, Loggien, Wintergärten, PV Elemente oder Begrünungsfelder genutzt werden. Eine flexible Grundkonstruktion mit zentralem Erschließungskern und ringförmig angeordneten Nass- und Funktionsräumen ermöglicht die gewünschten unterschiedlichen Wohntypologien. Das Erdgeschoss mit öffentlichen Nutzungen wie Co-Working, Café, Quartierstreffpunkt, Car-Sharing Point, Bikeshop etc. schafft die Nutzungsverflechtung zum städtebaulichen Umfeld. Das oberste Geschoss erhält einen Gemeinschaftsraum mit angeschlossener, nutzbarer Terrassenfläche als Treffpunkt und Aufenthaltsfläche sowie urban gardening.

Das Tragwerk des IBA Gebäudes ist als zeitgemäße Holzkonstruktion vorgesehen, bestehend aus Brettsperrholzdecken auf Brettschichtholzträgern und Brettschichtholzstützen. Die Außenwände sind in Teilen als Holzrahmenbauwände vorgesehen, die tragenden Innenwände werden als massive Brettsperrholzwände ausgeführt. Die erforderliche Feuerwiderstandsdauer der Holzdecken, Holzstützen und Holzwände wird durch die entsprechenden Abbrandquerschnitte oder durch Beplankung sichergestellt. Das EG, die Decke über EG mit angegliederten Begrünungströgen, das Treppenhaus und der Aufzugsschacht werden konventionell in Stahlbeton ausgeführt. Die Horizontalaussteifung erfolgt durch die Deckenscheiben, den Stahlbetonkern und weitere ausgewählte durchgehende Massivholz-Wandscheiben. Die Gründung ist mit einer elastisch gebetteten Stahlbetonbodenplatte oder mit Einzel- und Streifenfundamenten vorgesehen, in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Baugrunduntersuchung. Soweit möglich, zulässig und verfügbar, wird für die Stahlbetonarbeiten Recyclingbeton eingesetzt.

Nutzung + Wohnformen
Das Tobias-Mayer-Quartier ist überwiegend ein Wohnquartier. Gewerbliche und gemeinschaftliche Nutzungen werden in den Erdgeschossen der Neubauten Wäldenbronner Straße und Palmstraße, sowie beim IBA-Gebäude angeboten. Die neue Kindertageseinrichtung ist im 6. BA geplant, im Erdgeschoss bzw. Sockelgeschoss und 1.OG. Die Kita-Außenspielfläche entwickelt sich in Hanglage um das Gebäude herum.

Die geplanten Wohnungen sind darauf ausgelegt, über eine lange Lebensdauer den Bedürfnissen von verschiedenen Menschen - Singles, Familien und anderen Formen des Zusammenlebens - gerecht zu werden, und gleichzeitig müssen sie für die künftigen Bewohner finanzierbar sein. Im Tobias-Mayer-Quartier sind überwiegend kleine Miet- und Eigentumswohnungen geplant, mit Schwerpunkt auf Zweizimmerwohnungen. Die Wohnungsgrößen entsprechen weitestgehend dem Landeswohnraumfördergesetz. Alle Wohnungen, sowie das Untergeschoss und die Tiefgarage, sind über einen Aufzug stufenlos erreichbar. 

Zur Förderung nachbarschaftlicher Kontakte bieten wir überwiegend großzügig gestaltete Hauszugangs- und Treppenhausbereiche an. Innerhalb der unterschiedlichen Gebäudetypologien sind verschiedene Wohnungstypen und Erschließungslösungen geplant. Neben Vierspännertypen mit natürlich belichtetem Treppenhaus werden innerhalb der 13,50m tiefen Neubauten zugunsten erhöhter Wirtschaftlichkeit in den Winkelecken auch Mehrspännertypen mit bis zu sieben Wohnungen pro Geschoss über einen Aufzug erschlossen. Dies ist bei mehr als vier Wohnungen pro Geschoss möglich durch einen separaten notwendigen Flur mit Brandschutztür, die in der Regel geöffnet bleibt und nur im Brandfall schließt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Idee und Haltung des Projektes zielen darauf, eine Balance zwischen urbanen Strukturen und einem grünen Quartier herzustellen. Als Mittel wählt das Verfasserteam eine Abfolge von offenen Hofstrukturen, die – unterschiedlich proportioniert – eine spannende Raumfolge herstellen: gut geschnittene Hofinnenräume lagern sich an eine differenzierte Wegebeziehung von der Wäldenbronner Straße bis zur St. Bernhardt Kirche an. Dieses Spiel an verspringenden Raumkanten und variierenden Gebäudehöhen kann als offen oder locker empfunden werden oder aber eine gewisse Unschärfe der stadträumlichen Kontur erzeugen. Diesen geradezu spielerischen Umgang mit dem Raum überhöht die Manifestation eines gefassten Stadtraums für den IBA`27 Bau. Diese deutliche oder gar überdeutliche Inszenierung dürfte auf ein hohes Maß an Öffentlichkeit und öffentlicher Nutzung vom IBA-Gebäude angewiesen sein, um die städtebauliche Geste mit Leben erfüllen zu können.
Die Freiräume sind sehr differenziert und qualitätvoll gestaltet, wobei sich die Frage nach einer stärkeren Differenzierung zwischen öffentlichem und halböffentlichem Raum, also zwischen der Nord-Süd-Durchwegung und den Wohnhöfen stellt.
Die Baustruktur ist gut gewählt und greift auf funktional taugliche und bekannte Muster des Geschoßwohnungsbaus zurück. Eine größere Offenheit für alternative Wohnformen und daraus entstehende Gebäudetypologien wird vermisst.
Das Gebäude der IBA`27 ist als hoher Solitär geplant und bietet mit den anklingenden Themen eines flexiblen Skelettbaus mit unterschiedlichsten Nutzungsmöglichkeiten eine positive Perspektive zur Entwicklung des Projektes.
Das Mobilitätskonzept ist gut überlegt. Es gelingt, ein Gleichgewicht zwischen einem überwiegend autofreien Quartier und einer maßvollen Berücksichtigung des MIV darzustellen.
Die wirtschaftlichen Kennwerte liegen leicht unter dem Durchschnitt der eingereichten Arbeiten und wecken den erfüllbaren Wunsch, das Maß der baulichen Verdichtung und das Wohnraumangebot anzuheben. Die planungsrechtliche Umsetzbarkeit des Entwurfs wäre auch im Hinblick auf eine maßvolle Nachverdichtung gegeben.
Insgesamt gefällt der Entwurf durch die unprätentiöse Balance zwischen urbaner Bebauung und einem grünen Quartier. Dieser sympathische Charakter ist möglicherweise auch ein Hindernis um die notwendige Prägnanz eines neuen Quartiers im Rahmen der IBA`27 zu erreichen.
Perspektive Straße

Perspektive Straße

Lageplan

Lageplan

Lageplan

Lageplan

Perspektive Platz

Perspektive Platz

Perspektive Platz

Perspektive Platz

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto