modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Centre of Physics in Graz (AT)

3. Preis

Behnisch Architekten

Architektur

LEICHT Structural engineering and specialist consulting GmbH

Bauphysik, Tragwerksplanung

PEG Planungsbüro für Energie- und Gebäudetechnik GmbH

TGA-Fachplanung

W-Plan Ingenieurbüro

TGA-Fachplanung

moka-studio GbR

Visualisierung

Erläuterungstext

Aufgabe
Die Bundesimmobiliengesellschaft plant die Neuerrichtung des Graz Center of Physics, ein Gebäude für die gemeinsame universitäre Nutzung der KFU und TUG in Graz. Der Neubau für Lehre und Forschung soll eine Vorbildfunktion für die Zukunft der österreichischen Wissenschaftslandschaft übernehmen und international Beachtung finden. Die Kommunikation zwischen Studenten, Wissenschaftlern und Professoren soll gefördert werden, Wissen durch Forschung generiert und an die Studierenden in qualitativ hochwertiger Lehre vermittelt werden und gleichzeitig aber konzentriertes Arbeiten ermöglicht werden. Sowohl in seiner äußeren Erscheinung wie in der Organisation und Gestaltung soll ein wegweisendes und imagebildendes Gebäude entstehen, welches sich in den bestehenden Campus städtebaulich integriert und diesen weiterentwickelt. Zudem soll eine zukunftsweisende Antwort auf das selbstverständliche Ziel nachhaltigen Bauens gegeben werden. Im vorliegenden Entwurf werden diese Zielvorstellungen auf besondere Art und Weise zur Geltung gebracht.


Konzept
Der vom Bauherr formulierte Gedanke, einen „kreativen Lebensraum“ zu schaffen, der öffentlich zugänglich, inspirierend und identitätsstiftend ist und Kommunikation zwischen allen Universitätsangehörigen fördert, ist einnehmend und weist in eine bestimmte Richtung. So umschließen die verschiedenen Funktionsbereiche im Gebäude einen Wetter geschützten Marktplatz mit viel Licht, Grün und Wasser, der im schönen Schein das öffentliche Treiben auf dem Campus darstellt.

Die kommunikativen Bereiche der verschiedenen Funktionsbereiche sind zum Marktplatz orientiert, so dass die Nutzer ihn betrachten können, über Balkone, Treppen, Tribünen und Stege aber auch betreten können und ein Austausch zwischen den Disziplinen möglich ist. Den freier ausgeformten Bewegungs- und Aufenthaltsflächen im Innenhof, stehen die straff organisierten Hörsäle Seminarräume, Büro- und Laborbereiche gegenüber. Sie bilden den stadträumlichen Rahmen nach außen und definieren einen frei geformten solitären Baukörper, der zu den angrenzenden Straßenräumen unterschiedlich dynamisch und skulptural in Erscheinung tritt.

Kein abgeschlossenes Haus, vielmehr ein erweiterter, öffentlicher Campusraum könnte so entstehen, der das wissenschaftliche Treiben innerhalb und außerhalb des Gebäudes wiederspiegelt, transparent und offen für die Besucher und Nutzer des Gebäudes. Das Haus ist hier Schnittstelle, es ist offen für die Umgebung, offen für neue Einfälle und natürlich: offen für Menschen. Dieser Gedanke ist das Leitbild für die Entwicklung des neuen Center of Physics in Graz.


Städtebau und Erschließung
Das Planungsgebiet liegt am Standort der ehemaligen Vorklinik, in unmittelbarer Nähe zum historischen Hauptgebäude der Karl-Franzens-Universität und am Übergang zu gründerzeitlichen Blockrandstrukturen. Der Neubau reagiert auf diese Umgebung. Die vorgegebenen Straßenmindestquerschnitte der angrenzenden drei Straßenräumen, sowie die vorgegebenen Bebauungsgrenzen und Höhen werden eingehalten. Während der Baukörper an der Attemsgasse und an der Goethestrasse die vorhandenen städtebaulichen Raumkanten aufnimmt und eine Art Rücken bildet, werden die Raumkanten in der Harrachgasse und am Brunnen-/ Universitätsplatz freier geformt und attraktive Übergangsbereiche zwischen Gebäude und Campus geschaffen.
Der schönen alten Platane in der Harrachgasse Raum gebend, drückt sich der Baukörper nach innen und bildet so einen einladenden Vorplatz. Gleiches geschieht zwischen Brunnenplatz und Universitätsplatz. Im Erdgeschoss und in den Obergeschossen wird eine klare Raumkante definiert, welche die Fuß- und Radwegeverbindung zwischen Campusgelände und Heinrichstrasse am Brunnenplatz stärkt und einen fließenden Übergang zwischen beiden Plätzen schafft. Unter der zeichenhaften, in den Universitätsplatz hineinkragende Ausbuchtung des Baukörpers im ersten und zweiten Obergeschoss wird ein geschützter Raum geschaffen, der zum Verweilen einlädt. Hier trifft man sich, sieht man und wird gesehen.

Der Marktplatz im Zentrum der neuen Anlage kann von verschiedenen Seiten aus betreten werden. Über den Hauptzugang am Universitätsplatz und über die Seiteneingänge aus der Harrachgasse und direkt von der Bushaltestelle in der Goethestrasse aus. In den angrenzenden Straßen wird eine grüne Vorgartenzone mit solitären Einzelbäumen und Pflanzinseln mit Sitzgelegenheiten geschaffen. Dezentral verteilt werden an allen Eingängen, gut erreichbar, leicht auffindbar und großteils überdacht, Radabstellplätze vorgeschlagen. 110 Radständer für die Mitarbeiter innen finden, erdgeschossig an der Attemsgasse angeordnet, in eigenen Gitterboxen, ihren Platz.

Die Zu- und Abfahrt zur Tiefgarage erfolgt über die Halbärthgasse, mittels einer offenen, nicht überdachten Rampe. Die 100 Stellplätze für die Nutzung durch die Universität und weitere 100 Stellplätze für Anrainer ist hier sichergestellt.


Nutzung
Die Haupterschließung im Gebäude zu den verschiedenen Funktionseinheiten erfolgt vom Marktplatz aus über zentral gelegene Treppenaufgänge und Aufzugsanlagen und über die vier Hauptkerne mit ihren Aufzügen, die auch als Fluchtstiegen dienen. Um den begrünten Innenhof im Eingangsgeschoß gruppieren sich die Funktionsbereiche für die Universitätsangehörigen. Ein öffentlicher Raum, der das wissenschaftliche Leben nach innen und nach außen trägt, das pulsierende Herz des Neubaus.

Die Nutzungen im Gebäude gliedern sich in öffentliche, halböffentliche und geschlossene Funktionsbereiche. Je weiter man sich vom Marktplatz im Erdgeschoss entfernt, je geringer die Besucherfrequenz ist, umso privater werden diese. Alle öffentlichen Funktionen und die Anlieferung befinden sich im Erdgeschoss am Marktplatz. Hörsäle, Seminar- und Konferenzräume, Praktikumslabore, Gruppenstudienräume und Lernflächen sind an zentraler Stelle von 1. Untergeschoss bis zum 2 Obergeschoss angeordnet und sind somit auf kurzem Wege zu erreichen.

Die eher privateren geschlossenen Instituts- und Bürobereiche sind in den Geschossen darüber ringförmig um den großen Luftraum situiert. Besprechungs- und Aufenthaltsräume der einzelnen Funktionseinheiten sind zum Innenhof orientiert. Die Flur- und Erschließungsflächen sind als Kommunikationsflächen ausformuliert und öffnen sich über Balkone zum Innenhof.

Sämtliche Aufenthaltsräume, die Tageslicht benötigen sind sowohl nach Innen zum lichtdurchflutetem Innenhof als auch entlang den äußeren Fassadenfluchten positioniert. Tiefe Raumeinheiten erhalten zusätzliches Tageslicht über Oberlichter in den gestaffelten Dächern. In weniger gut belichteten Mittelzonen der Funktionseinheiten werden Nebenräume und Technikräume angeordnet.

Hochinstallierte Funktionsbereiche sind entlang der Goethestrasse, mittelinstallierte Funktionsbereiche entlang der Attemsgasse organisiert. Die großen Haustechnikräume liegen im Untergeschoss und auf dem Dachgeschoss, verbunden über vertikale Schachtstränge). Ein besonderer Gebäudetypus entsteht, der differenzierte Stimmungen und Raumerlebnisse zulässt, mit funktional klar gegliederten Bereichen und leichter Orientierbarkeit. In seiner Funktion, in seiner äußeren Erscheinung und in seinem ästhetischen und ökologischen Wert maßgeschneidert.

Konstruktion und Material
Das statische Konzept folgt dem Entwurfskonzept. Aufgrund der Grundwassersituation und des labortechnischen Standards (Schwingungsfreiheit) ist ein Massivbau erforderlich. Daher wird die Tragstruktur des achtgeschossigen Neubaus von einem Stahlbetonskelettbau gebildet. Aufgrund der nur bedingt geeigneten Untergrundes und der hohen anzunehmenden Lasten wird eine Pfahlgründung empfohlen. Die Aussteifung gegen Horizontallasten erfolgt mittels Kernwänden, vertikale Lasten werden über schlanke Stahlbetonstützen in die Decken und von dort in den Baugrund abgetragen. Ein wichtiger Aspekt für das zu entwickelnde Gebäudekonzept ist die Möglichkeit die Räume und deren Nutzung auch in Zukunft flexibel und kostengünstig an sich verändernde Erfordernisse der Wissenschaft anpassen zu können. Durch den Einsatz von schlaff bewehrten Flachdecken und durch weitgehenden Verzicht auf statische Wände in den Regelgeschossen, wird bei minimaler Bauhöhe eine größtmögliche Flexibilität hinsichtlich technischem Ausbau und Raumaufteilung der Arbeitsflächen zugelassen. Eventuelle Geschossauskragungen werden durch Anordnung von Überzügen in der Decke bewerkstelligt.

Die Materialien im Inneren an Decke Wand und Boden sind hell, warm und freundlich. Die Innenbegrünung des Marktplatzes sorgt für ein angenehmes Mikroklima. Nachts leuchtet diese wohlige Wärme, wie durch ein großes Schaufenster, nach außen auf den Universitätsplatz.

Die vorgeschlagene Bauweise und funktional detaillierte Einbauten aus Holzwerkstoffen, der Aufgabe angemessen, ökologisch und nachhaltig, bieten einen angemessenen Kontrast. Strapazierfähige Estrichbeschichtungen auf den Verkehrsflächen und Linoleum- bzw. Teppichböden der Unterrichts-, Labor und Büroräume, sollen zur Ausführung kommen.


Fassade
Das äußere Erscheinungsbild sollte im Erdgeschoss transparent und offen, in den Obergeschossen zwar gestaffelt und differenziert, jedoch homogen und körperhaft sein. Dem Wunsch des Auslobers nach einem unkomplexen starren Verschattungslösung folgend, werden diagonal vorgehängte Holzlamellen aus Plattenwerkstoffen, verstärkt mit Stahlprofilen, dem Gebäude seinen einzigartigen Charakter verleihen. Sie dienen als feststehender Sonnenschutz mit unterschiedlichen Tiefen, Neigungs- und Perforationsgraden, je nach Orientierung der Fassade. Im Süden horizontaler gegliedert, wechselt die Struktur im Osten und Westen in eine vertikale Struktur, die sich im Norden mit größerem Abstand zeigt. Gleichzeitig wird warmes Tageslicht in den Innenraum reflektiert und bis tief in den Raum gelenkt. Der Öffnungsanteil in der dahinterliegenden eigentlichen Dämmebene, der elementierten Metallfassade, kann somit auf eine, je nach Nutzung Labor/Büro/Hörsaal erforderliche Größe reduziert werden.

Der Baukörper scheint durch die Transparenz im Erdgeschoss zu schweben und ein Wechselspiel entsteht, zwischen tiefer liegenden und weniger tiefen, zwischen dichteren und weniger dichten Bauteilen. Auch das Fassadenbild der Hoffassade generiert sich von innen heraus aus den Notwendigkeiten der flexibel gestalteten Funktionsbereiche. Hier wird eine leichte und nachhaltige Holz/Glaskonstruktionen mit opaken Dämmelementen aus Mineralwolle vorgeschlagen.

Die Gebäudehülle erreicht durch optimierte Dämmstärken und dreifach Isoliergläser an den Fassaden optimalen Wärmeschutz. Über eine selektive Beschichtung der Gläser wird ein sehr guter Tageslichteintrag erreicht, der Gesamtenergieeintrag durch Verglasung und Sonnenschutz g-total liegt unter 0.15, so dass solare Wärmelasten im Sommer effizient minimiert werden.

Eine angenehme, ruhige und geborgene Stimmung wird sich einstellen durch vielfältige räumliche Situationen, durch natürliches Licht und durch schöne Ausblicke auf den Marktplatz und den Campus. Der Neubau de Graz Center of Physics sollte differenziert und individuell sein. Er sollte sowohl im architektonisch Formalen, Räumlichen aber auch im technisch Konstruktiven und Ökologischen zukunftweisend sein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Projekt 5 Platz 3 Das Projekt wird hinsichtlich seiner baukünstlerischen Qualität und die sensible Reaktion hinsichtlich der Baumassenverteilung auf den umgebenden Gebäudebestand, insbesondere auf das Hauptgebäude der Universität sehr positiv bewertet. Für die Jury weist der Entwurf allerdings einige Schwächen auf, insbesondere im Bereich der Höraalbereiche. Die in der Höhe gestaffelt angeordneten Hörsäle werden von der Jury kritisch gesehen, da sie hinsichtlich der Einsehbarkeit der Leinwände nur eingeschränkt funktionieren. Besonders gewürdigt wird das geschossweise leicht verdrehte Zurückweichen des Baukörpers gegenüber des schutzwürdigen Gebäudebestands in der Harrachgasse. Die Geste der Auskragung des 1. und 2. OG hinweisend auf das Hauptgebäude der KFU wird von der Jury gewürdigt, ebenso das respektvolle Zurückweichen der oberen Geschosse.
Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Grundriss E2

Grundriss E2

Längsschnitt

Längsschnitt

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Pikto

Pikto