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Offener Wettbewerb | 03/2022

Neugestaltung Spitzgarten auf der Klosterinsel Rheinau (CH)

Projekt «pomaretum» | blick entlang mittelachse zur kapelle

Projekt «pomaretum» | blick entlang mittelachse zur kapelle

2. Rang / 2. Preis

Preisgeld: 20.000 CHF

raderschallpartner ag landschaftsarchitekten bsla sia

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

Konzept

Die Insel im Rhein ist auch heute noch - oder wieder - klar als benediktinische Klosteranlage lesbar.

Die nun neu vorgeschlagenen FreirĂ€ume unterstützen diese Lesbarkeit und klĂ€ren die

unterschiedlichen Bereiche. Der Spitzgarten ist Teil der klösterlichen FreirÀume, das Nordufer

hingegen als spĂ€ter durch Aufschüttung hinzugewonnenes Land liegt ausserhalb der Klosteranlage.

Eine neue Mauer, die nördlich der Klosterkirche bis zur ehemaligen Bibliothek geführt wird

verdeutlicht diese Unterscheidung.


Der Spitzgarten

Ursprünglich ein Ort der Ruhe, der Kontemplation und des Rückzugs war der Spitzgarten

(Konventgarten im Spitz) ein Pendant zum inneren Konventgarten und nur über das KonventgebĂ€ude

zu erreichen. Um dies wieder klarer lesbar zu machen werden die ZugÀnge neu geordnet und mit

einfachen Holztoren geschlossen. Die Umfassungsmauern werden auf der Aussenseite von Bewuchs

freigehalten, im Garteninneren können Kletterpflanzen oder Spalierobst an der Mauer gezogen

werden.

Im Inneren führen KiesflĂ€chen und Plattenwege zu den GebĂ€uden und umrahmen den neu

interpretierten Baumgarten, der entlang der Achse KonventgebÀude - Kapelle angelegt wird. Da die

Wegbeziehung zur Kapelle nicht mehr die gleiche Wichtigkeit hat wie zu Zeiten des Klosterlebens wird

die Achse nicht mehr baulich materialisiert, sie ist jedoch nach wie vor begehbar und rÀumlich

erlebbar. HochstammobstbĂ€ume im klassischen Verbund überstellen die FlĂ€che und prĂ€gen den

Raum.

Bei der Mahd ausgesparte Wiesenfelder geben dem Ort eine rÀumliche Raffinesse und

atmosphĂ€rische Dichte. Die blütenreiche Wiese wird gezielt mit eingestreuten Stauden und GrĂ€sern

wie zum Beispiel PrÀrielilien, Glockenblumen, Witwenblumen, Federgras angereichert. Deren Dichte

nimmt gegen Osten ab, das Bild wird zur Kapelle hin schlichter. Dazwischen bietet ein Netz von

Rasenwegen und -flĂ€chen wieder Rückzugs- und Ruheorte, Wege der Kontemplation und des

Studiums der Natur. PrÀgende BestandsbÀume werden integriert, aber nach ihrem Abgang nicht

mehr ersetzt.

Verborgen zwischen den Wiesenfeldern liegt ein stilles Wasserbecken. Bodenbündig in den Rasen

eingeschnitten spiegelt sich darin der Himmel und erweitert die Achse zwischen KonventgebÀude und

Magdalenenkapelle in die Vertikale.

Der zweite Rundturm an der Nordmauer, heute angedeutet durch die halbrunde Ausweitung der

Mauer, wird als einfache Pavillonkonstruktion wieder rÀumlich erlebbar. Die auf alten Darstellungen

erkennbaren Maueröffungen bei den Rundtürmen werden wieder aufgenommen. Sie bieten eine

willkommene Möglichkeit, Rundwege und die heute sinnvolle Verbindung zwischen Binnenwelt und

Flusslandschaft anzubieten. Schmale Kieswege unterstützen die diagonalen Querungen durch den

Baumgarten.

Vor den GebÀuden bilden PlattenflÀchen die HausvorplÀtze. Die Terrasse vor dem KonventgebÀude

wird ausserdem besser auf die Fassade ausgerichtet und auf der ganzen LĂ€nge als Terrasse

ausgebildet. Treppenstufen und Rampen ermöglichen den Zugang in den Garten für Alle. Die mittige

Treppenanlage wird auf die ganze Breite des Mittelbaus ausgedehnt und mit breiten Podeststufen

ausgebildet, eine Einladung an die Musizierenden, diese kleine Bühne für Proben oder Aufführungen

zu nutzen.


Das Nordufer

Ausserhalb der Klostermauern floss ursprünglich der Rhein. Das spĂ€ter durch Aufschüttungen

hinzugewonnene Land soll nun als landschaftlich geprÀgter Naturraum die klösterlichen FreirÀume

ergÀnzen und kontrastieren. Im westlichen Abschnitt klÀrt die neue Mauer die Grenze zwischen

diesen beiden Themen. Sie fasst und begleitet den Zugang zur ‚Musikinsel‘, so dass dieser wieder Teil

der Klosterwelt wird und an Bedeutung gewinnt.

Dem Fluss entlang führt ein breites Wegband an den grossen BestandsbĂ€umen vorbei zum Inselspitz.

Der westliche Teil mit den grossen alten BĂ€umen und der Ufermauer hat eher Parkcharakter. Die

BÀume werden gezielt zu spannungsvollen Gruppen ergÀnzt, niedere Gehölzgruppen begleiten das

Ufer.

Im östlichen Abschnitt teilt sich der Weg und führt als Kiesweg ebenfalls zum Ufer. Einzelne Birken

werden erhalten und mit anderen Ufergehölzen ergÀnzt, dazwischen kann das Ufer abgeflacht und

renaturiert werden. Holzbalken laden zum Verweilen und Beobachten ein. Der Weg wird immer

schmaler, führt aber bis zum Spitz und um ihn herum entlang der Mauer bis zur grossen

mehrstÀmmigen Kastanie. Durch die neue kleine Holzpforte neben dem Rundturm ist der Weg zum

Rundgang erweitert worden.

Die WiesenflĂ€chen werden mit blaublühenden Zwiebelpflanzen (Blaustern, Traubenhyazinthe,

Hasenglöckchen...) und Wildstauden (Wiesensalbei, Glockenblumen, Günsel...) durchsetzt, so dass vor

den Klostermauern der ehemalige Wasserverlauf als Illusion wieder sichtbar wird.

Das Wegband wird ergĂ€nzt von KiesrasenflĂ€chen, die für Anlieferung und NotfĂ€lle befahrbar sind.

Ruhender Verkehr gehört eigentlich gar nicht mehr auf die Klosterinsel. Da jedoch zu wenige

Informationen für einen stichhaltigen Vorschlag zur Verlagerung der ParkplĂ€tze auf das Festland

vorhanden sind (z.B. EigentumsverhĂ€ltnisse) wird aufgezeigt, wo als Übergangslösung eine Anzahl

BetriebsparkplÀtze angeordnet werden können. Die neue Terrainmodellierung dank der Mauer und

die Gehölzgruppen helfen, dass die Fernwirkung möglichst wenig beeintrÀchtigt wird.

Pflege und Unterhalt

Da sich mit der Stiftung Fintan ein landwirtschaftlicher Betrieb für die Pflege und den Unterhalt eines

klassischen Baumgartens in unmittelbarer NĂ€he befindet werden im Spitzgarten

HochstammobstbĂ€ume in Zusammenarbeit mit Pro Specie Rara gepflanzt. Dank der ‚Hauswirtschaft

an Mittelschulen‘, dem ‚Klostergarten‘, der ‚Musikinsel Rheinau‘ und den HoflĂ€den sind auch für die

Verwertung des Obstes genug Möglichkeiten und kompetente Partner vor Ort.

Ausser dem im Spitzgarten regelmÀssig geschnittenen Rasenwegesystem werden alle FreiflÀchen

extensiv gepflegt und sind unterhaltsarm.

BiodiversitÀt

Die gesamte Neugestaltung der FreirÀume strebt nach der optimalen Balance zwischen den

Ansprüchen der Menschen auf der Insel und den Möglichkeiten, attraktive LebensrĂ€ume für Flora und

Fauna zu schaffen. Mit dem Einbezug der grossen wertvollen AltbÀume, der ErgÀnzung mit neuen

einheimischen SolitÀrbÀumen und Flussufergehölzen, den vielen neuen HochstammobstbÀumen und

den extensiven blütenreichen WiesenflĂ€chen und KiesrasenflĂ€chen sind die Voraussetzungen für eine

maximale Aufwertung im Hinblick auf die BiodiversitĂ€t erfüllt. Gleichzeitig bietet gerade dieses

Mosaik auch den Menschen abwechslungsreiche und atmosphÀrisch starke Aufenthalts- und

ErlebnsirÀume.


Licht

Die wichtigen Verbindungswege und GebÀudevorbereiche werden dezent, aber ausreichend

ausgeleuchtet, die Garten- und UferrÀume jedoch im Dunkeln belassen. So können die

Lichtimmissionen auf die Naturstandorte im Garten und am Wasser minimiert werden und die Ruhe,

die diese Orte ausstrahlen, wird auch in den Abendstunden unterstützt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Projektverfasser lesen den ummauerten Spitzgarten als «hortus conclusus», der sich klar vom landschaftlichen Uferbereich ausserhalb der Klosteranlage abgrenzt. Nördlich der Klosterkirche wird neu eine StĂŒtzmauer eingefĂŒgt, die diese Trennung nochmals verdeutlicht.

 

Ein graubeiger asphaltierter Parkweg fĂŒhrt als Auftakt in den parkartigen Uferbereich, der mit solitĂ€ren BestandsbĂ€umen bestĂŒckt ist, die mit Neupflanzungen von Winterlinden und Traubeneichen ergĂ€nzt werden. Einseitig wegbegleitend wird ein Kiesrasen ausgelegt, der das Parkieren von 19 betriebseigenen Autos erlaubt. Ein Treppenaufgang fĂŒhrt von den StellplĂ€tzen direkt zur Klosteranlage. Der Parkweg mĂ€andriert sanft geschwungen weiter, verjĂŒngt sich und endet schliesslich etwas unvermittelt und abrupt beim bestehenden Mauerweg. Hier trifft sich der chaussierte Uferweg, der um die Kapelle St. Magdalena bis zur grossen mehrstĂ€mmigen Kastanie beim sĂŒdlichen Rundturm fĂŒhrt. Dort öffnet sich ein schmales Holztor zum Spitzgarten. Bestehende Birken und Hainbuchen werden mit verschiedenartigen Ufergehölzen ergĂ€nzt und prĂ€gen zusammen den landschaftlichen Uferraum. Das zum Teil abgeflachte Ufer wird renaturiert. Lose eingestreute Holzbohlen entlang des nördlichen Ufers bieten beschauliche Sitzmöglichkeiten. Mit einer Vielfalt von blaublĂŒhenden Zwiebelpflanzen und Wildstauden soll die extensiv genutzte Blumenwiese in optischer Anlehnung an das Rheinwasser angereichert werden.

 

Eher beilĂ€ufig und untergeordnet fĂŒhren Maueröffnungen in den ummauerten Spitzgarten. Die Umfassungsmauer wird im Garten mit Kletterpflanzen und Spalierobst bepflanzt. An der Stelle der halbrunden Ausweitung an der Nordmauer wird ein filigraner Pavillon als Neuinterpretation des ursprĂŒnglichen Rundturmes platziert. Ein chaussierter Randweg zusammen mit einem Wegband aus Dolomit-Platten umrandet eine grosszĂŒgige WiesenflĂ€che. SitzbĂ€nke den Mauern entlang laden zum Verweilen ein. Vor dem KonventgebĂ€ude wird ein Plattenbelag als Terrasse und vor dem Haus der Stille als Teppich verlegt. Dies zeichnet die Eingangssituation zu den drei GebĂ€uden auf elegante Art und Weise aus, obschon der Platz vor der Kapelle etwas mehr Raum vertragen könnte.

 

Die Wiese wird mit verschiedenen Pro-Specie-Rara-ObsthochstammbĂ€umen in regelmĂ€ssigem Abstand ausgepflanzt. Dies wird sehr geschĂ€tzt. Der Mammutbaum bleibt bis zu seinem Abgang bestehen. Durch die geschickte Baumsetzung im Verbund bleibt die Blickachse zwischen KonventgebĂ€ude und Kapelle erhalten und wird mit der Setzung eines stillen Wasserbeckens als SpiegelflĂ€che im Blickfeld verstĂ€rkt. Chaussierte Wegverbindungen durchqueren in regelmĂ€ssigem Abstand das Wiesland. Dabei sind die AnknĂŒpfungspunkte nicht immer schlĂŒssig. Ausgesparte Wiesenfelder werden mit Stauden und GrĂ€sern wie z. B. PrĂ€rielilien, Glockenblumen und Federgras angereichert. Diese blumigen Inseln ĂŒberziehen das Wiesland als freundliches Muster. An dieser Stelle stellt sich die Frage der Bewirtschaftung. Die extensiv bewirtschaftete Wiese steht im Widerspruch zum NĂ€hrstoffbedarf der Obstbaumpflanzung, die seltene Mahd fördert den MĂ€usebestand. Der intime Garten zum Haus der Stille wird mit einem Zaun abgegrenzt. Der Versuch, diesen Garten selbstverstĂ€ndlich in das Gesamtkonzept einzubinden, gelingt nur zum Teil, da der Übergang an den RĂ€ndern nicht eindeutig gelöst ist.

 

Insgesamt ĂŒberzeugt der Beitrag auf verschiedenen Ebenen. Das Bekenntnis, den Spitzgarten als Obstbaumgarten zu gestalten, entspricht dem Urtypus eines Gartens. Die ObstbĂ€ume und die Wiesen sind wertvolle Vernetzungselemente zur umliegenden Kulturlandschaft. Die extensiv genutzte Wiese, das Aufpflanzen von Weichhölzern und das Abflachen des Ufers im nördlichen Uferbereich sind wertvolle Massnahmen zur Förderung der BiodiversitĂ€t.

 

Mit angemessenen und wenigen Mitteln wird ein stimmungsvoller Ort geschaffen, der einerseits dem einstigen klösterlichen Betrieb und andererseits den heutigen Anforderungen gerecht wird. Durch eine schlichte Aussenraumgestaltung gewinnt das Projekt an Klarheit. Den Projektverfassenden gelingt mit prÀzisen Interventionen eine Transformation in eine zeitgemÀsse Aussenraumgestaltung unter Einbezug von gartendenkmalpflegerisch relevanten Parametern. Das heisst: klare Trennung von innerer Gartenwelt und landschaftlicher Aussenwelt, StÀrkung des ummauerten Gartens als «hortus conclusus», subtiles Aufgreifen der Achsenbeziehung zwischen KonventgebÀude und Kapelle und angemessene Materialverwendung.

 

Insgesamt ĂŒberzeugt das Vegetationskonzept im Gesamtkontext und als wertvoller Beitrag zur Förderung der BiodiversitĂ€t. Der unaufgeregte Vorschlag wirkt subtil und leise und verspricht eine Aufwertung des Spitzgartens mit hoher atmosphĂ€rischer QualitĂ€t.  

Projekt «pomaretum» | blick entlang randweg in den baumgarten

Projekt «pomaretum» | blick entlang randweg in den baumgarten

Projekt «pomaretum» | Lageplan

Projekt «pomaretum» | Lageplan

Projekt «pomaretum»

Projekt «pomaretum»

Projekt «pomaretum»

Projekt «pomaretum»

Projekt «pomaretum»

Projekt «pomaretum»