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Einphasige, wettbewerbliche, parallele Mehrfachbeauftragung für eine Gutachterliche Stellungnahme | 06/2022

Ausweichspielstätte für die Musik- und Tanztheatersparten des Staatstheaters Nürnberg

Visualisierung 01

Visualisierung 01

Teilnahme

Bez+Kock Architekten Generalplaner GmbH

Architektur

Erläuterungstext

ANALYSE
Die Frage, ob das Interimsgebäude für die Nürnberger Oper eher innerhalb des Kongresshallentorsos, oder außerhalb situiert werden sollte, ist weniger eine Entwurfs- denn deine Denkaufgabe.
Zunächst ist dabei der aktuelle Zustand des historischen Gebäudes, welches ja ein Torso geblieben ist, von erheblicher Bedeutung. Das Gebäude ist vor allem in seinem „Inneren“, also dort wo die eigentliche Kongresshalle entstehen sollte, ein Torso geblieben.  Denn der als solcher wahrgenommene, sogenannte „Innenhof“, ist eigentlich die im Bauzustand verbliebene Grundfläche eines geplanten Kongressaales für 50.000 Besucher. Die rohe, weil unverkleidet gebliebene Trennwand zwischen „Saal“ und Erschließungsgebäude („Hufeisen“), die an verschiedenen Stellen sichtbaren Stütz- und Verbindungskonsolen für noch auszuführende Bauteile, die bauzeitlich entstandenen, temporär gemeinten Vermauerungen der Durchgänge zwischen Foyerbereich und Kongresssaal erzeugen das Bild eines Gebäudetorsos von wahrhaft gigantischen Ausmaßen.
Im Gegensatz dazu wirkt das Gebäude hauptsächlich an der Außenansicht der äußeren Seiten des „Hufeisens“ praktisch fertiggestellt. Der Erschließungstrakt hat seine vorgesehene Traufhöhe erreicht, die Fassaden sind mit hochwertigem Granit verkleidet, die ausgeführte Detaillierung zeigt, dass auf massive Erscheinung des Gebäudes höchster Wert gelegt wurde.

Weiter ist zu bedenken, welche Wirkung mit der neuen Maßnahme in Bezug auf das Denkmal und auch in Bezug auf die Stadt erreicht werden soll.
Unumstritten dürfte sein, dass der Neubau das Denkmal in seiner monumentalen Wirkung beeinträchtigen darf, vielleicht sogar sollte, um eben diese zu relativieren. Respekt und Achtung ist bestenfalls in Bezug auf die technisch-konstruktiven Fähigkeiten angebracht, die im Bauwerk erkennbar sind. Die wesentliche und heute viel relevantere Aussage des Denkmales dürfte jedoch die eines baulichen Zeugnisses grandioser Selbstüberschätzung – und deren Scheitern, sein.
Dies könnte heißen das umstrittene Denkmal genau an der Stelle zu ergänzen, wo der Größenwahn des Projektes und sein abruptes Ende baulich sichtbar und also direkt spürbar wird. Man würde das Interim in den „Innenhof“ stellen und erreichen wollen, dass durch die paradox kleine Erscheinung, die selbst ein Großbauvorhaben wie ein Opernbau innerhalb des Kongresshallentorsos hätte, die v. a. größenbedingte Absurdität der Kongresshalle zum Ausdruck käme. Und man würde den bestehenden Torso typologisch so weiterbauen, wie er angelegt ist – Erschließung und Foyers „außen“, Saal „innen“. Dies kann, pragmatisch gesehen, Vorteile haben (zwischen Gründung und Erschließungssystematik), aber es muss auch die Frage gestellt werden. ob es „richtig“ wäre den Torso in der durch ihn selbst vorgegebenen Richtung weiterzubauen – oder, ob sich bewusst dagegen zu stellen, die bessere Reaktion darauf ist.  
Dem Argument des Erlebbarmachens der Größe durch den Einbau des „Kleinen“ innerhalb des Torsos müsste auch entgegnet werden, dass der Vergleich in der hier denkbaren Form deswegen hinkt, weil er den wahren Dimensionssprung verschleiert. Dies dadurch, dass der Torso des Kongressaales eigentlich nur mit dem Zuschauersaal, also der eine Saal mit dem anderen Saal, verglichen werden sollte. Aufgabenbedingt entsteht mit dem Ergänzungsbau und dessen Bühnenbereich aber etwa das zehnfache Bauvolumen des Opernsaales womit dann die wahren Dimensionen verfälscht werden.  
Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob der Einbau nicht mit der torsohaften Wirkung in Konkurrenz treten, sie überdecken, die Dimension verfälschen und so die vielleicht wichtigste Aussage des Denkmals – die der gescheiterten Gigantomanie – in Frage stellen würde.

Und von der anderen Seite betrachtet:
Welche Wirkung hat es auf das gerade zum Stadtraum, zur Öffentlichkeit hin nahezu vollendet erscheinende Denkmal, wenn das Interim innerhalb des „Hufeisens“ steht…..? Keine!
Wäre es nicht wichtig, gerade dorthin, zur Stadt, zur Öffentlichkeit hin, ein Zeichen zu platzieren? Durch etwas, das das Denkmal stört, ohne es zu zerstören, etwas, das sich – von der Stadt aus gesehen – davor platziert, etwas, das das Denkmal in den Hintergrund drängt, etwas, das jetzt und heute wichtiger sein darf als die gleichgeschaltete Monumentalität der 1930er Jahre.
Und wäre die Störung des Denkmals nicht auch effektiver auf der Seite, an der es „vollendet“ oder zumindest „vollendeter“ erscheint?
Ist es nicht angemessener das Denkmal auch etwas „gegen den Strich zu bürsten“ in dem seine Typologie eben nicht so verwendet wird, wie sie (wenn auch viel großmaßstäblicher) gedacht war und die Räume dadurch als „hohl“ zu brandmarken?
Und letztlich: sollte nicht das Interim der Oper selbst in der Stadt wahrnehmbar sein, anstatt von unvollendeter Naziarchitektur verdeckt und buchstäblich „einverleibt“ zu sein?

KONZEPT
Der vorliegende Entwurf beantwortet die aufgeworfenen Fragen eindeutig.
Er nimmt den Gedanken der Auslobung auf, alle dafür denkbaren und geeigneten Nutzungen innerhalb des Torsos unterzubringen und nur Zuschauersaal und Bühnenbereich im Neubau des Interims vorzusehen. Aber er stellt das neue Gebäude südlich der Bayernstraße vor die Schauseite der Kongresshalle. Somit stellt sich ein neues, markantes Objekt vor die Kongresshalle, relativiert deren Auftritt im Stadtraum, während die Interimsoper auf diese Art die notwendige Präsenz und Auffindbarkeit erhält.
Über die skulpturale Ausformulierung des Neubaukörpers gelingt es, das Problem der Kopplung von Alt und Neu, das Ankuppeln des Bühnenbaus an den Torso gleichsam fugen- und brückenlos herzustellen und trotzdem die baukörperlich erforderliche Separierung sicht- und erlebbar zu machen.
Der Opernsaal selbst dient als eigentliches Kupplungsstück, ist somit pragmatisch direkt an Foyer- und Erschließungsflächen im Kongresshallenbau angeschlossen, ist an seinen Seiten baukörperlich frei, was unkomplizierte Entfluchtung ermöglicht und bietet am Übergang zwischen Alt und Neu eine markante Folge unterschiedlich proportionierter Räume, die als Arkadengang, Vorraum vor den Arkaden und unmittelbarer Saalzugang zwischen Innenraum und Außenraum oszillieren.
Die Erscheinung des Neubaus nimmt bewusst die Gegenposition zur „tausendjährig“-dauerhaften Massivität des „Hufeisens“ ein, und zeigt sich als skeletthafte, aus, das Temporäre betonenden, Fachwerkträgern zusammengesetzte, den Boden nur berührende, in ihn nicht eingreifende Skulptur.
Der Baukörper orientiert sich zur Stadt, zum öffentlichen Nahverkehr, bildet einen Vorplatz, zusammen mit dem Kopfbau des Dokumentationszentrums und hebt sich vom Stadtboden auf das Arkadenniveau ab, so dass der Andienungs- und Rettungsverkehr für Kongresshalle und Volksfest unter dem Gebäude hindurch, nahezu unverändert geführt werden kann.

FUNKTION
Die Trennung der Funktionen, Saal und Bühnenbereich im Ergänzungsbau, Foyer und dienende (Klein-)Räume im Bestand wird, so wie in der Auslobung gewünscht, umgesetzt. Der Eingang befindet sich auf dem Arkadenniveau etwa 5m über dem Gelände und nutzt die historisch-bauzeitliche Zufahrtsrampe zur Höhenüberwindung.
Parkett und Rang des Saales sind in der Höhe so entwickelt, dass sie einerseits vom Erdgeschoss und andererseits vom 1. Obergeschosses des Bestandsgebäudes aus erreicht werden können. So wird ermöglicht dessen Dimensionen durch eigenes Begehen zu erleben. Die Foyerbereiche erstrecken sich über beide Geschosse. Der Haupteingang erfolgt durch die offene Arkade. Dabei dienen die „offenen“ Treppen wie angelegt, der Erschließung des 1. Obergeschosses für das Publikum, während die in den Kernen liegenden Treppen als notwendige Treppen den Fluchtwegen, sowie der internen Erschließung aller Geschosse dienen.
Die Möglichkeit experimentellen Arbeitens, beispielsweise auf einer Arenabühne, die die Zuschauer auf den Nebenbühnen platziert, ist gegeben und wird entweder über einen ebenen Zugang aus dem großen Saal, oder über temporär verfremdete Nutzung des Anlieferzuganges und des Montagebereiches (auch) als Zugang, womöglich „Foyer“, für die Zuschauer zu den Seitenbühnen.

KONSTRUKTION UND MATERIALITÄT
Der Neubau ist als streng modularer, gerasterter Stahlbau aufgefasst, der Wiederverwendung an anderer Stelle, Recycling, aber auch Weiterverwendung am Ort mit geänderter Nutzung dadurch bereits in sich trägt. Die für den Altbau ohnehin unumgängliche Sprinklerung wird auch im Neubauteil fortgeführt, ist im Bühnenbereich ebenfalls unumgänglich und ermöglicht für die Gebäudekonstruktion erhebliche Erleichterungen, die sich insbesondere beim Stahlbau positiv bemerkbar machen.
Die primäre Erscheinung wird durch das feuerverzinkte, außen vorgesetzte Stahlfachwerk geprägt, welches mit einer thermisch abschließenden Hülle aus schwarzer Faserzementwelle hinterlegt ist. Dieses Material ist in der Lage, sowohl kostengünstigen, als auch experimentellen Charakter, sowohl temporäres Bauwerk, als auch Kontrapunkt zur Massivität des Bestandsgebäudes zum Ausdruck zu bringen.
Der Innenausbau des Hufeisens hat zum Ziel den vorhandenen Rohbaucharakter und dessen haptische Qualität weitestgehend beizubehalten. Auch der Ergänzungsbau wird im Inneren durch direkte Materialerfahrung geprägt, hier allerdings durch präzise gefügte, weitgehend präfabrizierte Teile, die ihre Konstruktion offenbaren und so gerade nicht monolithisch wirken.


Lageplan

Lageplan

Visualisierung 02

Visualisierung 02

Grundriss EG

Grundriss EG

Schnitt

Schnitt