modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener städtebaulicher Planungswettbewerb mit Ideenteil | 05/2022

Entwicklung Stadtteil Rauher Kapf West in Böblingen – Schwerpunkt „IBM-Entwicklungslabor“

Perspektive

Perspektive

ein 1. Preis

Preisgeld: 30.000 EUR

H|G Hähnig | Gemmeke Architekten und Stadtplaner Partnerschaft mbB

Stadtplanung / Städtebau

HNP Architekten

Stadtplanung / Städtebau

Stefan Fromm Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept
Mit der städtebaulichen Weiterentwicklung des ehemaligen Forschungs- und Entwicklungslabors der Firma IBM können im Kontext vorhandener Siedlungsstrukturen, Landschaftsräume, Nutzungsnachbarschaften zukunftsweisende Potentiale eines neuen identitätsstiftenden Stadtbausteins auf-gezeigt werden.
In topographischer Plateau-Lage, südlicher Hangkantensituation, Aussichtslage entsteht, eingebet-tet in einen erlebbaren, durchgängigen Waldsaum ein neuer Stadtteil hoher Visibilität.
Im Süden Böblingens entsteht in großräumiger Arrondierung des Stadtgrundrisses ein neues Stadtquartier eigener Prägung und eine, aus dem Ort heraus transformierte Identität.
Aus dem historischen Kontext des Forschens und Entwickelns formulieren sich die Ziele und die Umsetzung des städtebaulichen Entwurfsansatzes.
Ein zentrales, nordsüd verlaufendes grünes Rückgrat verzahnt, vernetzt den neuen Stadtraum mit angrenzenden zukünftigen Entwicklungsgebieten im Norden, der Schönbuchbahn und den tan-gierenden Landschafts-, Freiräumen.
Über differenziert ausformulierte öffentliche Raumfolgen von Quartiersplätzen, Auftaktsituationen, verkehrsberuhigten Erschließungsbereichen und gemischt genutzten Bebauungsstrukturen entsteht ein neues Stadtviertel der kurzen Wege und hoher Nutzungsvielfalt.
Wohnen, Arbeiten, zukünftige Nutzungsgemenge anstoßend werden die stadträumlich architektonischen Zielvorstellungen umgesetzt.
Von der Schönaicher Straße erschlossen bildet ein Mobilitäts-Hub den Auftakt, die Adresse in das neue Viertel. Eine Schnittstelle von ÖPNV (optionale Seilbahnanbindung Schönbuchbahn), den MIV ergänzende Mobilitätskonzepte wie Lastenräder,
E-Bike-Ladestation, Quartiersgarage, Carsharing Angebote, Paketstation und autonomen Systemen. Ringförmig von der bestehenden Zufahrtstraße werden die beiden neuen Stadtbaufelder erschlossen. Wohnquartierssituationen gliedern den neuen Stadtteil. Nach Osten zur Schönbuchstraße entstehen lärmschützende Bebauungsstrukturen, nach Süden und Westen und zum zentral vernetzenden Grünzug lösen sich diese Quartiere in solitäre, punktartige Gebäudetypologien im Park auf.
Beispielhaft werden vorgegebene modulare Bausteine, Holzhybrid-Systeme auf
differenzierte Weise zusammengefügt, komponiert und aufgelöst. Eine Quartiersentwicklung die in ihrem kreativen Umgang der Addition und Fügung dieses modularen
Systems ein lebendiges Ganzes entstehen lässt.
Im Bereich der Quartiersplätze entstehen klare Raumkanten, räumlich erlebbare Fassungen. Die Nutzung der umgebenden Gebäudestrukturen bespielen aus den Erdgeschossen heraus diese öffentlichen Plätze. Klare Adressbildungen zu den geplanten Erschließungsräumen, Wohnstraßen schaffen Orientierungen. Nach innen, zu den grünen Quartiershöfen entstehen private, geschütz-te Gartenbereiche. Zonierungen, die im verdichteten urbanen Kontext Privatheit generieren, gewährleisten.
In den Übergängen zum Landschaftsraum, zu den angrenzenden Waldgebieten wird eine park-ähnliche Siedlungsstruktur als sich öffnende Schnittstelle aufgezeigt.
Im Nordwesten werden ein typisches bestehendes Atriumgebäude der IBM und im Südosten der sichtbare „Kamin“ als Zeitzeugen in das stadträumliche Gefüge integriert und machen für die zukünftigen Bewohner, Nutzer Geschichte, Entwicklung nachvollziehbar.
Der Grünzug als vernetzende neue Mitte mit den öffentlichen Nutzungen einer Kindertagesstätte, der geplanten Grundschule, einer Sporthalle, dem Stadtteiltreff, einem möglichen Seniorenzentrum und attraktiven Sport- und Freizeitangeboten.
Ein Belvedere, Aussichtspunkt bildet den Übergang zum Panoramaweg und definiert einen attraktiven Auftakt, Endpunkt dieser grünen Mitte mit Blick auf die Hanglagen der Weinberge mit Vinothek.
In differenzierten Höhenentwicklungen von III-VI geschossigen Gebäudetypologien entstehen urbane Raumfolgen.
Ein durchgängiges Fuß- und Radwegenetz schafft kurze Wege, Anbindungen, Orientierungen in die angrenzenden Nachbarschaften.
In gegenseitigen Synergien von Wohnen, Arbeiten, Bildung, Sport, kulturellen Bausteinen und belebten öffentlichen Orten entsteht ein Stadtteil von hohem Identifikationsgrad.
Aufbauend auf einem bestehendem Fernwärmenetz werden ergänzende, großflächige PV-Anlagen auf der Quartiersgarage, dem Atriumgebäude und den Wohnquartieren angeboten.
Die fünfte Fassade dient als Retentionsvolumen, Energiefeld und bietet Nutzungsangebote z.B. für ergänzende Sportflächen auf der Sport- und Freizeithalle. Multicodierte Räume wie Spielflächen, Pausenhöfe, Platzräume, Retentionsflächen verweben sich mit den angrenzenden Wohnstrukturen.
Ein durchgängiges Niederschlagswassermanagement schafft die Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung in Hinsicht auf das zukünftige Stadtklima, einer guten Durchlüftungssituation und den Umweltschutz. Maximale Reduzierung der versiegelten Flächen, der „grüne Kapf“ als Schwammstadt.
Erdmassenausgleich, Bodenmodellierungen mit Recyclingmaterial und die Nutzung grauer Energien durch teilweisen Erhalt bestehender Gebäude und damit verbundener beispielhafter Umnutzungen.
Die geforderten, notwendigen Waldabstände zu den angrenzenden Waldgebieten bilden in diesen übergeordneten Kontext wichtige differenziert gestaltete Schnittstellen.
Ergänzende Baumpflanzungen, Gehölzarrondierungen, Ausgleichspflanzungen, die die Erschließungsstraßen begleitenden Baumreihen, baumüberstellte Platzflächen unterstützen diesen ökologischen Gesamtansatz.

Architektonisches Konzept
Die Holzbaumodule, Holzhybridgebäude bilden eine weitere wesentliche Grundlage einer CO2-neutralen Stadtentwicklung.
In möglichen unterschiedlichen Fassadenstrukturen, gewählten Materialitäten reagiert der architektonische Ausdruck des neuen Quartiers auf die jeweiligen Stadträume. In der sich verdichtenden Mitte können verputzte Oberflächen mit z. B. Kammputzstrukturen ein durchgängiges architektonisches Bild erzeugen, in den Landschaftsübergängen prägen differenzierte Holzfassadenstrukturen den Raum.
Die eingestreuten architektonischen Solitäre können diese materielle Grundstruktur differenziert ergänzen.
Der „grüne Kapf“ als stadträumliche Entwicklung, sichtbarer Stadtbaustein mit großen Potentialen einer räumlichen Weiterentwicklung nach Norden in die Bereiche der Sport- und Freizeitanlagen, zur vorhandenen Schönbuchbahnhaltestelle.
Der vorhandene IBM-Club kann diese Entwicklungsverzahnung, zukünftige Schnittstelle formulieren, akzentuieren.
Ein neuer Stadtteil für Alle mit Bildungscampus, differenzierten Wohnungsangeboten, sozialer Durchmischung, neuen Wohn- und Arbeitswelten und einem übergeordneten Klima- und Mobilitätskonzept.
In dieser einzigartigen herausfordernden Lagegunst ein Ort für eine funktionierende Stadtgesellschaft, ein zukunftsiniziierender Entwurfsansatz des Zusammenlebens.
Forschung und Entwicklung in einem urbanen, städtebaulichen Kontext fortgeführt, als Anstoß kreativer Umsetzung des Entwurfsansatzes.
Grün- und Freiflächenkonzept
Das neue Wohngebiet ist eingebettet in ein hochwertiges und differenziertes Grün- und Freiflächensystem, das eine hohe gestalterische Qualität, vielfältige Nutzungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten beinhaltet, aber auch eine hohe ökologische Wertigkeit aufweist.
Zwischen dem weitestgehend erhaltenen Waldbestand und den Baumquartieren legt sich eine parkartige Grünzone, die einerseits den erforderlichen Waldabstand gewährleistet und andererseits einen landschaftlich geprägten, natürlichen Übergang zum umgebenden Wald darstellt. Die nördliche und die südliche Grünzone nehmen dabei aufgrund der Gefällesituation auch die Funktion der Retention von Niederschlagswasser in Form von temporär angestauten Retentionsteichen auf. Im Osten und Westen werden gestaltete Nutzungen wie Kinderspiel, Waldspielplatz, Sport- und Freizeitaktivitäten, Grillplatz, Urban Gardening, Waldlehrgarten u.a. angeboten. Im Osten befindet sich auch die mögliche Seilbahntrasse in der grünen Fuge. Richtung Westen wird im bestehenden Waldgebiet auch ein Baumwipfelpfad mit regionaler Ausstrahlung als Ergänzung der Spiel- und Sportfelder vorgeschlagen.
Zentrales Freiraumelement innerhalb des neuen Wohngebiets ist eine neue breite Grünspange, die durch Wegeverbindungen und punktuelle Sonderbauten mit gemeinschaftlicher bzw. öffentlicher Nutzung wie Kindergarten, Stadtteiltreff und Vinothek eine verbindende Wirkung zwischen den beiden Wohngebietsteilen entfaltet. Ebenso werden hier intensive und extensive Freiraumnutzungen wie Spielen, Treffen, Liegen und Naturerleben angeboten. Mehrere kleine Wäldchen sorgen für räumliche und ökologische Qualität und binden das Gebiet in Anlehnung an den früheren IBM-Campus in die waldartige Umgebung ein. Den südlichen Abschluss des Grünzugs zum Weinberghang bildet ein "Belvedere" mit Ausblick über die Schönbuchlichtung bis zur Schwäbischen Alb. Das Belvedere ist angebunden an den Panoramaweg, der entlang der Hangkante das Gebiet in Ost-West-Richtung über eine Brücke mit dem "Rauhen Kapf" verbindet. Ein geschwungen geführter Weg stellt das Rückgrat des Grünzugs dar und verknüpft das neue Wohngebiet in nördlicher Verlängerung entlang eines „Stationenwegs“ durch den Waldhang über den IBM-Klub mit der Schönbuchbahn-Haltestelle im Norden.
Den landschaftlich ausgeprägten, parkartigen Grünräumen an den Rändern und im Zentrum des Wohngebietes stehen gestaltete urbane Straßenräume und Plätze im
Inneren mit hoher Aufenthaltsqualität gegenüber. Jeder Teilbereich erhält einen Quartiersplatz als kommunikatives Zentrum mit multifunktionalen Nutzungsmöglichkeiten und Baumpflanzungen. Durch entsprechende Erdgeschoss-Nutzungen der nördlich angrenzenden Quartiere (Gastronomie, Läden, Dienstleistungen) werden die Plätze belebt.
An der Zufahrt von der Schönaicher Straße empfängt ein Auftaktplatz mit Quartiersgarage und Mobilitätsstation Bewohner und Besucher und bildet ein Gelenk zum gegenüberliegenden Wohngebiet „Rauher Kapf“. Die orthogonalen Erschließungsstraßen sind als baumbestandene Wohnstraßen mit "Shared Space"-Charakter ausgebildet und ergänzen die hohe Aufenthalts- und Nutzungsqualität der angebotenen Freiräume.
Die einzelnen Wohnquartiere sind jeweils um einen gemeinschaftlichen Innenhof gruppiert, der Spiel, Aufenthalt, Feiern u.a. Nutzungen der Nachbarschaften ermöglicht. Den Erdgeschosswohnungen sind private Gartennutzungen vorgelagert, so dass auch individuelle Freiräume angeboten werden können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Zentraler städtebaulicher Gedanke der Arbeit Grüner Kapf ist die Gliederung des Areals durch eine zentrale Nord-Süd-Grünachse in zwei klar definierte Teilquartiere. Die städtebauliche Struktur der Wohnbebauung gliedert sich im nördlichen und zentralen Bereich der Quartiere in aufgebrochene vier bis fünfgeschossige Blockrandstrukturen und lockert sich nach Süden in freistehende Stadtvillen gleicher Höhe auf. Die gleichmäßige Verteilung der Baumassen, verbunden mit der schrittweisen Auflockerung der Struktur nach Süden, schafft zwei durchgängig gut belichtete und durchgrünte Quartiere, die für Fußgänger und Radfahrer über die zentrale grüne Spange attraktiv erschlossen sind. Dieser städtebauliche Ansatz wird begrüßt, da er eine abschnittsweise Realisierung ermöglicht und eine kleinteilige, homogene und überschaubare Struktur schafft.

Jedes Teilquartier entwickelt sich städtebaulich um einen zentral angeordneten Platz, den Quartiersanger im Westen und den Nachbarschaftsplatz Osten. Die Plätze schaffen nachbarschaftliche Begegnungsräume und geben den Teilquartieren eine Mitte. Der Nahversorger ist günstig nördlich des Nachbarschaftsplatzes angeordnet.
Im Teilquartier West bleibt an der nordwestlichen Ecke der Bebauung ein Laborgebäude der IBM bis auf Weiteres zur multifunktionalen Nutzung erhalten, die Baufläche bildet die „Vorhaltefläche“ der Auslobung ab. Im Teilquartier Ost ist die Nordwestecke durch den Schul- und Kita-Campus definiert, der damit günstig zwischen der zentralen Grünachse und dem Nachbarschaftsplatz liegt.

Der zentrale Park ist identitätsprägend für das neue Quartier. Entlang dieser neuen Grünachse sind öffentliche Nutzungen, die Spielfläche der Kita, ein Nachbarschaftstreff sowie eine Vinothek attraktiv angeordnet. Er endet im Süden in einem attraktiven Aussichtspunkt, nach Norden weist er den Weg zum S-Bahnhaltepunkt. Allerdings teilt der Verbindungsweg den Park in zwei lange Streifen, das Einrücken einzelner Gebäude verengt den Grünraum unnötig. Die Multifunktionsstreifen östlich und westlich des Waldes erscheinen überdimensioniert, es ist zweifelhaft, ob die Flächen wie geplant bespielt werden können.
Die vorgeschlagene lokale Energieversorgung wird positiv bewertet. Eine weitere Ausarbeitung zum ggf. lokalen Energiemanagement wäre in einer weiteren Planungsstufe noch erforderlich. Maßnahmen zur Klimaanpassung, insbes. Regenwassermanagement und Beschattung sind vorhanden.

Die städtebauliche „Zweiteilung“ erfordert in der die Konsequenz, die Erschließung für beide Teilquartiere zu lösen. Die verkehrliche Erschließung erfolgt über die bestehende nördliche IBM-Erschließungsstraße, von der in jedem Teilquartier eine interne Ringstraße abzweigt. Während der östliche Bereich als gut erschlossen, auch mit einer Notfallzufahrt eingeschätzt wird, müsste im westlichen Teil wegen fehlender Notfallzufahrt der Busverkehr entweder mit einer langen Schleifenerschließung oder einer zu ergänzenden Wendeanlage geführt werden. In beiden Quartieren wird eine gewisse Unschlüssigkeit im Sinne der Mobilität deutlich, da über die Wohnwege der MIV und die Anlieferung geführt wird, zahlreiche Tiefgaragen eingeplant sind, sodass die Quartiersgarage am Eingang an Bedeutung verliert und im Sinne des Mobilitätshubs zu weit entfernt liegt. Mit der innovativen Seilbahnverbindung zwischen Zimmerschlag und Schönaich wird eine Möglichkeit der ÖPNV-Ergänzung angeboten, allerdings ist die Seilbahnstation nur am Rande gelegen und schlecht im Quartier eingebunden. Die Mobilitätsangebote im Quartier darüber hinaus werden als durchdacht und vielfältig eingeschätzt. Eine Anbindung an die Schönaicher Straße mit einem Kreisverkehr wird ergänzend angeregt.

Insgesamt wird der Entwurf als maßstäblich passender und funktionaler Lösungsansatz für die Quartiersentwicklung am ehemaligen IBM-Standort eingeschätzt.
Lageplan

Lageplan

Strukturkonzept

Strukturkonzept

Perspektive

Perspektive

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto